Sicherungsverfahren

Mit Auto in Kindergruppe gefahren: Mann kommt in Psychiatrie

Weil er mit einem Auto in eine Kindergruppe gefahren ist und dabei ein Mädchen getötet und zwei weitere schwer verletzt hat, wird ein 31-Jähriger dauerhaft in eine psychiatrische Klinik eingewiesen.


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Der Unfallort in Witzenhausen-Gertenbach ist im Herbst 2021 mit Blumen, Teddies und Kerzen geschmückt.

Schuldfähig oder nicht - diese Frage stand im Zentrum des Prozesses um die tödliche Fahrt eines Autofahrers in eine Kindergruppe im hessischen Witzenhausen. Das Landgericht Kassel befand, der Beschuldigte sei zum Tatzeitpunkt schuldunfähig gewesen. Es ordnete in dem Sicherungsverfahren an, den 31-Jährigen in einem psychiatrischen Krankenhaus unterzubringen. Die Unterbringung ist zeitlich unbefristet, muss aber jedes Jahr überprüft werden.

"Der Beschuldigte leidet an einer paranoiden Schizophrenie" sagte der Vorsitzende Richter Jürgen Dreyer. "Für uns steht diese Diagnose fest." Es spreche vieles dafür, dass der 31-Jährige seit November 2020 entsprechende Medikamente nicht mehr regelmäßig eingenommen habe. Er sei in der Folge immer wieder durch aggressives Verhalten auffällig geworden. Schon Wochen vor der Tat habe er wahnhaftes Verhalten gezeigt, das sich am Tattag zugespitzt habe. Die Tat habe er im Zustand der Schuldunfähigkeit begangen.

Das Gericht sieht es als erwiesen an, dass der Beschuldigte am 29. Oktober 2021 mit einem Kleinwagen vor einem Kindergarten in eine Gruppe von drei Mädchen fuhr. Eine Achtjährige starb, eine Sieben- und eine Achtjährige wurden schwer verletzt. Die Kammer wertete die Tat in einem Fall als Totschlag und in jeweils zwei Fällen als versuchten Totschlag sowie gefährliche Körperverletzung.

Die Staatsanwaltschaft Kassel hatte dem Mann, der sich seit der Tat in einer psychiatrischen Einrichtung befindet, unter anderem Mord aus Heimtücke, versuchten Mord sowie gefährliche Körperverletzung vorgeworfen. Sie ging davon aus, dass er wegen einer psychischen Erkrankung schuldunfähig ist und beantragte, ihn in einer Psychiatrie unterzubringen, weil von ihm eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgehe. Deshalb gab es statt eines regulären Strafverfahrens ein sogenanntes Sicherungsverfahren, bei dem das Gericht entscheidet, ob der Täter in ein psychiatrisches Krankenhaus kommt.

Die Verteidigung plädierte gegen eine entsprechende Unterbringung. Ihr Mandant habe nicht mit Vorsatz gehandelt und sich zum Tatzeitpunkt nicht in einem psychotischen Zustand befunden, argumentierte Rechtsanwältin Anne Köster. Es sei ein tragischer Unfall gewesen, der auf Müdigkeit und Stress zurückzuführen sei. Es sei kein plausibles Motiv zu erkennen. Die Prognose für ihren Mandanten sei günstig, von ihm gehe keine Gefahr für die Allgemeinheit aus.

Der Beschuldigte selbst äußert sich am letzten Prozesstag erstmals vor Gericht. "Ich wollte zu keinem Zeitpunkt, dass Kinder zu Schaden kommen", sagte er. "Mir ist schwarz vor Augen geworden und ich habe die Kontrolle über den Pkw verloren." Er bedauere zutiefst, was passiert sei und mache sich bis heute schwere Vorwürfe.

Zuvor hatte die Nebenklagevertretung erfolglos beantragt, das Sicherungsverfahren in ein reguläres Strafverfahren überzuleiten oder andernfalls ein weiteres fachpsychologisches Gutachten einzuholen. Aus ihrer Sicht war der Beschuldigte zum Tatzeitpunkt voll schuldfähig. Für eine von einer psychiatrischen Sachverständigen angenommenen paranoiden Schizophrenie lägen keine Anhaltspunkte vor, sagte Rechtsanwalt Steffen Hörning.

In einem emotionalen Vortrag beschrieb er das Leid der Betroffenen und ihrer Familien, besonders der Eltern des getöteten Mädchens, die ihre Tochter nur einen Tag nach deren achten Geburtstag verloren hatten. Der Beschuldigte habe die Tat zielgerichtet und kontrolliert begangen. "Sie sind für uns ein Mörder", sagte Hörning an den 31-Jährigen gewandt.

Gegen die Entscheidung des Landgerichtes könnte der Beschuldigte noch das Rechtsmittel der Revision eingelegen.