Frankreich

Rentenreform-Proteste: Macron sagt Charles-Besuch ab

Königspomp und wütende Demonstranten - das passte für Frankreichs Präsident Macron wohl nicht zusammen. Ob sich die Lage in Frankreich nun beruhigen wird, ist ungewiss.


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Demonstranten marschieren aus Protest gegen die Rentenreform durch die Straßen von Marseille.

Angesichts der eskalierenden Proteste gegen die Rentenreform in Frankreich ist der Staatsbesuch des britischen Königs Charles III. abgesagt worden. "Wir würden es nicht ernst meinen und es würde uns an gesundem Menschenverstand fehlen, wenn wir Seiner Majestät dem König und der Königsgemahlin vorschlagen würden, inmitten der Demonstrationen zu einem Staatsbesuch zu kommen", sagte Präsident Emmanuel Macron nach einem EU-Gipfel in Brüssel. Der Besuch solle bald nachgeholt werden, womöglich schon zu Beginn des Sommers.

Es solle möglich sein, Charles unter den Bedingungen zu empfangen, die der freundschaftlichen Beziehung entsprächen, hieß es aus dem Élysée-Palast. Das wäre nächste Woche wohl nicht der Fall gewesen - für kommenden Dienstag haben die Gewerkschaften zu neuen landesweiten Streiks und Protesten aufgerufen. Ursprünglich hatte Charles auf seinem ersten Auslandsbesuch als britischer König von Sonntag bis Mittwoch nach Frankreich kommen sollen. Vom 29. März an wird er in Deutschland erwartet.

Die französische Regierung wollte wohl nicht noch zusätzlichen Zorn schüren. Zuvor hatte es bereits scharfe Kritik etwa an dem eigentlich geplanten Staatsbankett im Schloss Versailles gegeben. Der "Monarch der Republik" empfange den König, während das Volk auf der Straße demonstriere, kritisierte die Grünenabgeordnete Sandrine Rousseau. Auch sonst wäre der Staatsbesuch schwierig geworden. Viele Teile des öffentlichen Lebens in Frankreich werden gerade bestreikt, darunter die Pariser Stadtreinigung. In den Straßen Paris türmen sich derzeit Müllberge.

"Was für ein Bild für unser Land, wenn es nicht einmal in der Lage ist, die Sicherheit eines Staatsoberhauptes zu gewährleisten", empörte sich Eric Ciotti von Les Republicains nach der Absage des Besuchs. Francois Ruffin von Frankreichs Linkspartei La France Insoumise (LFI) kritisierte, dass Macron mit einem König telefonieren könne, um einen Besuch zu verschieben, nicht aber mit den Gewerkschaften, um seine Rentenreform zu verschieben.

Die Lage in Frankreich hat sich in den vergangenen Tagen immer mehr zugespitzt. Laut Behörden demonstrierten am Donnerstag landesweit knapp 1,09 Millionen Menschen. Die Gewerkschaft CGT sprach von 3,5 Millionen Beteiligten. Bei den teils gewaltsamen Protesten wurden landesweit 457 Menschen festgenommen, wie Frankreichs Innenminister Gérald Darmanin am Freitagmorgen im Sender CNews sagte. Etwa 440 Polizisten und Gendarmen seien am Vortag und in der Nacht verletzt worden.

Die Proteste richten sich gegen die inzwischen verabschiedete schrittweise Anhebung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre und das Vorgehen der Mitte-Regierung unter Präsident Macron.

Die Streik- und Protesttage verliefen wochenlang überwiegend friedlich. Doch seit die Regierung die umstrittene Reform vergangene Woche ohne Abstimmung durch die Nationalversammlung gedrückt hat, kommt es zu immer mehr Gewalt - vor allem bei spontanen Protesten. Demonstranten warfen ihrerseits der Polizei Gewalt vor.

Die Rentenreform gilt als eines der zentralen Vorhaben von Präsident Macron. Mit ihr soll ein drohendes Loch in der Rentenkasse abgewendet werden. Die Gewerkschaften halten das Projekt für ungerecht und brutal. Der Text ist verabschiedet, liegt zur Prüfung aber beim Verfassungsrat. Noch steht nicht fest, wann die Instanz über die Reform entscheidet. Macron will, dass sie bis zum Jahresende in Kraft tritt. Der Streit um die Reform hat die Regierung erheblich geschwächt.

Derzeit liegt das Renteneintrittsalter in Frankreich bei 62 Jahren. Tatsächlich beginnt der Ruhestand im Schnitt später: Wer für eine volle Rente nicht lange genug eingezahlt hat, arbeitet länger. Mit 67 gibt es dann unabhängig von der Einzahldauer Rente ohne Abschlag - dies will die Regierung beibehalten, auch wenn die Zahl der nötigen Einzahljahre für eine volle Rente schneller steigen soll.