Israel

Neues Gesetz schützt Netanjahu vor Amtsenthebung

Tausende demonstrieren in Israel gegen eine geplante Schwächung der Justiz. Während Kritiker vor einer Staatskrise warnen, ruft Netanjahu zur Einheit auf.


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Das neue Gesetz gilt als zugeschnitten auf Amtsinhaber Benjamin Netanjahu.

Trotz anhaltender Proteste schreitet die israelische Regierung mit ihrem Plan voran, die Justiz weiter zu schwächen. Das Parlament in Jerusalem verabschiedete am Donnerstag ein Gesetz, das es künftig deutlich schwerer macht, einen Ministerpräsidenten für amtsunfähig zu erklären. Dies ist die erste Gesetzesänderung im Rahmen einer höchst umstrittenen Justizreform der neuen rechts-religiösen Regierung um Ministerpräsident Benjamin Netanjahu.

Seit mehr als zwei Monaten gibt es regelmäßig massive Proteste gegen die Pläne der Regierung. Dem Parlament soll es künftig auch möglich sein, mit einfacher Mehrheit Entscheidungen des Höchsten Gerichts aufzuheben. Zudem sollen Regierungspolitiker deutlich mehr Einfluss bei der Ernennung von Richtern erlangen. Die Koalition um Netanjahu wirft dem Höchsten Gericht eine übermäßige Einmischung in politische Entscheidungen vor. Kritiker sehen die Gewaltenteilung in Gefahr und warnen vor einer gefährlichen Staatskrise.

Die am Donnerstag verabschiedete Gesetzesänderung ist besonders umstritten, weil sie als persönlich auf Regierungschef Netanjahu und dessen Bedürfnisse zugeschnitten gilt. Gegen den 73-Jährigen läuft seit längerer Zeit ein Korruptionsprozess. Künftig wäre die Amtsenthebung eines Ministerpräsidenten nur wegen psychischer oder anderer Gesundheitsgründe möglich. Damit soll eine Einflussnahme des Höchsten Gerichts oder der Generalstaatsanwaltschaft verhindert werden.

In letzter Lesung stimmten 61 der 120 Abgeordneten dafür. 47 Abgeordnete waren dagegen, die anderen fehlten oder enthielten sich. Damit wäre, wenn das Gesetz nicht noch von der Justiz gestoppt wird, für die Amtsenthebung künftig eine Drei-Viertel-Mehrheit erforderlich.

Unterdessen gingen erneut landesweit Tausende Menschen auf die Straßen, um gegen die Pläne zu demonstrieren. Dabei kam es vereinzelt zu Konfrontationen mit der Polizei. Unter anderem in den Küstenstädten Tel Aviv und Haifa setzten die Einsatzkräfte Wasserwerfer ein, um gegen Demonstranten vorzugehen. Dutzende Menschen wurden Medienberichten zufolge landesweit festgenommen. Auch in Jerusalem und weiteren Städten kam es zu Kundgebungen.

Netanjahu rief am Abend in einer Ansprache an die Nation zu Versöhnung auf, machte jedoch gleichwohl deutlich, dass er das Gesetzesvorhaben weiter vorantreiben will. Am Montag werde demnach das Parlament in letzter Lesung über ein Kernelement der Reform abstimmen. Der Regierungschef wollte ursprünglich am Abend nach London aufbrechen. Er verschob sein Abflug jedoch auf den frühen Freitagmorgen. In London will er mit Großbritanniens Premier Rishi Sunak zusammenkommen.

Das Auswärtige Amt in Berlin kritisierte derweil die Entscheidung des israelischen Parlaments, Siedlern die Rückkehr in vier Siedlungen im Westjordanland zu erlauben. Sie stelle "einen gefährlichen Schritt hin zu möglichen erneuten Siedlungsaktivitäten dar", sagte eine Sprecherin. Dies drohe die ohnehin angespannte Sicherheitslage im Westjordanland weiter zu verschärfen.

Netanjahu versuchte am Mittwoch zu beschwichtigen. Er versicherte, die Regierung habe nicht die Absicht, dort neue Siedlungen zu bauen. Ob diese Zusage auch für die zuvor evakuierten Siedlungen gilt, blieb offen.

Die Sicherheitslage in Israel und den palästinensischen Gebieten hatte sich zuletzt erneut deutlich verschärft. Während des Ramadans wird eine weitere Eskalation der Gewalt befürchtet. Erfahrungen aus den vergangenen Jahren haben gezeigt, dass die Spannungen während dieser Zeit zunehmen.

Am Donnerstag - dem ersten Tag des muslimischen Fastenmonats - wurde bei einem israelischen Militäreinsatz erneut ein militanter Palästinenser erschossen. Nach israelischen Angaben soll der 25-Jährige an Angriffen gegen israelische Siedlungen und Sicherheitskräfte beteiligt gewesen sein.

Damit kamen in diesem Jahr 86 Palästinenser ums Leben - etwa bei Konfrontationen mit der israelischen Armee oder bei eigenen Anschlägen. Im gleichen Zeitraum wurden 14 Israelis und eine Ukrainerin bei Anschlägen von Palästinensern getötet.

Das Auswärtige Amt twitterte, man rate aktuell von Reisen in das Westjordanland einschließlich Ost-Jerusalem ab, "da dort derzeit mit verstärkten Auseinandersetzungen zu rechnen ist".

Israel eroberte während des Sechstagekrieges 1967 unter anderem das Westjordanland und Ost-Jerusalem. Knapp 600.000 Israelis leben dort heute in mehr als 200 Siedlungen. Der UN-Sicherheitsrat bezeichnete 2016 diese Siedlungen als Verletzung des internationalen Rechts. Die Palästinenser wollen im Westjordanland, dem Gazastreifen und Ost-Jerusalem einen eigenen Staat einrichten.