Koalitionsstreit
Scholz entlässt Finanzminister Lindner und kündigt Vertrauensfrage an
6. November 2024, 20:42 Uhr aktualisiert am 6. November 2024, 22:19 Uhr
Die Koalitionskrise spitzt sich dramatisch zu. Bundeskanzlerkanzler Olaf Scholz entlässt Finanzminister Christian Lindner, wie Regierungssprecher Steffen Hebestreit der Deutschen Presse-Agentur mitteilte.
Zuvor hatte Lindner Scholz (SPD) eine Neuwahl des Bundestags vorgeschlagen. Die Gespräche hätten gezeigt, dass keine ausreichende Gemeinsamkeit in der Wirtschafts- und Finanzpolitik herzustellen sei, zitieren Teilnehmer Lindner. Es sei im Interesse des Landes, schnell Stabilität und Handlungsfähigkeit zurückzugewinnen.
Scholz kündigt Vertrauensfrage an
Lindner schlug den Angaben zufolge vor, dass die Ampel-Parteien, wie 2005 gemeinschaftlich, schnellstmöglich Neuwahlen für Anfang 2025 anstreben sollten, um "geordnet und in Würde" eine neue Regierung für Deutschland zu ermöglichen. Die FDP wäre bereit, noch den Nachtragshaushalt 2024 gemeinsam zu beschließen und einer geschäftsführenden Bundesregierung anzugehören.
Nach der Beratung kündigte Bundeskanzler Olaf Scholz an, die Vertrauensfrage stellen zu wollen. Der Bundestag solle darüber am 15. Januar abstimmen, sagte der SPD-Politiker in Berlin.
Scholz: Lindners Verhalten dem Land nicht mehr zuzumuten
Bundeskanzler Olaf Scholz begründete die Entlassung von Bundesfinanzminister Christian Lindner mit einer fehlenden Vertrauensbasis für die weitere Zusammenarbeit. "Zu oft hat Bundesminister Lindner Gesetze sachfremd blockiert", sagte der SPD-Politiker im Kanzleramt. "Zu oft hat er kleinkariert parteipolitisch taktiert. Zu oft hat er mein Vertrauen gebrochen."
Es gebe keine Vertrauensbasis für die weitere Zusammenarbeit. "So ist ernsthafte Regierungsarbeit nicht möglich", sagte Scholz. Ein solches Verhalten wolle der dem Land nicht weiter zumuten.
Lindner hatte "Herbst der Entscheidungen" ausgerufen
Lindner hat schon vor einiger Zeit den "Herbst der Entscheidungen" für die Koalition ausgerufen. Er meinte damit vor allem den Haushalt für das nächste Jahr, der am 29. November im Bundestag verabschiedet werden sollte. Daneben ging es ihm um eine Strategie, wie Deutschland aus der Wirtschaftskrise geführt werden soll. Dazu hat er Vorschläge gemacht, die den Streit in der Koalition eskalieren ließen. In seinem Konzept für eine Wirtschaftswende fordert Lindner unter anderem die endgültige Abschaffung des Solidaritätszuschlags auch für Vielverdiener und einen Kurswechsel in der Klimapolitik.
Gegen solche Ideen gab es erheblichen Widerstand bei SPD und Grünen. Habeck war Lindner aber auch einen Schritt entgegengekommen. Er hat sich am Montag bereiterklärt, die nach der Verschiebung des Baus eines Intel-Werks in Magdeburg frei werdenden Fördermilliarden zum Stopfen von Haushaltslöchern zu verwenden.
Scholz schlägt Merz Zusammenarbeit vor
Kanzler Olaf Scholz will Unionsfraktionschef Friedrich Merz (CDU) anbieten, rasch gemeinsam nach Lösungen zur Stärkung der Wirtschaft und der Verteidigung zu suchen. "Ich werde nun sehr schnell auch das Gespräch mit dem Oppositionsführer, mit Friedrich Merz suchen", sagte der SPD-Politiker. Er wolle Merz anbieten, in zwei oder gerne auch noch mehr Fragen, "die entscheidend sind für unser Land, konstruktiv zusammenzuarbeiten: Bei der schnellen Stärkung unserer Wirtschaft und unserer Verteidigung", sagte der Kanzler.
Die Wirtschaft könne nicht warten, bis Neuwahlen stattgefunden haben, ergänzte Scholz und fügte hinzu: "Und wir brauchen jetzt Klarheit, wie wir unsere Sicherheit und Verteidigung in den kommenden Jahren solide finanzieren, ohne dafür den Zusammenhalt im Land aufs Spiel zu setzen." Auch mit dem Blick auf die Wahlen in Amerika sei das "vielleicht dringender denn je". Der Kanzler sagte: "Es geht darum, jene Entscheidung zu treffen, die unser Land jetzt braucht. Darüber werde ich mit der verantwortlichen Opposition das Gespräch suchen."