Lage im Überblick

Neue Massenproteste in Israel für Gaza-Abkommen


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Zehntausende fordern in Israel von ihrer Regierung, einem Abkommen im Gaza-Krieg zuzustimmen.

Von dpa

Angesichts vorsichtiger Hoffnung auf einen Durchbruch bei den Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg haben in Israel Zehntausende Menschen für den Abschluss eines Abkommens demonstriert. Die von der islamistischen Hamas im Gazastreifen auch nach mehr als zehn Monaten Krieg festgehaltenen Geiseln hätten keine Zeit mehr, "und deshalb muss es jetzt eine Einigung geben", zitierte die "Times of Israel" den Bruder eines Entführten.

Die Demonstranten forderten erneut auch den Rücktritt von Regierungschef Benjamin Netanjahu und Neuwahlen. Sie werfen dem Ministerpräsidenten vor, einen Deal zu sabotieren und sich den Forderungen seiner rechtsextremen Koalitionspartner zu beugen.

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US-Außenminister Blinken will in Israel über noch strittige Fragen für ein Gaza-Abkommen reden. (Archivbild)

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Israels Regierungschef Netanjahu fordert bisher eine dauerhafte Kontrolle der Gaza-Grenze zu Ägypten. (Archivbild)

Israelischen Medienberichten zufolge wollen die Unterhändler heute in der ägyptischen Hauptstadt Kairo Gespräche über noch strittige Fragen fortsetzen. Die USA, Katar und Ägypten vermitteln bei den indirekten Verhandlungen zwischen Israel und der Hamas. Parallel dazu spricht US-Außenminister Antony Blinken heute in Israel mit der politischen Führung des engen Verbündeten, um auf ein Abkommen zu drängen.

Israels bisherige Forderung nach einer dauerhaften Kontrolle der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten ist einem Medienbericht zufolge eines der letzten Hindernisse für eine Einigung. Ein von den USA vorgelegter Vorschlag zur Überbrückung der noch offenen Fragen habe diese Forderung zunächst ausgeklammert, berichtete der israelische Sender Channel 12. Die Hamas wirft Israel vor, die Verhandlungen mit der Weigerung zu blockieren, sich aus dem sogenannten Philadelphi-Korridor zurückzuziehen, der im Süden Gazas entlang der Grenze zu Ägypten verläuft. Die Hamas fordert einen kompletten Abzug Israels.

Israels Regierungschef Benjamin Netanjahu dagegen verlangt, dass die israelische Armee den Philadelphi-Korridor auch nach einer Waffenruhe weiter kontrolliert, etwa um den Schmuggel von Waffen zu verhindern. Ein weiterer Streitpunkt ist die Frage der Rückkehr von in den südlichen Gazastreifen geflohenen Bewohnern in den Norden des abgeriegelten Küstengebiets. Netanjahu fordert, dass ein Abkommen die Rückkehr bewaffneter Hamas-Kämpfer in den Norden verhindert. Auch dieser Punkt sei im Überbrückungsvorschlag nicht enthalten, so Channel 12. Wenn Israel in diesen Fragen keine Flexibilität zeige, gebe es keinen Grund zu Optimismus, zitierte der Sender mit den Verhandlungen vertraute Quellen.

Israels Generalstabschef Herzi Halevi hatte vor wenigen Tagen bei einem Besuch am Philadelphi-Korridor gesagt, die Armee könne dort auch ohne ständige Präsenz und mit nur punktuellen Vorstößen die Kontrolle behalten. Das israelische Verhandlungsteam hat sich unterdessen nach der jüngsten Gesprächsrunde in der katarischen Hauptstadt Doha über eine Waffenruhe vorsichtig optimistisch geäußert. Ein Deal auf Grundlage des aktualisierten US-Vorschlags enthalte "für Israel akzeptable Bestandteile", hieß es in einer Mitteilung des Büros von Netanjahu. Bis zum Ende nächster Woche soll in Kairo ein weiteres Spitzentreffen stattfinden. Bis dahin sollen die Unterhändler die noch offenen Fragen weiterverhandeln.

Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) und Amtskollegen aus Frankreich, Großbritannien und Italien zeigten sich in einer Mitteilung ermutigt angesichts der Aussicht auf ein weiteres Spitzentreffen und die Vorbereitungen darauf. "Wir halten alle Parteien dazu an, sich weiterhin positiv und flexibel an diesem Prozess zu beteiligen", schrieben sie. Sie betonten, wie wichtig es sei, Maßnahmen zu vermeiden, die zu einer Eskalation führen und die Aussicht auf Frieden untergraben würden. "Es steht zu viel auf dem Spiel", mahnten sie.

Der Krieg im Gazastreifen droht nach Aussagen von Ägyptens Präsidenten Abdel Fattah al-Sisi die gesamte Region in "einen unerbittlichen Kreislauf der Instabilität" zu stürzen. Deshalb sei es dringend notwendig, die aktuellen Verhandlungen zur Beendigung des Krieges zu nutzen, sagte er nach einem Treffen mit dem französischen Außenminister Stéphane Séjourné in Kairo laut einem Sprecher. Eine Einigung würde weiteres Blutvergießen verhindern und die Region vor den Folgen einer weiteren Eskalation bewahren, hieß es.

Der Iran und die Hisbollah-Miliz im Libanon hatten nach der Tötung des Hamas-Auslandschefs Ismail Hanija in der iranischen Hauptstadt Teheran sowie eines Hisbollah-Militärkommandeurs vor gut zwei Wochen Rache geschworen. Seither wurde mit einem Angriff gerechnet. Beide sind mit der Hamas verbündet und könnten im Fall einer Waffenruhe in Gaza von einer größeren, womöglich koordinierten Attacke gegen Israel absehen.

Ein Vertreter der Hamas, die nicht an den Gesprächen in Doha teilnahm, zeigte sich mit Blick auf den Ausgang der Gesprächsrunde zurückhaltend. US-Präsident Joe Biden hatte im Mai einen Vorschlag zur Beendigung des Krieges in drei Phasen vorgestellt. Er sieht zunächst eine uneingeschränkte Waffenruhe von sechs Wochen vor. In der Zeit würde eine bestimmte Gruppe Geiseln freigelassen. Im Gegenzug würden Palästinenser freikommen, die in Israel inhaftiert sind. Danach würden die Kämpfe dauerhaft eingestellt und die verbliebenen Geiseln freigelassen. In einer letzten Phase soll demnach der Wiederaufbau Gazas beginnen.

Die Hamas hat nach israelischer Zählung noch 115 Geiseln in ihrer Gewalt, von denen Israel 41 für tot erklärt hat. Überdies dürften weitere Geiseln, deren Schicksal unbekannt ist, nicht mehr leben. Bei den erneuten landesweiten Massenprotesten in Israel sagte der Vater einer Geisel laut der israelischen Zeitung "Haaretz": "Auch wenn dies kein perfekter Deal ist, ist es der einzige Deal, den es gibt".

Auslöser des Gaza-Kriegs war der Terrorangriff der Hamas und anderer Extremisten aus dem Gazastreifen auf den Süden Israels am 7. Oktober. Dabei wurden rund 1200 Menschen getötet und etwa 250 weitere in den Gazastreifen verschleppt. In dem abgeriegelten Küstengebiet sind aufgrund des Kriegs nach Angaben der von der Hamas kontrollierten Gesundheitsbehörde seither rund 40.000 Menschen getötet worden.


Dieser Artikel ist Teil eines automatisierten Angebots der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Er wird von der idowa-Redaktion nicht bearbeitet oder geprüft.