Kommentar

Einlenken mit Ansage


Mit ihrer Flüchtlingspolitik steht Angela Merkel zunehmend alleine da.

Mit ihrer Flüchtlingspolitik steht Angela Merkel zunehmend alleine da.

Die Zahl der Flüchtlinge will sie reduzieren, sagt die Bundeskanzlerin. Doch die Aussichten auf eine Einigung beim EU-Gipfel in Brüssel dämpft Angela Merkel im selben Atemzug. Die Kanzlerin findet nicht aus der Sackgasse.

Unermüdlich erklärt sie ihr Konzept: Die Türkei soll die Grenzen für Flüchtlinge aus Syrien offenhalten. Gleichzeitig soll es gemeinsam mit Griechenland gegen Schleuser vorgehen und Athen die EU-Außengrenzen wirksam schützen. Europa soll der Türkei Kontingente an Flüchtlingen abnehmen, die dann nach einer Quote auf die Mitgliedstaaten verteilt werden sollen. Zudem will Merkel die Fluchtursachen bekämpfen. Klingt gut - allein die Kanzlerin steht mit diesem Plan weitgehend alleine da. Von Quoten wollen zahlreiche EU-Staaten nichts wissen. Die Osteuropäer haben dies erst wieder deutlich gemacht. Merkel habe das Problem alleine verursacht. Warum sollte man ihr jetzt zur Seite springen und sich ein gewaltiges Problem aufhalsen?

Und auch im Westen des Kontinents ist es mit der ansonsten so viel beschworenen Solidarität nicht allzu weit her. Frankreichs Regierungschef Manuel Valls machte erst neulich klar, sein Land werde eine Zuteilung von Flüchtlingen nicht akzeptieren. Und auch Österreich, das bisher weitgehend treu zur Politik der Bundesregierung gestanden hat, rückt seit der Definition einer eigenen nationalen Obergrenze mehr und mehr vom Berliner Kurs ab. Allzu viel erwartet sich Merkel, so stellte sie in ihrer Regierungserklärung heraus, vom Treffen in Brüssel nicht. Unterstützung hat sie fast nur noch vonseiten der EU selbst. Mit salbungsvollen Worten beschwor EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker, dass Merkel am Ende Recht behalten werde. Ist er sich da wirklich so sicher? Wie viel Zeit wird Merkel ihren Widersachern im In- und Ausland noch abtrotzen können? Auch sie weiß, die Leistungsfähigkeit Deutschlands und die Geduld seiner Bürger gehen langsam aber sicher zu Ende. Gradmesser dafür: die steigenden Zustimmungsquoten zur AfD.

Zwei Asylpakete hat die Bundesregierung nach teils langem Hängen und Würgen bisher bereits beschlossen. Die nationalen Maßnahmen wirken auch. So ist die Zahl der Flüchtlinge aus Staaten des Westbalkans deutlich zurückgegangen. Vieles wurde verbessert, Abschiebungen erleichtert, der Familiennachzug begrenzt. Doch der Zustrom von Zuwanderern bleibt nach wie vor auf hohem Niveau und der Staat findet nicht aus dem Krisenmodus heraus. Weitere Maßnahmen, wie mit anderen Staaten abgestimmte Grenzschließungen, will Merkel nicht - sie sorgt sich um die Zukunft Europas. Stattdessen setzt die Kanzlerin fast alles auf eine Karte: die Türkei.

Aller Voraussicht nach wird in Brüssel zwar wieder bis an den Rand der Erschöpfung gerungen werden. Aber Lösungen wird es kaum geben. Welchen Grund sollte irgendeine Regierung haben, nun einzulenken und Flüchtlingsquoten zuzustimmen? Auch die Kanzlerin weiß, dass es mit einer Gesprächsrunde nach der nächsten ohne wirklich greifbare und wirksame Ergebnisse nicht ewig weitergehen kann. Am Ende könnte sie mit derart leeren Händen dastehen, dass sie einsehen muss: Ohne ein entschlosseneres Vorgehen gefährdet sie das Schicksal ihrer eigenen Karriere, das ihrer Partei und das Europas. Merkel wird sich früher oder später bewegen und einen "Plan B" aus dem Hut zaubern müssen. Denn sie wird feststellen: Europa tanzt nicht nach ihrer Pfeife.