AZ-Interview
Röttgen: "Im Syrien-Krieg hat der Westen versagt"
16. März 2019, 14:00 Uhr aktualisiert am 16. März 2019, 14:00 Uhr
Der CDU-Außenexperte Röttgen spricht in der AZ über europäische Fehler, deutsche Zuverlässigkeit und China als Partner.
Der Jurist Norbert Röttgen (53) war von 2009 bis 2012 Umweltminister. Er leitet den Auswärtigen Ausschuss des Bundestags. In der AZ spricht er über europäische Fehler und deutsche Zuverlässigkeit.
AZ: Herr Röttgen, die Welt befindet sich im Umbruch, teilweise auch im Chaos. Ein Beispiel ist Syrien, wo acht Jahre nach Beginn des Bürgerkrieges das Sterben weitergeht. Hat der Westen da versagt?
NORBERT RÖTTGEN: Ja. Der Westen hat versagt, auf unterschiedliche Weise. Um bei den Europäern anzufangen: Wir sind unserer Verantwortung in der Region nicht gerecht geworden, bei der es ja um unsere Nachbarschaft geht, weshalb die Flüchtlinge aus dem Syrien-Krieg auch zu uns kommen. Aber auch die Amerikaner haben seit drei Präsidentschaften eine traurige Bilanz aufzuweisen. Es wurden falsche Entscheidungen getroffen und daraus dann die falschen Schlüsse gezogen. Darum ist der Mittlere Osten das vielleicht traurigste außenpolitische Kapitel des Westens.
Röttgen: "Wir kritisieren Herrn Trump zu Recht"
Wie kann ein neues, erfolgreicheres Kapitel aufgeschlagen werden?
Ausgehend von den Erfahrungen der Flüchtlingskrise müsste speziell Deutschland begreifen, dass wir die Sicherheit und Stabilität europäischer Gesellschaften nicht von den Konflikten in dieser Region trennen können. Unsere Schicksale sind miteinander verbunden. In unserem Interesse müssen wir uns um die Probleme der Region kümmern, sonst kommen sie zu uns. Eine Strategie für Nahost setzt zwingend die enge Kooperation mit unseren europäischen Partnern und natürlich mit den USA voraus.
Die USA drängen auf einen höheren Beitrag Deutschlands zur Nato. Finanzminister Olaf Scholz ist dagegen. Bleibt Deutschland da international noch glaubwürdig?
Mit dieser Politik stellen wir nichts weniger als unsere außenpolitische Zuverlässigkeit infrage. Wir kritisieren Herrn Trump zu Recht auch wegen der Zweifel, die er an der Nato aufkommen lässt. Aber wenn Deutschland über 15 Jahre Versprechen macht, sie nicht erfüllt und dann noch bekundet, dass dies so bleiben soll, dann müssen wir uns nicht wundern, wenn andere uns fragen, wie viel uns die Nato wert ist.
Röttgen: "In vielen Bereichen ist China ein wichtiger Partner von Deutschland"
US-Präsident Trump hat es in Nordkorea zumindest versucht, er geht in Afghanistan einen anderen Weg als seine Vorgänger. Macht Trump trotzdem alles falsch?
Im Wesentlichen leider ja. Ich finde nicht alles an seiner China-Politik falsch. Ich würde mal sagen, 30 Prozent sind richtig. Von seinen Methoden bin ich weniger überzeugt. Problematisch ist Trumps Grundansatz, keine Allianzen zu bilden. Insofern stellt seine Amtszeit einen historischen Bruch in der amerikanischen Nachkriegs-Außenpolitik dar. Je länger er im Amt bleibt, desto tiefer wird dieser Bruch werden.
Kann da China ein neuer Partner für die EU und Deutschland sein?
China ist alles, aber sicherlich kein Ersatz für die USA. Darüber hinaus ist China ein wichtiger Partner Deutschlands in vielen Bereichen. China ist aber auch ein nicht immer fairer Wettbewerber.
Noch ein Wort zum Brexit: Halten Sie es denn für möglich, dass der Brexit ausbleibt?
Ich gebe die Hoffnung nicht auf. Denn der Brexit wäre ein großes Drama für beide Seiten. Für die Briten am meisten, denn sie werden erst einmal ziemlich allein in dieser Welt sein.
Lesen Sie hier: EU-Staaten noch uneins über Länge der Brexit-Verschiebung
Lesen Sie hier: Volkskongress endet - China verspricht weitere Öffnung