London

May bittet um Brexit-Aufschub bis zum 30. Juni


Premierministerin Theresa May (hier mit EU-Ratspräsident Donald Tusk) hat erneut um einen Brexit-Aufschub gebeten.

Premierministerin Theresa May (hier mit EU-Ratspräsident Donald Tusk) hat erneut um einen Brexit-Aufschub gebeten.

Von mit Material der dpa

Eine Woche vor dem vorgesehenen Brexit-Tag wird beiden Seiten klar: Es braucht wohl noch einmal mehr Zeit. Doch wie lange? Es gibt eine entscheidende Hürde.

Die Europäische Union und Großbritannien erwägen eine weitere Verschiebung des Brexits, um einen chaotischen Bruch in einer Woche zu vermeiden. Die britische Premierministerin Theresa May bat in einem Schreiben an EU-Ratschef Donald Tusk am Freitag um einen Aufschub bis zum 30. Juni. Tusk selbst plädiert hingegen nach Angaben eines EU-Beamten für eine flexible Verlängerung der Austrittsfrist um bis zu zwölf Monate. Die Entscheidung dürfte am Mittwoch bei einem EU-Sondergipfel fallen.

Eine hohe Hürde für die Verschiebung ist die Wahl zum Europäischen Parlament vom 23. bis 26. Mai. Wäre Großbritannien dann noch EU-Mitglied, müsste es Abgeordnete wählen lassen. Der jetzt vorgesehene Brexit-Termin 12. April ist der letzte Tag, an dem Großbritannien die Wahl im Land einberufen könnte.

Nach Tusks Vorschlag müsste Großbritannien an der Wahl teilnehmen. May warb für einen anderen Weg: Ihr Land würde eine Europawahl vorbereiten, aber versuchen, noch vor dem ersten Wahltag am 23. Mai mit einem ratifizierten Austrittsabkommen aus der EU auszuscheiden. In dem Fall würde Großbritannien die Europawahl absagen, schrieb May an Tusk.

Großbritannien - und die EU - stecken tief in der Brexit-Krise, weil das britische Unterhaus den von May mit Brüssel ausgehandelten Austrittsvertrag bislang nicht angenommen hat. Nach dreimaligem Scheitern im Parlament hat May erst diese Woche Verhandlungen mit Oppositionschef Jeremy Corbyn über einen überparteilichen Konsens aufgenommen. Herausgekommen ist aber noch nichts Greifbares.

Beim Brexit-Sondergipfel am Mittwoch müssten die übrigen 27 EU-Staaten eine Verlängerung einstimmig billigen. Gibt es bis zum 12. April keine Lösung und auch keine Verlängerung, würde Großbritannien an diesem Tag ungeregelt aus der EU ausscheiden - mit weitreichenden negativen Folgen für die Wirtschaft und die Bürger. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte am Donnerstag bei einem Besuch in Irland bekräftigt, sie werde bis zuletzt alles versuchen, dies zu vermeiden.

May schrieb an Tusk, es sei frustrierend, dass der Prozess noch nicht zu einem "erfolgreichen und geordneten Abschluss" gekommen sei. Sollten die Gespräche mit der Opposition nicht zu einer Lösung führen, will May eine weitere Runde von Abstimmungen im Parlament über "klare Optionen" abhalten. An das Ergebnis werde sich die Regierung halten, sofern die Opposition das auch tue.

Tusk wollte nach Angaben eines EU-Beamten seinen Vorschlag einer zwölfmonatigen Verlängerung noch am Freitag den 27 bleibenden EU-Staaten unterbreiten. Deren Botschafter wollten am frühen Nachmittag beraten. Ob alle Staaten eine Verschiebung mittragen - und wenn ja, wie lange - war zunächst offen. Mehrere Diplomaten sagten der dpa in Brüssel, es sei noch zu früh, das einzuschätzen. Auch die EU hat aber kein Interesse an einem No-Deal-Brexit in wenigen Tagen.

Die deutschen Steuerzahler müssten sich bei einem ungeregelten Brexit kurzfristig auf eine Finanzspritze von mehreren Hundert Millionen Euro an die Europäische Union einstellen. EU-Haushaltskommissar Günther Oettinger sagte der Deutschen Presse-Agentur, "weniger als eine halbe Milliarde Euro" müsste Deutschland dieses Jahr wohl zusätzlich übernehmen, falls Großbritannien ohne Vertrag aus der EU ausscheidet und keine EU-Beiträge mehr zahlt. Die Summe sei jedoch vergleichsweise klein, sagte Oettinger. "Das ist vertretbar."

2019 entstünde bei einem No-Deal-Brexit ein Finanzloch von netto vier bis fünf Milliarden Euro, sagte der CDU-Politiker. 2020 wären es zwölf Milliarden, die zur Hälfte durch Einsparungen und zur anderen Hälfte durch zusätzliche Beiträge gedeckt werden sollten. Auch dann müsste Deutschland also nachschießen.