Karneval

Der Rosenmontag ist wieder mehr als nur ein Montag

In einem beliebten Karnevalslied heißt es (hochdeutsch): «Wenn das Trömmelchen geht, dann stehen wir alle parat.» Am Rosenmontag spielten nun wieder die Trömmelchen - nach langer Corona-Pause.


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Ein Mottowagen in Düsseldorf zeigt den russischen Präsidenten, der in einer Badewanne in den ukrainischen Nationalfarben ein "Blutbad" nimmt.

Eine Geschichte mit dem Wetter zu beginnen gilt nicht gerade als originell. Aber das sagen Skeptiker auch über Rosenmontagszüge. Daher sei es gestattet zu sagen, dass am Morgen des Rosenmontags 2023 goldener Sonnenschein Köln durchflutet. Die vergangenen Tage war es grau und nieselig - jetzt aber ist es hell und warm. Als hätte die Sonne nur darauf gewartet, wieder scheinen zu dürfen. So wie die Karnevalisten auf ihren Umzug.

Denn die Rosenmontagszüge, die am Montag durch Köln, Düsseldorf, Mainz und andere Hauptstädte des Frohsinns rollen, sind auch große Comeback-Paraden. Erstmals seit drei Jahren gibt es sie wieder, 2021 und 2022 waren sie wegen Corona in ihrer regulären Form ausgefallen. Rosenmontage waren damals irgendwie nur noch Montage - und damit traurige Tage. Entsprechend gelöst scheint die Stimmung nun zu sein.

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Düsseldorfer Mottowagen mit der Aufschrift «Miss Brexit '23»".

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Die Schwellköpp des Mainzer Carneval-Vereins (MCV) auf dem Umzug.

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Ein Mottowagen mit der Aufschrift «"Free Iran» in Düsseldorf.

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Ein Mottowagen mit der Aufschrift «Bundeswehr 2023» in Düsseldorf.

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Ein Mottowagen in Düsseldorf befasst sich mit dem Missbrauchsskandal in der katholischen Kirche.

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In Düsseldorf findet der erste Rosenmontagszug seit drei Jahren statt, 2021 und 2022 waren die Züge wegen Corona ausgefallen.

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Kölner Karnevalisten - in der Rheinmetropole windet sich heute der größte deutsche Karnevalszug durch die Stadt.

In Köln spielen schon vor dem Start am Morgen die Blaskapellen ihre Stimmungslieder, massig werden Süßigkeiten - wie man hier sagt: Kamelle - in die Taschen gestopft, um sie später in das Publikum schleudern zu können. Auch ein gelegentlich vorbeiquietschender ICE stört kaum - der Kölner Rosenmontag stellt sich in diesem Jahr in Nähe eines Bahnhofs auf der rechten Rheinseite auf, die noch nie Teil des Umzugs war. Es ist eine Würdigung der "falschen" Seite der Stadt wegen des Jubiläums 200 Jahre Kölner Karneval. Nur bei den Selfies muss man aufpassen. "Hier? Wir stehen mitten im Nichts!", sagt ein Kostümierter zu einem Freund. Er hält den Hintergrund für unwürdig.

Auch Moderator Johannes B. Kerner (58), der als Promi erstmals auf einem der Wagen mitfahren darf, ist erstaunt. "Es ist schon verrückt. Wie die Leute hier on fire sind, am frühen Morgen schon", sagt er. "Das ist wirklich außergewöhnlich." Model Papis Loveday (46, "Ich bin ein Star - Holt mich hier raus!"), ebenfalls Promi-Gast, sagt, er sei auch beim bis dato letzten Zug dabei gewesen. "Wirklich ein Erlebnis" nennt er das im Rückblick ehrfurchtsvoll. "Und sofort ein oder zwei Wochen später kam der Lockdown." Eine "Katastrophe" sei es gewesen. Und nun? "Neues Leben, neues Ich, neues Alles", befindet das Model.

Ähnliches hört man in Düsseldorf. "Wir haben lange darauf gewartet. Karneval gehört in das Rheinland wie das Oktoberfest nach München", sagt Anja, 52 Jahre alt, ganz unprominent, die dort am Zugweg steht. "Es ist ein besonderes Gefühl wieder hier zu sein, die Freude unter Menschen zu gehen, zu lachen, zu singen, das ist alles das, was den Rheinländer ausmacht."

Vor aller Erleichterung geraten die Motivwagen fast schon in den Hintergrund, mit denen der organisierte Karneval seinen Kommentar zur Welt- und auch mal Lokal-Politik abzugeben versucht. Wladimir Putin kommt gleich mehrfach vor. Im Köln küsst er den Teufel und dreht als Vampir die Welt durch einen Fleischwolf. In Düsseldorf badet er genüsslich in einer Wanne voller Blut in den ukrainischen Farben Blau und Gelb. In Mainz bläst der russische Präsident kalten Ostwind in Richtung von EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen.

Der Düsseldorfer Wagenbauer Jacques Tilly stellt sich mit einem Entwurf auch hinter die Klimaschutzbewegung Letzte Generation. "Wer sind die Klima-Terroristen?" fragt der Wagen. Zu sehen ist ein Aktivist, der versucht, mit seinem Körper die Zerstörer des Weltklimas - verkörpert durch Braunkohlebagger, Industrie und Verkehr - zu stoppen. Im globalen Maßstab etwas niederschwelligere Probleme werden aber ebenfalls besprochen. In Köln etwa widmet sich ein Wagen den verzwickten Problemem mit der Grundsteuer-Erklärung. Man kann es so ausdrücken: Thematisch ist für jeden etwas dabei.

Und spätestens, wenn die letzte Kamelle von der Straße gekehrt und der letzte Ton der Blaskapellen verklungen ist, dann wird man sich sowieso wieder all diesen komplizierten Problemen widmen müssen, die manch einer an diesem Tag vergessen durfte. Karneval - nicht immer durchgehend originell. Aber durchaus heilsam.