Ukrainischer Präsident
Selenskyj: Deutschland "wahrer Freund"
13. Mai 2023, 14:29 Uhr
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hat Deutschland für die Hilfe im Abwehrkampf gegen den russischen Angriff gedankt.
Bei seinem ersten Besuch in Berlin seit Beginn der Invasion bat er zugleich um Unterstützung bei der Lieferung moderner Kampfjets. Die Ukraine arbeite in europäischen Hauptstädten daran, "eine Kampfjet-Koalition zu schaffen", sagte Selenskyj am Sonntag bei einem Treffen mit Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) im Kanzleramt in Berlin. Er werde sich auch an die deutsche Seite wenden mit der Bitte, die Ukraine in dieser Koalition zu unterstützen. Russland habe ein Übergewicht im Luftraum. Dies wolle man ändern.
Scholz äußerte sich dazu zurückhaltend. Deutschland habe der Ukraine sehr viel geliefert. "Gerade was die Luftverteidigung betrifft, sind das sehr moderne Waffen mit dem Patriot-System, mit Iris-T, was wir zur Verfügung stellen, was auch sehr wirksam ist." Deutschland konzentriere sich auf die Unterstützung beim Verteidigungskampf. Nach den USA sei die Bundesrepublik zweitgrößter Unterstützer der Ukraine. "Wir werden das auch weiter bleiben." Erneut sicherte er zu: "Wir unterstützen Euch so lange, wie es nötig sein wird."
Selenskyj trat Befürchtungen entgegen, seine Streitkräfte könnten mit moderneren westlichen Waffen auch russisches Staatsgebiet angreifen. "Wir greifen das russische Territorium nicht an. Wir befreien unser gesetzmäßiges Gebiet", sagte er. "Wir haben dafür keine Zeit, keine Kräfte und keine überzähligen Waffen dafür." Man habe sich gemäß internationalem Recht bei der Vorbereitung der Gegenoffensivaktionen ausschließlich auf die Befreiung "unseres von der ganzen Welt anerkannten Territoriums" konzentriert.
"Wir wollen alle, dass dieser Krieg bald endet, aber er muss mit einem gerechten Frieden enden", betonte Selenskyj und ergänzte: "Bereits in diesem Jahr können wir die Niederlage des Aggressors unumkehrbar machen." Grundlage für einen möglichen Frieden müsse die ukrainische Formel sein. Kiew sei aber "daran interessiert, dass so viel wie möglich Staaten am ersten Gipfel dieser Friedensformel teilnehmen". Man arbeite derzeit an dessen Organisation.
Der Kanzler sicherte erneut zu: "Wir unterstützen Euch so lange, wie es nötig sein wird." Deutschland stehe auch zu den aus der Ukraine geflüchteten Menschen. "Diese Solidarität, sie ist anhaltend und sie ist stark." Scholz versicherte: "Im Angesicht des Schreckens, des himmelschreienden Unrechts rücken wir noch enger zusammen." Die Ukraine verlange zu Recht, dass eine Friedenslösung nicht bedeuten könne, "einfach den Krieg einzufrieren und dass ein Diktatfrieden von russischer Seite formuliert wird". Der Kanzler pochte auf den Rückzug der russischen Truppen für eine Friedenslösung.
Der ukrainische Präsident war am frühen Vormittag von Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier zu seinem ersten Besuch in Deutschland seit Beginn des russischen Angriffs im Februar 2022 begrüßt worden. Er war aus Rom angereist, wo er unter anderen Papst Franziskus getroffen hatte.
In Deutschland war Selenskyj zuletzt wenige Tage vor Kriegsbeginn bei der Münchner Sicherheitskonferenz. Die ersten zehn Monate nach der Invasion hatte er das Land gar nicht mehr verlassen. Das änderte er Ende 2022. Inzwischen war der ukrainische Präsident schon in Washington, Warschau, Paris, London, Brüssel, Helsinki und Den Haag.
Nach Kriegsbeginn hatte Selenskyj der Bundesregierung Zögerlichkeit bei den Waffenlieferungen in die Ukraine vorgeworfen. Spätestens seit der Zusage von Leopard-2-Kampfpanzern hat sich das aber gelegt. Deutschland gehört zu den wichtigsten Unterstützern der Ukraine - sowohl militärisch als auch finanziell. Seit Kriegsbeginn genehmigte die Bundesregierung Waffenlieferungen im Wert von 2,75 Milliarden Euro.
Vorbereitet wurde der Besuch in Deutschland mit der Zusage weiterer militärischer Unterstützung für die Ukraine im Wert von zusätzlichen 2,7 Milliarden Euro. Unter anderem sollen 20 weitere Marder-Schützenpanzer, 30 Leopard-1-Panzer und vier Flugabwehrsysteme Iris-T SLM von der deutschen Rüstungsindustrie bereitgestellt werden, wie das Verteidigungsministerium mitteilte.
Schon zu Beginn des Besuches hatte Selenskyj Deutschland für die breite Unterstützung gedankt. "In der schwierigsten Zeit in der modernen Geschichte der Ukraine hat sich Deutschland als unser wahrer Freund und verlässlicher Verbündeter erwiesen, der im Kampf für die Verteidigung von Freiheit und demokratischen Werten entschieden an der Seite des ukrainischen Volkes steht", schrieb er beim Empfang durch Steinmeier auf Englisch ins Gästebuch. Er ergänzte: "Gemeinsam werden wir gewinnen und den Frieden nach Europa zurückbringen."
Ausdrücklich bedankte sich Selenskyj bei Steinmeier persönlich für dessen Unterstützung. Er schrieb: "Vielen Dank, Herr Bundespräsident, für Ihre persönliche Unterstützung der Ukraine und Gastfreundschaft". Er dankte auch dem deutschen Volk für dessen "fantastische Solidarität". Auf Deutsch ergänzte er: "Danke Deutschland!" Das Verhältnis zwischen Steinmeier und Selenskyj war zunächst nicht einfach. Dem früheren SPD-Außenminister wurde in der Ukraine lange seine russlandfreundliche Politik angekreidet.
Am Nachmittag flogen Scholz und Selenskyj gemeinsam zur Verleihung des Karlspreises an den ukrainischen Präsidenten nach Aachen. Selenskyj und das ukrainische Volk werden für Verdienste um die Einheit Europas geehrt. Scholz wollte die Laudatio halten. Als weitere Redner sind EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und der polnische Ministerpräsident Mateusz Morawiecki dabei.
In der Begründung für die Preisverleihung wurde die Rolle Selenskyjs bei der Abwehr des russischen Angriffskriegs hervorgehoben: Er sei nicht nur der Präsident seines Volkes und der Oberbefehlshaber der ukrainischen Armee. Er sei "auch der Motivator, Kommunikator, der Motor und die Klammer zwischen der Ukraine und der großen Phalanx der Unterstützer".
Voriges Jahr hatten die belarussische Oppositionsführerin Swetlana Tichanowskaja und zwei Mitstreiterinnen den Karlspreis bekommen, 2021 der rumänische Präsident Klaus Iohannis. Auch Ex-Bundeskanzlerin Angela Merkel, Frankreichs Präsident Emmanuel Macron und Papst Franziskus sind Preisträger.
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