Höhere Belastung
Energiewende treibt Netzgebühren - für Stromkunden wirds teurer
25. Oktober 2015, 10:37 Uhr aktualisiert am 25. Oktober 2015, 10:37 Uhr
Tausende Kilometer neue Stromleitungen erfordert die Energiewende. Das kostet viel Geld. Die Stromkunden müssen sich 2016 auf höhere Belastungen für ihre Stromnetze einstellen.
Neue Stromleitungen, teure Anschlüsse von Hochsee-Windparks und immer mehr Entschädigungen für Eingriffe in den Netzbetrieb - die Energiewende treibt bundesweit die Netzgebühren in die Höhe. Im nächsten Jahr rechnet das Verbraucherportal Verivox mit einem Anstieg um durchschnittlich knapp vier Prozent. Beim Netzbetreiber Amprion, der Deutschlands längstes Hochspannungsnetz führt, steigen die Netzentgelte im Durchschnitt sogar um 8,3 Prozent. Auch ein Sprecher der Bundesnetzagentur bestätigt bundesweit steigende Zahlen für 2016, ohne Details zu nennen.
Zahlen müssen das am Ende die Verbraucher: Die Netzkosten machen aktuell rund 23 Prozent des Strompreises aus. Allein die prognostizierte Durchschnittserhöhung kostet den Verbraucher im 4000-Kilowattstunden-Durchschnittshaushalt 10 Euro pro Jahr plus Mehrwertsteuer. Vor allem im Norden, wo viele Windkraftwerke stehen, und im Süden, wo besonders intensiv neue Leitungen gebaut werden müssen, wird es teurer. Insgesamt rund 18 Milliarden Euro fallen nach Schätzungen aus Branchenkreisen pro Jahr für die Netzentgelte an.
Die größte Erhöhung registriert Verivox in Baden-Württemberg mit einem Plus von 7,7 Prozent (20 Euro im Jahr für den Durchschnittshaushalt). Die Hamburger müssen mit 6,7 Prozent Steigerung rechnen (16 Euro). In Schleswig-Holstein sind es 6,3 Prozent im Jahr.
Schon im vergangenen Jahr waren die Netzkosten um knapp zwei Prozent gestiegen - eine Folge der Energiewende. Wenn immer mehr Verbraucher auch selbst Strom erzeugen und ins Netz einspeisen wollen, sind wesentlich mehr Leitungen erforderlich. Außerdem muss Windstrom aus dem Norden - oft aus Offshore-Anlage, die weit auf hoher See liegen - in den Süden gebracht werden, wo die Atomkraftwerke vom Netz gehen. All das kostet Milliarden.
Zugleich müssen die Netzmanager immer häufiger in den Stromfluss eingreifen, weil Wind- und Sonnenkraftwerke mit ihrer stark schwankenden Produktion die Netze belasten. Wenn ganze Kraftwerke zum Ausgleich dann kurzfristig hoch- oder heruntergeregelt werden, müssen die Netzbetreiber den Betreibern für solche "Redispatch"-Maßnahmen Millionen-Entschädigungen zahlen.
Im zu Ende gehenden Jahr sind die Redispatch-Kosten enorm nach oben geschossen, heißt es aus informierten Branchenkreisen. Genaue Zahlen dazu gibt es noch nicht, aber der Anstieg ist in einigen Netzgebieten offensichtlich eklatant.
Fachleute sehen darin auch eine Folge des nur schleppend verlaufenden Netzausbaus. Solange die großen Strom-Autobahnen in Nord-Süd-Richtung fehlen, gerät das System bei bestimmten Wetterlagen immer wieder bedenklich ins Schwanken - zum Beispiel bei Sonnenschein und starkem Wind am Wochenende, wenn die Erneuerbaren gewaltige Strommengen produzieren, für die es am arbeitsfreien Tag kaum Abnehmer gibt.
Für politische Diskussionen sorgen zunehmend auch die erheblichen regionalen Unterschiede bei den Netzentgelten. So werden die Kunden im wirtschaftlich prosperierenden Bayern 2016 laut Verivox voraussichtlich unter 250 Euro im Durchschnittshaushalt für ihre Stromnetze zahlen müssen, in Bremen sogar nur 200 Euro. Ein strukturschwaches Land wie Mecklenburg-Vorpommern wird dagegen mit 342 Euro belastet, Brandenburg mit 352 Euro.
Der ost- und norddeutsche Stromnetzbetreiber 50Hertz hat wegen der negativen Effekte für die Wettbewerbsfähigkeit und die regionale Wirtschaftsstruktur im Osten deshalb vor kurzem bundesweit einheitliche Netzentgelte gefordert. Es könne doch nicht sein, dass ausgerechnet Regionen, die die Energiewende vorantrieben, "auch noch mit hohen Netzentgelten bestraft werden", klagte ein 50Hertz-Manager.
Die privaten Stromkunden können sich angesichts der teureren Netze damit trösten, dass der Börsenstrompreis weiter fällt. Der Einkauf des Stroms wird damit preiswerter. Entspannung ist also möglich - wenn die Versorger diese Ersparnis auch wirklich an ihre Endkunden weitergeben.