Trotz massiver Kritik
Polnisches Parlament entmachtet Verfassungsgericht
24. Dezember 2015, 13:28 Uhr aktualisiert am 24. Dezember 2015, 13:28 Uhr
Trotz massiver Kritik peitscht die polnische Regierungspartei PiS den Umbau der Justiz durch beide Kammern des Parlaments. Auch das Verfassungsgericht soll künftig nicht mehr im Wege stehen können.
Die polnische Regierungspartei Recht und Gerechtigkeit (PiS) hat ihre Macht um einen wichtigen Schritt ausgebaut. Der Senat als zweite Parlamentskammer stimmte in der Nacht auf Donnerstag für eine umstrittene Gesetzesnovelle, die die Einspruchsmöglichkeiten des Verfassungsgerichts drastisch einschränkt. Trotz Protesten und Warnungen von Opposition, Richtern, ausländischen Politikern und zehntausenden Demonstranten stimmten 58 Senatoren für und nur 28 gegen die von der Regierung vorgelegte Novelle, bei einer Enthaltung. Das Unterhaus hatte schon am Dienstag zugestimmt.
Noch am Mittwoch hatte die Europäische Kommission die neue nationalkonservative Regierung Polens davor gewarnt, die Unabhängigkeit des Verfassungsgerichts einzuschränken. EU-Vize-Kommissionspräsident Frans Timmermans forderte eine Überprüfung der Gesetzesänderung. Über sein Schreiben an Außenminister Witold Waszczykowski und Justizminister Zbigniew Ziobro berichteten am Mittwoch "Süddeutsche Zeitung" und "tagesschau.de".
Wenn erwartungsgemäß Präsident Andrzej Duda noch am Donnerstag die Gesetzesnovelle unterzeichnet, wird sie mit sofortiger Wirkung gültig und schaltet das Verfassungsgericht weitgehend als Korrektiv gegenüber der PiS-Parlamentsmehrheit aus. Unter anderem ist darin nämlich festgelegt, dass künftig eine Zweidrittelmehrheit statt der bisher ausreichenden einfachen Mehrheit der Verfassungsrichter notwendig ist, um von der Parlamentsmehrheit beschlossene Gesetze wegen Verfassungsbedenken abzulehnen.
Da die PiS gleich nach Erlangen ihrer Parlamentsmehrheit bereits einen Teil der Verfassungsrichter in einem umstrittenen Handstreich durch eigene Kandidaten ersetzte, kann sie sich also auf eine ausreichende Sperrminorität verlassen, die einen Einspruch gegen ihre Gesetze verhindert. Zu den aktuellen Streitpunkten, die die polnische Gesellschaft spalten, gehört aber auch, ob dieser Personalwechsel im Höchstgericht überhaupt legal war. Das Verfassungsgericht in seiner bisherigen Zusammensetzung erklärte die Entscheidung für rechtswidrig, dennoch unterzeichnete Präsident Duda die Ernennungen.
Unter den führenden Juristen des Landes rief der Plan der Regierungspartei blankes Entsetzen hervor. Noch während der Senatsdebatte verlangte die Richtervereinigung "Iustitia" von den Abgeordneten, "die Gesetzesnovelle als Ganzes" abzulehnen. Ebenfalls noch vor der Abstimmung appellierte das Präsidium des nationalen Richter-Rates an Präsident Duda, die Gesetzesnovelle nicht zu unterschreiben.
Auch die frühere liberale Regierungspartei Bürgerplattform (PO) wartete gar nicht erst das Abstimmungsergebnis ab, sondern reichte noch am Mittwoch beim Verfassungsgericht eine Klage gegen die Gesetzesnovelle ein, die nach Oppositionsauffassung gerade dieses zu paralysieren drohe. Kritik am Vorgehen der polnischen Regierenden kommt aber längst nicht mehr nur aus dem Inland, sondern auch von der EU-Kommission und einer ganzen Reihe internationaler Politiker. Die für Demokratien selbstverständliche Gewaltenteilung sei nicht mehr gewährleistet, lautet der Tenor der Kritiker, die einen "schleichenden Staatsstreich" befürchten.