Pandemie

Ruf nach Ende der Gratis-Corona-Tests


Eine Frau hält am Flughafen München in einem Covid-19 Testcenter die Probe von einem Rachenabstrich in den Händen. Politiker aus unterschiedlichen Parteien diskutieren, ob Coronatests weiterhin kostenlos für Alle sein sollen.

Eine Frau hält am Flughafen München in einem Covid-19 Testcenter die Probe von einem Rachenabstrich in den Händen. Politiker aus unterschiedlichen Parteien diskutieren, ob Coronatests weiterhin kostenlos für Alle sein sollen.

Von mit Material der dpa

Sollen Schnelltests künftig etwas kosten? Manche versprechen sich davon Druck auf all jene, die sich einer Impfung verweigern, doch andere warnen. Am Dienstag beraten Bund und Länder darüber - und über die gesamte Strategie für den Herbst.

Vor der Ministerpräsidentenkonferenz mit Kanzlerin Angela Merkel an diesem Dienstag gibt es starke Stimmen für eine Ende des Gratisangebots an Corona-Schnelltests.

Die Ministerpräsidenten von Niedersachsen und Baden-Württemberg, Stephan Weil (SPD) und Winfried Kretschmann (Grüne), sprachen sich beide dafür aus. Auch SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz plädierte in der "Süddeutschen Zeitung" erneut dafür.

Ein Vorschlag des Bundesgesundheitsministeriums sieht dafür Mitte Oktober als Termin vor. Dabei geht es nur um jene Menschen, für die es eine Impfempfehlung der Ständigen Impfkommission gibt - also nach derzeitigem Stand keine Kinder - und bei denen keine medizinischen Gründe dagegen sprechen.

Sollen Tests weiter gratis sein?

"Ich halte es ausdrücklich für richtig, dass Ungeimpfte ab dem Herbst ihre Tests selbst bezahlen müssen. Bis dahin hatte jeder die Möglichkeit, sich kostenfrei impfen zu lassen", sagte Weil dem Berliner "Tagesspiegel". Kretschmann sagte der "Stuttgarter Zeitung/Stuttgarter Nachrichten": "Auf Dauer wird die öffentliche Hand die Tests nicht finanzieren können. Das ist auch eine Frage von fairer Lastenverteilung, denn es gibt ja ein kostenfreies Impfangebot für alle."

Dagegen riet FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae: "Die Kostenlosigkeit der Tests möglichst lange, auch bis in das Jahr 2022 hinein aufrecht zu erhalten, ist gut angelegtes Geld." Das gelte auch für Genesene und Geimpfte, sagte er der Deutschen Presse-Agentur. Denn sie seien zwar weitgehend vor Erkrankung geschützt, könnten aber das Virus weitertragen.

Angesichts wieder steigender Infektionszahlen wollen die Landesregierungschefs und Merkel am Dienstag beraten, wie sich die anrollende vierte Welle flach halten lässt. "Deutschland darf nicht wehrlos und schutzlos in den Herbst gehen", sagte CSU-Generalsekretär Markus Blume im "Bild"-Internetformat "Die richtigen Fragen". Die Frage der Testkosten ist aber nur einer der Punkte, mit denen sich Merkel und die Ministerpräsidenten befassen dürften. Weitere Fragen sind:

Wie lässt sich die Impfkampagne ankurbeln?

Bisher haben rund 55 Prozent der Bevölkerung die für den vollen Schutz nötigen Impfungen erhalten - zu wenig, um eine neue große Welle zu verhindern. Doch das Impftempo hat stark nachgelassen. Zuletzt wurden innerhalb einer Woche nur rund eine halbe Million Menschen erstgeimpft - in der Spitze waren es im Mai mehr als eine Million an einem Tag.

FDP-Fraktionsvize Stephan Thomae forderte, mit einer "unaufgeregten Aufklärungskampagne" Ängste zu zerstreuen. Dies wäre besser als mit "Drohungen eines unmittelbaren oder mittelbaren Impfzwangs Vorbehalte zu verstärken", sagte er der Deutschen Presse-Agentur.

Für wen soll es Beschränkungen geben?

Weil sagte, trotz lahmenden Impftempos seien viele Menschen mittlerweile geimpft. "Vor diesem Hintergrund sind massive Einschränkungen, wie wir sie beispielsweise noch im Frühjahr hatten, nicht mehr angemessen." Für Kretschmann gilt dabei grundsätzlich: Einschränkungen bei Geimpften und Genesenen werden wir zu großen Teilen aufheben." Für Nichtgeimpfte werde man wegen des höheren Ansteckungsrisikos den Zugang zu Veranstaltungen oder Einrichtungen "weiter an Bedingungen knüpfen". Maßnahmen wie die Maskenpflicht in Bussen und Bahnen werde man aber "sicher erst mal beibehalten".

Scholz wies aber Überlegungen des Gesundheitsressorts von Minister Jens Spahn (CDU) zurück, im Notfall Ungeimpfte generell nicht mehr zu Veranstaltungen zuzulassen - auch nicht mit negativem Schnelltest. "Wichtig ist mir, dass diejenigen, die sich nicht impfen lassen wollen, auch weiterhin über Tests die Möglichkeit haben, am öffentlichen Leben teilzunehmen", sagte er der "Süddeutschen Zeitung".

Die Frage ist: Mit welcher Art von Tests? Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) plädierte dafür, Ungeimpfte nur mit negativem PCR-Test Geimpften und Genesenen gleichzustellen. "Antigen-Schnelltests sind nicht zuverlässig genug", sagte der frühere Mediziner der "Frankfurter Allgemeinen Zeitung".

Soll es überhaupt noch Beschränkungen geben?

Der Vorsitzende des Gesundheitsausschusses des Bundestags, Erwin Rüddel (CDU), stellt das infrage. "Es muss die Botschaft kommen, dass es keine automatischen Lockdowns mehr geben wird - auch keine nur für Ungeimpfte", sagte er der "Bild"-Zeitung mit Blick auf die Bund/Länder-Beratung. "Es stellt sich die Frage, ob es unsere Gesellschaft nicht auch aushalten kann, diejenigen, die sich bewusst nicht impfen lassen und dann schwer erkranken, entsprechend zu versorgen, statt das gesamte Land und die Wirtschaft mit dem Damoklesschwert des Lockdowns zu ängstigen und zu schädigen."

Und wenn doch, was soll das Kriterium sein?

Daüber scheint in der Politik weitgehend Einigkeit zu bestehen: Die Sieben-Tage-Inzidenz - also die Neuinfektionen je 100.000 Einwohner und Woche - soll es allein nicht mehr sein. Hinzu kommen sollen Parameter wie die Impfquote und die Auslastung der Krankenhäuser.

Derzeit erscheint die Lage auf den ersten Blick noch entspannt: Die Inzidenz liegt bei gut 21. Allerdings steigt sie seit rund einem Monat wieder kontinuierlich. Und das früher und schneller als im vergangenen Sommer um dieselbe Zeit, als die dritte Welle folgte. Damals gab es zwar noch keine Impfungen - aber auch noch keine Delta-Variante, die sich anders als frühere Varianten nicht erst bei längerem Kontakt verbreitet, sondern schon bei Begegnungen "im Vorbeigehen", wie die Vizeverbandspräsidentin der Ärzte des Gesundheitsdienstes, Elke Bruns-Philipps, vor kurzem gesagt hatte.