Russische Invasion
Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage
15. Februar 2023, 5:07 Uhr aktualisiert am 15. Februar 2023, 21:14 Uhr
Trotz der schwierigen Lage im Osten der Ukraine hält das amerikanische Institut für Kriegsstudien (ISW) Kiews Entscheidung für richtig, die hart umkämpfte Stadt Bachmut weiter gegen die russischen Angreifer zu verteidigen. Dies habe den Kreml gezwungen, einen Großteil der Söldnertruppe Wagner zu "erschöpfen", schrieb die Denkfabrik in ihrem jüngsten Bericht. Zudem müsse Russland hochwertige Luftstreitkräfte einsetzen, um Fortschritte zu machen. Die Schwächung der Angreifer begünstige eine ukrainische Gegenoffensive.
Der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj hatte die Lage an der östlichen Front als "äußerst schwierig" bezeichnet. "Das sind buchstäblich Kämpfe um jeden Meter ukrainischen Landes."
In Bachmut hielten sich laut Behördenangaben zuletzt noch knapp 5000 Zivilisten auf. Seit mehreren Monaten versuchen russische Truppen, die Stadt, in der vor dem Krieg 70.000 Menschen lebten, zu erobern. Soldaten der russischen Privatarmee Wagner rückten vor allem nördlich und südlich vor.
Die Analysten schrieben außerdem, dass es möglich sei, dass das russische Verteidigungsministerium Häftlinge rekrutiere, um sie als "Kanonenfutter" einzusetzen. Eine Rekrutierung von Sträflingen sei ein Anzeichen, dass der Kreml sogenannte "menschliche Wellen" planen könnte. Der ukrainische Geheimdienst und der US-Sender CNN hatten zuvor darüber berichtet.
Anders als angekündigt wird die Ukraine nicht die von Deutschland in Aussicht gestellte Menge an Kampfpanzern erhalten. Nach Angaben von Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) sind bei einem Treffen der sogenannten Panzerkoalition keine neuen Zusagen für Panzer vom Typ Leopard 2A6 gemacht worden. Demnach wollen nur Deutschland und Portugal dieses Modell liefern. "Da werden wir die Bataillonsstärke nicht erreichen", sagte Pistorius.
Die Bundesregierung hatte am 25. Januar das Ziel ausgegeben, "rasch zwei Panzer-Bataillone mit Leopard-2-Panzern für die Ukraine zusammenzustellen". Diese sind in der Ukraine üblicherweise mit jeweils 31 Panzern ausgestattet. Von Polen koordiniert seien mittlerweile knapp 30 Leopard 2A4 zusammengekommen, sagte Pistorius. Es gebe allerdings sonst nur die 14 von Deutschland versprochenen Leopard 2A6 und drei dieser Panzer aus Portugal. Schweden prüfe noch mögliche Panzerlieferungen.
Vizekanzler Robert Habeck (Grüne) kritisierte den Zeitpunkt der Zusage für Panzerlieferungen als zu spät. "Ja, mit der Entscheidung, nun Leopard-1- und Leopard-2-Panzer zu liefern, tun wir, was wir derzeit tun können. Ein bisschen zu spät, aber immerhin ist es jetzt passiert", sagte er der Wochenzeitung "Die Zeit". "Die Zeit drängt", sagte Habeck. "Alle rechnen mit einer furchtbaren russischen Offensive, Russland hat in den letzten Wochen die Angriffe schon verstärkt."
Aus London gab es einen Dämpfer für die ukrainischen Hoffnungen auf schnelle Kampfjet-Lieferungen. "Ich denke nicht, dass wir in den kommenden Monaten oder gar Jahren unbedingt Kampfjets liefern werden, denn das sind ganz andere Waffensysteme als etwa Panzerabwehrraketen", sagte der britische Verteidigungsminister Ben Wallace in einem BBC-Interview.
Angesichts westlicher Panzerlieferungen drohte der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow Deutschland mit einer Rückkehr russischer Besatzungstruppen. "Wir müssen zurückkehren, das ist unser Territorium", sagte Kadyrow mit Bezug auf die sowjetische Besatzungszeit in einem Interview im russischen Staatsfernsehen. Bundeskanzler Olaf Scholz müsse für seine Äußerungen zu Russland "auf die Schnauze" bekommen, sagte der Anführer der russischen Teilrepublik Tschetschenien im Nordkaukasus, der mit eigenen Truppen in der Ukraine aktiv ist.
Über der ukrainischen Hauptstadt Kiew wurden unterdessen nach Angaben der Behörden gleich mehrere mutmaßliche Spionageballons entdeckt. Die ukrainische Luftwaffe habe "rund sechs feindliche Luftziele" registriert und teils abgeschossen, teilte die Kiewer Militärverwaltung auf Telegram mit. Ersten Erkenntnissen zufolge handele es sich um im Wind schwebende Ballons, die mit Reflektoren oder Geheimdienstausrüstung ausgestattet sein könnten, hieß es weiter.
Möglicherweise hätten die Russen die Ballons losgeschickt, um mit ihrer Hilfe ukrainische Flugabwehr-Stellungen ausfindig zu machen. Um genauere Informationen zu erhalten, werden die abgeschossenen Objekte den Behördenangaben zufolge nun gründlich untersucht.
Fast ein Jahr nach Kriegsbeginn sind nach Angaben des Kinderhilfswerks Unicef Hunderte Kinder in der Ukraine ums Leben gekommen. Zwischen Februar 2022 und Januar 2023 seien mindestens 438 Kinder durch Kriegshandlungen getötet und 842 verletzt worden, teilte die Organisation in Köln mit. Blindgänger und Landminen brächten Kinder in Gefahr.
Russland wies unterdessen Vorwürfe zu einer angeblichen Verschleppung ukrainischer Kinder als "absurde Äußerungen" zurück. Die russische Botschaft behauptete, dass das "Kiewer Regime" für den Tod und die Verletzungen von Kindern verantwortlich sei. Das US-Außenministerium hatte Moskau vorgeworfen, mit einem breit aufgestellten Netzwerk Tausende Kinder unrechtmäßig in Gebiete unter russischer Regierungskontrolle zu verbringen. Diese "Deportation" sei ein Kriegsverbrechen.
Die EU versucht Russland auch wirtschaftlich zu treffen: EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen schlug von Beschränkungen für Dutzende elektronische Bauteile vor, die in russischen Waffensystemen wie Drohnen, Flugkörpern und Hubschraubern verwendet werden, sagte sie in Straßburg. Auch Maschinenteile sowie Ersatzteile für Laster und Düsentriebwerke seien darunter. Russland setze aber auch Hunderte von Drohnen iranischer Bauart in der Ukraine ein. Deshalb schlage man vor, auch iranische Unternehmen ins Visier zu nehmen, auch solche mit Nähe zur Revolutionsgarde.