Nahostkonflikt

Israel greift den Iran an - Hoffnung auf Geiselgespräche


sized

Israels Luftwaffe setzt ihre Angriffe gegen die Hisbollah-Miliz fort.

Von dpa

Nach Israels Vergeltungsschlag gegen den Iran sollen heute in Katar die Verhandlungen über eine Waffenruhe im Gaza-Krieg wieder aufgenommen werden. Der Iran dürfe nicht "den Fehler machen", auf die israelischen Angriffe zu reagieren, sagte US-Verteidigungsminister Lloyd Austin nach Angaben des Pentagons in einem Telefonat mit seinem israelischen Kollegen Joav Galant. Jetzt böten sich Möglichkeiten, "die Spannungen in der Region auf diplomatischem Wege" abzubauen. Dazu gehöre ein Deal im Gaza-Krieg und eine Übereinkunft mit der Hisbollah im Libanon, die es Zivilisten auf beiden Seiten der Grenze zu Israel ermögliche, sicher in ihre Häuser zurückzukehren.

Vertreter Israels wollen heute in der katarischen Hauptstadt Doha mit denen der Vermittlerstaaten Katar, Ägypten und USA zusammenkommen, um den seit Monaten stagnierenden Gesprächen über eine Waffenruhe im Gazastreifen einen neuen Impuls zu geben. Am Vorabend demonstrierten in Israel erneut Hunderte Menschen für ein Abkommen zur Freilassung der Geiseln, die sich im Gazastreifen immer noch in der Gewalt der Hamas befinden. Israel Armee geht dort weiter gegen die islamistische Terrororganisation vor.

sized

Israels Kampfflugzeuge sollen angeblich nicht in iranischen Luftraum eingedrungen sein. (Archivbild)

sized

Nach der Tötung von Hamas-Chef Sinwar könnten die Verhandlungen über eine Waffenruhe neuen Schwung bekommen. (Archivbild)

Bei einem Angriff im Norden Gazas sollen örtlichen Berichten zufolge mindestens 30 Palästinenser getötet worden sein. Demnach wurden fünf Häuser in einem Wohnviertel der grenznahen Stadt Beit Lahia angegriffen. Eine unbekannte Zahl von Menschen werde unter den Trümmern vermutet. Rettungsdienste könnten sie wegen der andauernden Kämpfe nicht erreichen. Bewohner der umliegenden Häuser würden die Verwundeten in Eselskarren wegbringen oder zu Fuß wegtragen. Israels Militär äußerte sich zunächst nicht dazu, unabhängig überprüfen lassen sich die Angaben beider Seiten in der Regel nicht.

Die israelische Luftwaffe griff nach eigenen Angaben zudem in der nördlichen Stadt Gaza erneut eine Kommandozentrale der Hamas an. Sie habe sich in einem früher als Schule genutzten Gebäude befunden, hieß es in der Nacht. Vor dem "präzisen Angriff" seien zahlreiche Maßnahmen ergriffen worden, um die Gefahr für Zivilisten zu mindern, hieß es. Auch diese Angaben ließen sich nicht unabhängig überprüfen.

In der Gegend von Dschabalia im Norden Gazas seien im Verlaufe des vergangenen Tages zudem mehr als 40 Terroristen "eliminiert" worden, teilte die Armee am Morgen mit. Israels Streitkräfte führen seit drei Wochen offensive Einsätze im nördlichen Abschnitt des Gazastreifens durch. Palästinensischen Angaben zufolge wurden dabei auch Hunderte Zivilisten getötet.

In der Nacht setzte Israels Luftwaffe außerdem die Angriffe gegen die mit der Hamas verbündete Hisbollah-Miliz im Libanon fort. Man habe "präzise" Angriffe auf Waffenproduktions- und -wartungsanlagen sowie ein Waffenlager der Hisbollah in den als Dahija bekannten Vororten im Süden Beiruts durchgeführt, teilte die Armee am Morgen mit.

Im Laufe des vergangenen Tages seien rund 70 Hisbollah-Terroristen "eliminiert" und mehr als 120 Stellungen der Miliz attackiert worden. Im Süden Libanons sei zudem Infrastruktur der Lufteinheit der Hisbollah angegriffen worden, teilte die Armee weiter mit. Die Miliz gehört wie die Hamas zu der vom Iran angeführten "Achse des Widerstands" gegen Israel.

Trotz Israels harter Militärschläge gegen die Hisbollah beschießt die Miliz den jüdischen Staat weiter. Im Verlauf des Samstags seien etwa 190 Geschosse auf Israel abgefeuert worden, teilte die israelische Armee am späten Abend mit. Kurz danach heulten im Norden Israels erneut die Warnsirenen. Zwei vom Libanon aus nach Israel eingedrungene Drohnen seien über offenem Gelände abgefangen worden, teilte die Armee in der Nacht mit.

Israel hatte in der Nacht zum Samstag den seit Wochen erwarteten Vergeltungsschlag gegen den Iran ausgeführt. Es war die Antwort auf eine iranische Attacke am 1. Oktober, bei der Israel mit rund 200 ballistischen Raketen beschossen worden war. Bei dem israelischen Gegenschlag wurden nach Angaben des iranischen Militärs vier Soldaten getötet. Sie seien bei der "Verteidigung des iranischen Luftraums" gefallen, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur Irna unter Berufung auf eine Mitteilung der Armee.

US-Präsident Joe Biden pochte danach auf eine Deeskalation der Gewaltspirale aus ständigen Angriffen und Gegenangriffen. "Ich hoffe, das ist das Ende", sagte er im Bundesstaat Pennsylvania vor Reportern. Er habe mit Vertretern der Geheimdienste gesprochen und erfahren, dass Israels Attacken offenbar auf militärische Ziele beschränkt geblieben seien. Biden bestätigte zudem Medienberichte, wonach er vorab über die Angriffe Israels informiert gewesen sei. Die USA sind trotz erheblicher Meinungsverschiedenheiten zwischen beiden Regierungen weiterhin der wichtigste Verbündete Israels.

Nach Darstellung des iranischen Militärs drangen die israelischen Kampfjets bei dem Angriff nicht in den Luftraum der Islamischen Republik ein. Israels Luftwaffe habe vielmehr vom irakischen Grenzgebiet aus luftgestützte Langstreckenraketen auf Ziele im Iran abgefeuert. Dabei seien etwa Radarstationen getroffen worden, hieß es in einer Mitteilung des Generalstabs, die von Staatsmedien verbreitet wurde. Die Schäden seien "begrenzt und geringfügig" gewesen. Auch diese Angaben ließen sich zunächst nicht unabhängig überprüfen.

Die Islamische Republik Iran behalte sich das Recht auf eine angemessene Reaktion zu einem geeigneten Zeitpunkt vor, erklärte der Generalstab der Streitkräfte weiter. In der Mitteilung betonte Irans Militär zudem die Notwendigkeit eines dauerhaften Waffenstillstands in Gaza und im Libanon, "um das Töten schutzloser und unterdrückter Menschen zu verhindern".

Seit der Tötung von Hamas-Chef Jihia al-Sinwar Mitte Oktober im Gazastreifen haben die Unterhändler in der Region wieder etwas mehr Hoffnung, die Verhandlungen über eine Waffenruhe neu in Gang zu bringen. Der Chef des israelischen Auslandsgeheimdienstes Mossad, David Barnea, reist dazu heute nach Doha. Israel fordert die Freilassung der noch etwa 100 in Gaza festgehaltenen Geiseln, von denen viele nicht mehr am Leben sein dürften.

Ein Beamter von Barneas Verhandlungsteam soll israelischen Medienberichten zufolge den Angehörigen der Entführten gesagt haben, ein Geiselabkommen setze ein - derzeit nicht absehbares - Ende des Kriegs gegen die Hamas im Gazastreifen voraus. Israels Ministerpräsident Benjamin Netanjahu habe der eigenen Verhandlungsdelegation bislang kein ausreichendes Mandat erteilt, um die heutigen Gespräche in Doha zu einem substanziellen Ergebnis zu führen.

Bei einer Kundgebung in Tel Aviv griffen Redner Netanjahu scharf an und warfen ihm vor, die indirekten Verhandlungen zu verschleppen. "Wem willst du jetzt die Schuld geben, nachdem Sinwar tot ist? Den Geiseln?", zitierte die "Times of Israel" die Kritik des Bruders einer Hamas-Geisel.

Der Tod Sinwars "erzeugt vielleicht eine Gelegenheit, um tatsächlich voranzukommen und eine Einigung zu beschließen", hatte US-Außenminister Antony Blinken bei seinem jüngsten Besuch im Nahen Osten gesagt. Bei den Gesprächen hat es seit Monaten keine Fortschritte gegeben. In Israel gab es Hoffnung, nach der Tötung von Sinwar könnte sich dies ändern. Die Hamas beharrt aber auf ihren bisherigen Positionen, darunter die Forderung nach einem vollständigen Abzug israelischer Truppen aus dem Gazastreifen und einer Beendigung des Kriegs.

Auslöser des Kriegs war das von Hamas-Terroristen und anderen Extremisten aus Gaza am 7. Oktober vergangenen Jahres in Israel verübte Massaker, bei dem 1.200 Menschen getötet und weitere 250 als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden. Seit Beginn des Kriegs wird Israel auch von anderen Verbündeten des Irans wie der Hisbollah, Milizen im Irak und den Huthi-Rebellen im Jemen angegriffen.


Dieser Artikel ist Teil eines automatisierten Angebots der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Er wird von der idowa-Redaktion nicht bearbeitet oder geprüft.