Russische Invasion

Krieg gegen die Ukraine: So ist die Lage


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Ein ukrainischer Soldat sammelt nicht explodierte Granaten ein.

Von dpa

Der Chef der russischen Söldner-Truppe Wagner, Jewgeni Prigoschin, hat sich lauthals über fehlende Munition beschwert - und kurz darauf für die kommende Woche den Abzug seiner Kämpfer von der Front im ostukrainischen Bachmut angekündigt.

Die Führung in Moskau, die 14 Monate nach Beginn des Angriffskriegs gegen die Ukraine in Bachmut auf die Wagner-Truppen angewiesen sein dürfte, äußerte sich zunächst nur zurückhaltend. Aus Russlands Außenministerium kamen unterdessen neue Drohungen mit Blick auf den Drohnen-Vorfall vor wenigen Tagen am Kreml, den dieser als angeblichen ukrainischen Anschlagsversuch auf Präsident Wladimir Putin darstellt.

"Ohne Munition werden meine Jungs keine unnötig hohen Verluste tragen. Darum ziehen wir uns ab dem 10. Mai 2023 aus der Ortschaft Bachmut zurück", sagte Prigoschin in einem auf seinem Telegram-Kanal veröffentlichten Video.

In Bachmut, um das die Russen seit Monaten in äußerst verlustreichen Gefechten kämpfen, sei von 45 Quadratkilometern bereits alles bis auf 2,5 Quadratkilometer erobert, behauptete Prigoschin. "Wenn ihr uns keine Granaten gebt, bringt ihr nicht uns um den Sieg, ihr bringt das russische Volk um den Sieg." Zugleich schrieb er: "Wenn Russland in Gefahr sein wird, werden wir erneut zur Verteidigung kommen."

Russland führt seit dem 24. Februar 2022 einen Angriffskrieg gegen das Nachbarland Ukraine. Insbesondere vor dem Hintergrund der Kämpfe um Bachmut traten zuletzt immer häufiger Machtkämpfe zwischen dem Wagner-Chef und Russlands regulärer Armee zutage.

Nur wenige Stunden zuvor hatte Prigoschin sich mit wüsten Beschimpfungen an Russlands Verteidigungsminister Sergej Schoigu und Generalstabschef Waleri Gerassimow gewandt und eine bessere Versorgung seiner Männer gefordert. "Schoigu, Gerassimow, wo, verdammte Scheiße, ist die Munition?", schrie er in einem ebenfalls auf Telegram veröffentlichten Video, das ihn vor Leichen angeblicher Wagner-Kämpfer zeigte.

Kremlsprecher Dmitri Peskow sagte in einer ersten Reaktion lediglich: "Wir haben das natürlich in den Medien gesehen. Aber ich kann das nicht kommentieren, weil es den Verlauf der militärischen Spezialoperation betrifft." Das russische Verteidigungsministerium wiederum ignorierte Prigoschins Drohung zunächst komplett - und meldete stattdessen vermeintliche Erfolge im Kampf um Bachmut.

Für Diskussionen sorgte das Thema hingegen bei Russlands nationalistischen Militärbloggern. Der frühere russische Geheimdienstoffizier Igor Girkin etwa merkte lakonisch an: "Wenn alle, denen die Munition nicht reicht (und das betrifft unsere gesamte Armee...), sich gleich dazu entscheiden, die Front zu verlassen, bleibt dann noch jemand auf seiner Position?"

Der Raum um die Stadt Bachmut, die vor dem Krieg gut 70.000 Einwohner zählt, ist seit Oktober schwer umkämpft. Unter hohen Verlusten haben die Wagner-Kämpfer die Ukrainer zuletzt immer weiter zurückgedrängt, Bachmut aber nicht vollständig erobern können. Ein Rückzug aus der inzwischen völlig zerstörten Stadt im ostukrainischen Gebiet Donezk wäre für Moskau zwar aus militärstrategischer Sicht keine allzu bedeutende Niederlage - symbolisch aber wohl umso mehr.

Wie viele Wagner-Söldner derzeit in Bachmut kämpfen, ist nicht bekannt. Russischen Militärbloggern zufolge sollen sie in der Stadt selbst aber fast alleine im Einsatz sein und nur an den Flanken von regulären Soldaten unterstützt werden. Laut ukrainischen Angaben sind auch russische Luftlandetruppen und eine Motorschützenbrigade bei Bachmut stationiert.

Das ukrainische Militär hat trotz einer Ankündigung von Wagner-Chef Jewgeni Prigoschin keine Anzeichen für einen baldigen Abzug der russischen Söldner aus Bachmut festgestellt. "Diese Erklärungen wurden vor dem Hintergrund gemacht, dass er ein weiteres Versprechen, Bachmut bis zum 9. Mai zu erobern, nicht erfüllen kann", sagte ein Vertreter der Militäraufklärung, Andrij Tschernjak, der Nachrichtenagentur RBK-Ukrajina. Prigoschin versuche damit nur, die Verantwortung auf andere abzuschieben.

Das ukrainische Militär sieht bei den Russen auch - anders als von Prigoschin dargestellt - keinen Munitionsmangel. "Allein heute wurde in Bachmut und Umgebung 520 Mal aus Artillerie unterschiedlichen Typs geschossen", erklärte Armeesprecher Serhij Tscherewatyj. Der eigentliche Hintergrund der Erklärungen Prigoschins seien die hohen Verluste der Söldnertruppen von 100 und mehr Toten pro Tag.

Der tschetschenische Machthaber Ramsan Kadyrow hat angeboten, seine eigene Truppe "Achmat" in die ostukrainische Stadt Bachmut zu schicken, sollten sich der russische Söldnerführer Jewgeni Prigoschin und seine Leute aus dem Ort zurückziehen. "Ja, wenn der ältere Bruder Prigoschin und 'Wagner' gehen sollten, dann verliert der Generalstab eine erfahrene Einheit und an ihre Stelle könnten dann der kleine Bruder Kadyrow und 'Achmat' treten", schrieb Kadyrow auf Telegram. Seine Kämpfer seien bereit, voranzugehen und die Stadt zu erobern. "Das ist nur eine Frage von Stunden."

Der Generalinspekteur der Bundeswehr, Carsten Breuer, besprach bei einem Besuch in der Ukraine die weitere militärische Zusammenarbeit. "Ich möchte versichern, dass Deutschland die Ukraine solange unterstützen wird, wie es notwendig ist", sagte der General gemäß einer Mitteilung des ukrainischen Verteidigungsministeriums. Deutschland und die Ukraine könnten voneinander lernen. "Ich glaube, dass die enge Kooperation zwischen unseren Ländern einer Stärkung der Sicherheit in Europa dient", wurde er weiter zitiert.

Die EU wirft Russland eine weitere Eskalation des Krieges gegen die Ukraine vor. In dieser Woche habe es einen zunehmend wahllosen und blutigen Beschuss von zivilen Gebieten gegeben, sagte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell in Brüssel und nannte die Raketen- und Drohnenangriffe auf Odessa und Kiew als Beispiele. Darüber hinaus verwies er auf jüngste Angriffe in der südlichen Region Cherson mit mehr als 20 Toten.

Russlands Außenminister Sergej Lawrow kündigte unterdessen mit Blick auf einen Drohnen-Vorfall am Kreml vor wenigen Tagen "konkrete Aktionen" an. "Es ist absolut klar, dass die Terroristen in Kiew dies ohne das Wissen ihrer "Schirmherren" nicht hätten tun können", sagte Lawrow am Rande eines Gipfels der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SCO) im südindischen Goa.

Am Mittwoch hatte der Kreml über einen versuchten Anschlag mit zwei Drohnen berichtet, der angeblich Putin gegolten habe. Verantwortlich für die Ausführung machte Moskau die Ukraine - und für die Planung die USA. Sowohl Kiew als auch Washington wiesen diese durch nichts belegten Anschuldigungen vehement zurück.

Mehrere internationale Militärexperten halten es für wahrscheinlich, dass der Vorfall vom Kreml selbst inszeniert worden sein könnte, um weitere Kriegshandlungen zu rechtfertigen.


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