Energiekrise
Union signalisiert Unterstützung für Milliarden-Hilfspaket
30. September 2022, 3:46 Uhr aktualisiert am 30. September 2022, 3:46 Uhr
Mit einem Hilfspaket von bis zu 200 Milliarden Euro will die Bundesregierung Verbraucher und Unternehmen in der Energiekrise unterstützen. Die Union hat noch Fragen, signalisiert aber Unterstützung.
Der stellvertretende Unionsfraktionsvorsitzende Jens Spahn hat der Bundesregierung für das bis zu 200 Milliarden schwere geplante Hilfspaket Unterstützung signalisiert. "Das Ziel der Ampel, die Preise zu senken und Versorgung zu sichern, unterstützen wir", sagte Spahn den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Die Union gehe konstruktiv an die neuen Vorschläge. Mit Blick auf die am Donnerstag vorgestellten Pläne zur Gaspreisbremse kritisierte er jedoch, dass noch zu viele Fragen offen seien, um zu bewerten, wie effektiv der Abwehrschirm sein könne und ab wann er überhaupt stehe. "Noch sind die markigen Worte nicht mit Taten gefüllt", sagte der CDU-Politiker.
Reaktionen und Meinungen
Spahn kritisierte weiter, die Ampel habe mit der Gasumlage einen Irrweg verfolgt. "Die Erkenntnis, dass die Preise sinken statt steigen müssen, kommt spät." Die Kosten, nun noch gegenzusteuern, seien enorm und höher als sie hätten sein müssen.
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Donnerstag einen neuen "Abwehrschirm" von bis zu 200 Milliarden Euro angekündigt, um Verbraucher und Unternehmen wegen der steigenden Energiepreise zu stützen. Die umstrittene Gasumlage ist vom Tisch - dafür soll es eine Gaspreisbremse geben. Mindestens für einen Teil des Verbrauchs sollen die Preise so gedeckelt werden, dass private Haushalte und Firmen nicht überfordert sind. Was das genau bedeutet, ist aber noch offen. Eine Kommission soll bis Mitte Oktober Vorschläge machen.
Die Wirtschaftsweise Veronika Grimm, die die Kommission leitet, sagte im ZDF "heute journal up:date": "Die Ausgestaltung wird jetzt herausfordernd, aber wir werden sicherlich sehr, sehr schnell, innerhalb von Tagen, Wochen, durchaus schon Vorschläge auf den Tisch legen". Man müsse sich klarmachen, "dass sich die Gaspreise verfünf-, versechs-, versiebenfachen, mit denen die Haushalte konfrontiert sind" so Grimm. Es gehe bei dem Hilfspaket nicht darum, "das Volk politisch ruhig zu halten", sondern um eine Entlastung der Bürgerinnen und Bürger. Denn es sei abzusehen, dass die Energiekrise nicht so schnell vorbei sein werde.
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) skizzierte am Donnerstag wie die Gaspreisbremse ausgestaltet werden könnte. "Was naheliegend ist, ist dass man einen Grundbedarf subventioniert, die Spitze des Verbrauchs allerdings am Markt bezahlt werden muss. Also je mehr Gas man verbraucht, umso teurer wird es", sagte Habeck in der RTL-Sendung "Nachtjournal".
Gaspreise
Der Grundbedarf werde entweder über den entsprechenden Gasverbrauch des vergangenen Jahres ermittelt oder es könne ein prozentualer Anteil davon festgelegt werden, der dann billiger sei, sagte Habeck. "Das kann subventioniert und gedrückt werden, aber was darüber hinaus geht, dann eben nicht. So ein Modell wird es werden, damit es immer einen Anreiz gibt, weiter Gas zu sparen."
Kanzler Scholz dämpfte zugleich die Erwartungen, dass die beschlossenen Instrumente für die Absenkung der Gaspreise bereits im Oktober zu spürbaren Entlastungen von Verbrauchern führen würden. "Das wird sicherlich nicht so einfach gehen, weil es ja von uns organisiert werden muss, dass die zu hohen Preise für Gas, die auf dem Weltmarkt bezahlt werden, runtersubventioniert werden müssen", sagte Scholz in der Sendung "RTL Aktuell". Gefragt, ob die Entlastungen für die Menschen noch in diesem Jahr spürbar sein würden, sagte Scholz: "Wir sind uns sehr sicher, dass das gelingt."
Im ZDF "heute journal" rechtfertigte Scholz, für das gigantische Hilfspaket weitere Kredite aufzunehmen. "Das ist eine akute Krise, da muss man akut handeln", sagte er. Die Preise seien zu hoch und müssten runter. "Da wir immer gut gewirtschaftet haben, (...) können wir das machen, was wir in solchen Situationen schon öfter gemacht haben: In der Krisensituation Kredite aufnehmen", sagte Scholz.
Die nun unternommenen Schritte seien sehr weitreichend, "damit wir lange durchhalten können und damit die Bürgerinnen und Bürger sicher sein können, dass solange durch Knappheit die Preise zu hoch sind, wir sie auch runtersubventionieren", sagte Scholz. Die vorgesehenen Mittel sollen laut Scholz im laufenden, im kommenden und im Jahr 2024 eingesetzt werden.
Kritik
Der Bund der Steuerzahler Deutschland kritisierte unterdessen die Finanzierung des neuen Hilfspakets. "Mit dieser vermeintlichen Lösung kommen enorme Kosten auf den Bund und damit die Steuerzahler zu. Dabei sind viele wichtige Details ungeklärt, auch die Wirkung bleibt fraglich", sagte Präsident Reiner Holznagel den Zeitungen der Funke Mediengruppe. Durch die Finanzierung über den sogenannten Wirtschaftsstabilisierungsfonds (WSF) müssten künftige Generationen für die heutigen Maßnahmen zahlen. Ein "radikales Sparprogramm" im Kernhaushalt bleibe aus.
Die 200 Milliarden Euro sollen nicht aus dem regulären Bundeshaushalt kommen, sondern aus dem Wirtschaftsstabilisierungsfonds. Dieses Sondervermögen war in der Corona-Krise zur Rettung größerer Unternehmen gebildet worden und wird nun wiederbelebt.
Der Präsident des Bundesrechnungshofs, Kay Scheller, kritisierte die Art der Finanzierung des Pakets. "Sondervermögen schaffen Intransparenz. Sie vernebeln Haushaltswahrheit und -klarheit", sagte er dem Nachrichtenportal "Politico". Sondervermögen seien meist mit Krediten finanzierte Ausgabeermächtigungen. "Das heißt, wenn Geld aus Sondervermögen abgerufen wird, dann muss sich der Staat verschulden. Letztlich sind Sondervermögen, auch wenn sie nicht so heißen, Bundesschulden."
Nach dem Aus für die Gasumlage mahnte der Gasimporteur Uniper schnelle Hilfe an. "Damit die Gasversorgung weiter gesichert werden kann, müssen die Kosten für die Ersatzbeschaffung von Gas getragen werden. Die Bundesregierung hat zugesichert, dass die Gasimporteure zu diesem Zweck nun direkt und maßgeschneidert unterstützt werden", sagte der Uniper-Sprecher der "Rheinischen Post" (Freitag). "Das ist eine Voraussetzung dafür, dass die Gasimporteure ihre systemkritische Rolle weiter ausüben können."