Vor Krisenrunde nächste Woche

Spahn: Corona-Tests sollen wieder kostenlos sein


Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (r.) und der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, rufen einmal mehr zum Impfen auf.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (r.) und der Präsident des Robert-Koch-Instituts, Lothar Wieler, rufen einmal mehr zum Impfen auf.

Von mit Material der dpa

Die Politik sucht dringend nach Wegen, die dramatisch ansteigenden Infektionszahlen wieder unter Kontrolle zu bekommen? In der nächsten Woche tagt eine Krisenrunde von Bund und Ländern - die Zeit drängt.

Wegen der immer bedrohlicheren Corona-Ausbreitung in Deutschland rücken zusätzliche Alltagsbeschränkungen in den Blick. Der geschäftsführende Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) forderte vor anstehenden Bund-Länder-Beratungen ein schnelles Gegensteuern. "Wir müssen alles tun, um diese Dynamik zu brechen", sagte er am Freitag in Berlin. "Sonst wird es für das ganze Land ein bitterer Dezember." Das Robert Koch-Institut (RKI) rief alle Bürger wegen dramatisch steigender Infektionszahlen zu weniger Kontakten auf und rät auch zu Einschränkungen besonders bei Großveranstaltungen.

RKI-Präsident Lothar Wieler warnte: "Es ist fünf nach zwölf." In etlichen Landkreisen gebe es so viele Neuinfektionen, dass Kliniken und besonders die Intensivstationen an der Kapazitätsgrenze seien. Dies werde ohne zusätzliche Maßnahmen überall eintreten. "Die vierte Welle trifft uns jetzt mit voller Wucht." Die Zahl der gemeldeten Neuinfektionen pro 100.000 Einwohner in sieben Tagen stieg laut RKI auf 263,7 und damit den fünften Tag in Folge auf einen Höchstwert. Die Gesundheitsämter meldeten binnen eines Tages 48.640 neue Fälle.

Spahn macht sich für "2G plus" stark

Wieler erläuterte, dass etwa von den mehr als 50.000 Neuinfizierten, die am Vortag gemeldet worden waren, im Laufe der Zeit etwa 3.000 ins Krankenhaus müssten. Für eine stärkere Eindämmung solle unter anderem bei Großveranstaltungen die Personenzahl reduziert oder ein Verbot erwogen werden. Eine konkrete Zahl als Obergrenze nannte er nicht. "Wir wissen, dass insbesondere in Innenräumen sogenannte Superspreader-Events stattfinden." Man solle auch erwägen, in besonders belasteten Regionen Bars oder Clubs zu schließen.

Spahn sprach sich dafür aus, für öffentliche Veranstaltungen das Prinzip "2G plus" einzuführen - also Zugang nur für Geimpfte und Genesene, die zusätzlich aber noch einen aktuellen Test vorweisen müssen. Die bisherige 3G-Regel mit Zugang für Geimpfte, Genesene und Getestete werde alleine nicht mehr reichen. Dies sei außerdem zu oft nicht kontrolliert worden, so dass eigentlich "0G" gegolten habe.

Der Minister kündigte zusätzliche Anreize an, um das Tempo der Impfungen zu beschleunigen. Mit einer geplanten Verordnung sollen Ärzte statt der bisherigen 20 Euro ab Dienstag 28 Euro als Vergütung erhalten, außerdem einen neuen Wochenendzuschlag von 8 Euro. Spahn verwies darauf, dass Impfungen schon anziehen. In dieser Woche seien mehr als 4,3 Millionen Dosen bestellt worden, was eine Vervierfachung verglichen mit den vergangenen Wochen sei. Neben den Praxen gebe es wieder mehr als 170 Impfstellen und rund 600 mobile Teams.

Wieder kostenlose Tests ab nächster Woche

Erforderlich seien jetzt auch wieder deutlich mehr Tests. Wie bereits angekündigt, soll das vor vier Wochen stark eingeschränkte Angebot mit Gratis-Schnelltests durch geschultes Personal samt Bescheinigung wieder für alle kommen. Eine Verordnung dafür solle ab diesem Samstag gelten, so dass Angebote Anfang nächster Woche starten dürften. In Pflegeheimen sei dringend eine Testpflicht für Personal und Besuche nötig - dies sei aktuell auch sinnvoller als eine Impfpflicht fürs Personal, da sich jetzt Geimpfte ebenfalls testen lassen sollten. Am Arbeitsplatz solle ebenfalls die 3G-Regel eingeführt werden.

Spahn betonte, die für kommenden Donnerstag vorgesehene Corona-Runde der geschäftsführenden Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit den Ministerpräsidenten sei wichtig, um zu gemeinsamem Handeln zu kommen. Aus seiner Sicht hätte es eine solche Abstimmung schon vor drei Wochen gebraucht. Der Hauptgeschäftsführer des Städte- und Gemeindebundes, Gerd Landsberg, sagte dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (Freitag), notwendig sei eine verbindliche Vereinbarung zwischen Bund und Ländern für den Winter. Dazu gehöre eine Strategie für Auffrischungsimpfungen. "Nach Möglichkeit sollten bis Weihnachten 20 Millionen Menschen diese Impfung erhalten haben."

Spahn kritisierte Pläne der voraussichtlichen Regierungspartner SPD, FDP und Grüne, in einer neuen Rechtsgrundlage künftig weniger mögliche Eindämmungs-Instrumente aufzuführen. "Es braucht mehr, als aktuell möglich gemacht werden soll." In den Plänen der Ampel-Partner sind vorerst etwa keine pauschalen Schließungen von Einrichtungen mehr als Möglichkeit für die Länder vorgesehen. Die vom Bundestag festgestellte "epidemische Lage" als bisherige Rechtsgrundlage für Maßnahmen soll den Plänen zufolge am 25. November auslaufen.

Impfpflicht für sensible Berufsgruppen im Gespräch

Die Ampel-Parteien diskutieren auch über eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen. Wahrscheinlich werde man in den nächsten Wochen eine berufsgruppenspezifische Impfpflicht einführen müssen, sagte Grünen-Experte Janosch Dahmen. Er nannte etwa Pflegekräfte, Ärzte, Reinigungs- und Küchenpersonal in Kliniken oder Pflegeheimen. SPD-Fachpolitikerin Sabine Dittmar sagte, man müsse sehr sorgfältig abwägen und verwies auf mögliche Abwanderung von Pflegekräften.

Spahn wandte sich erneut gegen eine allgemeine Corona-Impfpflicht und verwies auf Schwierigkeiten bei der Umsetzbarkeit und Kontrollen von Menschen, die sich dann weigerten. "Zerren wir dann Sahra Wagenknecht mit der Landespolizei zur Impfstelle?" Die Linke-Politikerin hatte unter anderem kürzlich in der ARD-Sendung "Anne Will" Vorbehalte gegen Impfungen deutlich gemacht.

Zum Krisenmanagement wird auch die Bundeswehr zunehmend herangezogen. "Wir sehen einen ansteigenden Bedarf", sagte eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums. Derzeit seien 650 Soldatinnen und Soldaten dafür im Einsatz, davon 570 in der Kontaktnachverfolgung, 48 in Krankenhäusern und 17 in der Impfkampagne.