Politik

Bläh-Faktor CSU

Mehr Abgeordnete als vorgesehen: Das ist nicht nur in Bayern so. Aber auch für den übervollen Bundestag sind Wahlergebnisse aus dem Freistaat maßgeblich verantwortlich. Was bringt eine Reform?


Der Bayerische Landtag, voller als von der Verfassung gedacht. Wie löst man das Problem zu vieler Abgeordneter?

Der Bayerische Landtag, voller als von der Verfassung gedacht. Wie löst man das Problem zu vieler Abgeordneter?

Von Ralf Müller

Die Parlamente von Bund und Ländern in Deutschland haben ein Problem: Sie blähen sich auf. Der Bundestag hat 138 Parlamentarier mehr als vorgesehen, der bayerische Landtag zählt 25 Abgeordnete mehr als in der Landesverfassung festgelegt.

Hauptverantwortlich für das Ausufern der Parlamentsgrößen ist in Berlin und München ausgerechnet die bayerische CSU. Nach den für die Verteilung der Bundestagssitze maßgeblichen Zweitstimmen müsste die nur in Bayern kandidierende Partei im Nationalparlament eigentlich nur mit 34 Sitzen vertreten sein, entsendet aber tatsächlich 45 Parlamentarier nach Berlin.

Grund: Die CSU hat bei der vergangenen Bundestagswahl elf Direktmandate mehr errungen, als ihr nach dem Zweitstimmenergebnis zustehen.

In einem Norm-Bundestag mit 598 Abgeordneten würden 45 Sitze einem bundesweiten CSU-Stimmenanteil von 7,39 Prozent entsprechen, rechnet der Demokratie-, Parlamentarismus- und Wahlforscher Jörg Siegmund von der Akademie für Politische Bildung in Tutzing vor.

Doch tatsächlich errang die CSU bei der Bundestagswahl bundesweit gesehen nur 5,66 Prozent der Zweitstimmen. Um das Ungleichgewicht auszugleichen, erhielten die anderen Parteien einfach so viele Ausgleichsmandate, dass der Proporz wieder stimmte. Das Ergebnis ist ein Rekord-Bundestag mit 736 Abgeordneten. Seit fast einem Jahr wird daher in Berlin um eine Wahlrechtsreform gerungen.

Die Ampel-Koalition legte ein Modell vor, das Überhangmandate schlichtweg streicht. Die CSU müsste auf elf Mandate aus Wahlkreisen, in denen ihre Kandidaten vorne liegen, aber die geringsten Stimmenzahlen aller Direktkandidaten erreichen, verzichten, was ihr verständlicherweise nicht passt.

CSU-Generalsekretär Martin Huber griff gleich ganz hoch ins verbale Regal: "Direkt gewählten Abgeordneten den Einzug ins Parlament zu verweigern, kennen wir sonst nur aus Schurkenstaaten."

Der Tutzinger Demokratieforscher Siegmund kann dem Ampel-Vorschlag einiges abgewinnen. Er hätte den Vorteil, den Bundestag wieder auf Nenngröße zu bringen, ohne am Zuschnitt der 299 Bundestagswahlkreise herumdoktern zu müssen.

Einen Nachteil sieht Siegmund aber für bayerische Großstädte. Bei den jüngsten Wahlen sei der Abstand zwischen direkt gewählten CSU-Bewerbern und Zweitplatzierten in der Regel am geringsten gewesen. Würde man die direkt gewählten Abgeordneten mit den schlechtesten Ergebnissen nicht mehr ins Parlament lassen, entstünden vor allem in München, Nürnberg und Augsburg "verwaiste" Stimmkreise ohne Direktabgeordneten.

Das Problem des aufgeblähten Parlaments stellt sich auch auf bayerischer Landesebene, allerdings mit anderem wahlrechtlichen Hintergrund. Denn im Freistaat entscheidet die Summe von Erst- und Zweitstimmen über die Zusammensetzung des Landtags und nicht wie im Bund nur die Zweitstimme. Gleichwohl war es auch im Freistaat die große Zahl an direkt gewählten CSU-Landtagsabgeordneten, die beim jüngsten Wahlgang Unwucht in die Kräfteverhältnisse brachte.

Um die Parlamentsgröße auf das vorgesehene Maß von 180 Abgeordneten zurückzuführen, gibt es nach Ansicht der FDP nur einen Weg: die Reduzierung der Zahl der Stimmkreise um 20. Mit dem Vorhaben stieß die FDP bei anderen im Landesparlament vertretenen Parteien auf eine Mauer des Schweigens bis zur Ablehnung.

2022 startete sie mit dem Bund der Steuerzahler und dem Bund der Selbständigen das Volksbegehren "XXL-Landtag verhindern". FDP-Chef Martin Hagen: "Wir hören von sehr positiver Resonanz." Im Sommer sollen die Unterschriftslisten eingereicht werden.