Welt-Aids-Tag
Hat HIV seinen Schrecken verloren?
1. Dezember 2018, 9:00 Uhr aktualisiert am 1. Dezember 2018, 16:43 Uhr
1985 folgte in der Regel jeder HIV-Diagnose der Ausbruch der Krankheit AIDS. Am Ende dieser Krankheit stand der Tod. Seitdem hat sich das Antlitz der Infektionskrankheit gewandelt. Wir haben einen Mediziner und einen Aidsberater gebeten, uns von dem Stand der Forschung und der Therapie sowie den sozialen Auswirkungen einer HIV-Infektion zu berichten.
Wir haben über die medizinische Situation von HIV-Infizierten mit Professor Dr. Bernd Salzberger, dem Leiter der Abteilung für Infektiologie am Universitätsklinikum Regensburg, gesprochen. "HIV ist mittlerweile mit einer Kombination von Medikamenten gut therapierbar. In der Regel wird mit drei antiviralen Mitteln - in seltenen Fällen nur mit zwei - behandelt. Diese Medikamente blockieren das Virus," erklärt der Mediziner.
In der Regel würden die Patienten keine Nebenwirkungen verspüren. Es gebe aber Nebenwirkungen, die, falls sie auftreten, medizinisch überwacht werden müssen, so Professor Dr. Salzberger. "Die Lebenserwartung eines Betroffenen ist, wenn früh genug mit der Behandlung begonnen wird, ganz normal."
Was bedeutet eine HIV-Infektion für Betroffene?
Diplom-Psychologen Hans Peter Dorsch, der Leiter der Aids-Beratungsstelle der Oberpfalz, erläutert die psychischen und sozialen Auswirkungen der Krankheit. "Vor Jahrzehnten musste ein Arzt bei der Diagnosestellung resigniert zugeben, dass er für die Krankheit keine Behandlungsmethode habe. Heute ist das anders. Wir haben keine Angst mehr, wenn eine HIV-Infektion diagnostiziert wird, sondern vor unentdeckten Infektionen. Denn eine positive Diagnose heißt, dass man verhindern kann, dass der Betroffene an Aids erkrankt," so Dorsch.
Früher war eine Infektion ein Horrorszenario, das mit einem frühen Tod einherging. Wenn die Krankheit Aids ausbrach, hatte der Infizierte noch etwa sechs Monate zu leben, erklärt Dorsch. "Heute können wir den Menschen sagen, dass sie eine normale Lebenserwartung haben." Wenn die Virusbelastung mit modernen Methoden unter eine bestimmte Grenze gesenkt werden kann, hat dies nicht nur den positiven Effekt, dass der Mensch gesund bleibt. "Ein solcher Patient ist dann auch nicht mehr ansteckend," betont Dorsch.
Positiv: HIV-infizierte Mütter bekommen gesunde Babys
"Wir haben bei uns in der Aids-Beratungsstelle immer wieder Schwangere mit positiver HIV-Diagnose. Alle Kinder, die von behandelten Müttern geboren wurden, sind gesund," erklärt Dorsch. Lediglich zwei Fälle von Übertragung auf das Kind sind Dorsch aus seinem Wirkungsfeld bekannt. Hier wurden die Mütter jedoch nicht mit Medikamenten behandelt, weil die Diagnose HIV nicht bekannt war.
Anders als in Deutschland sieht die Situation im südlichen Afrika aus. Rund zwei Drittel aller HIV-Infizierten auf der Welt leben dort. Mittlerweile nehmen auch viele von ihnen die Medikamente, doch die sozialen Auswirkungen von Aids haben dort noch eine andere Dimension. "Ich vergleiche die große Aids-Epidemie dort mit einem Tsunami. Er richtet nicht nur Schaden an, wenn er auf das Land trifft, erst wenn sich das Wasser zurückzieht, sieht man das ganze Ausmaß der Zerstörung. In Afrika bedeutet dies, dass Millionen von Kindern durch den Tod eines oder beider Elternteile zu Aids-Waisen wurden. Ein Problem, das selbst für einen Industriestaat wie Deutschland nicht zu stemmen wäre."
Die Vorgabe der WHO ist "90 - 90 - 90"
Die Vorgabe der Weltgesundheitsorganisation ist "90 - 90 - 90" bis zum Jahre 2020. 90 Prozent der HIV-Infektionen sollen bis dahin dokumentiert werden, hiervon sollen 90 Prozent behandelt werden und wiederum hiervon sollen 90 Prozent der Betroffenen eine Virusbelastung unter der Nachweisgrenze haben. Dies bedeute ein weitgehend normales Leben für rund 72 Prozent der Infizierten. Schätzungen besagen, dass dann etwa bis ins Jahr 2030 die "Seuche" Aids in den Griff bekommen werden kann. Doch dies ist noch ein weiter Weg.
Hans Peter Dorsch begleitet seit 30 Jahren HIV-Infizierte und Aids-Kranke auf ihrem Lebensweg. Und auch die Entwicklung der Krankheit hat er 30 Jahre miterlebt. Er hat viele Verbesserungen und einen grundlegenden Wandel gesehen. Der Kampf gegen die Krankheit geht weiter. "Wir haben in den letzten 30 Jahren nie locker gelassen, in unseren Bemühungen im Kampf gegen die Krankheit," so Dorsch. Und so dürfe man auch in Zukunft nicht nachlassen, alles dafür zu tun, dass die Diagnose HIV positiv weiter ihren Schrecken verliere.