Feuerfische, Schlangen und Kaninchen

Das größte Zoogeschäft der Welt


Die vier Fotos zeigen ein Faultier (oben, l-r), zwei Rostkappenpapageien, ein Zwergkaninchen (unten-l-r) und zwei Erdmännchen, aufgenommen am 20.02.2016 im Zoogeschäft Zajac in Duisburg (Nordrhein-Westfalen).

Die vier Fotos zeigen ein Faultier (oben, l-r), zwei Rostkappenpapageien, ein Zwergkaninchen (unten-l-r) und zwei Erdmännchen, aufgenommen am 20.02.2016 im Zoogeschäft Zajac in Duisburg (Nordrhein-Westfalen).

Von Monika Müller

Norbert Zajac betreibt das größte Zoogeschäft der Welt. Bei ihm gibt es nicht nur Hamster, Kaninchen und Co., sondern auch Schlangen und Feuerfische. Einmal wäre Zajac das fast zum Verhängnis geworden.

Ein Faultier hängt von der Decke, Wellensittiche zwitschern und Affen schreien. Der größte Zooladen der Welt ist eine Mischung aus Tiergeschäft, Streichelzoo und Kuriositätenkabinett. Rund 3.000 Tierarten leben in einem roten Backsteingebäude im Duisburger Stadtteil Neumühl. Der Laden ist mehr als 12.000 Quadratmeter groß, steht im Guinness-Buch der Rekorde und wirkt wie eine langgezogene Fabrikhalle. Verblichene Farbe an den Wänden, lange Reihen von Leuchtstoffröhren mit weißem Licht.

Wie seine Tiere ist auch Norbert Zajac schon von Weitem zu hören. Mit durchdringender Stimme spricht der Besitzer des Geschäfts in sein Handy, während er auf seinem Elektroroller durch den Laden kurvt. "Ich fahre im Jahr 4000 Kilometer", erzählt der schwere Mann auf dem leichten Fahrzeug. "Wir haben schon mehrfach die Reifen gewechselt. Die sind so klein und ich bin ja nicht der Leichteste." Zajac lacht. Das macht er häufig.

Über seinen stattlichen Bauch spannt sich ein blaues T-Shirt mit bunten Papageien. Modisch gewöhnungsbedürftig, doch es passt. Vögel, Affen, Schlangen, Käfer und Kaninchen: Sie sind Zajacs Leben. Doch auch Fische und ein Mexikanischer Querzahnmolch haben es dem 61-Jährigen angetan. "Ich stehe auf alle Tiere, ich habe kein Lieblingstier", sagt der Zoohändler. Die Affen hinter ihm schreien wieder.

Zajac nimmt eine Banane und reicht sie durch das Drahtgitter des großen Käfigs. Aufmerksam. Fast zärtlich. "Das ist eine Familie Lisztaffen", sagt er. "Die leben schon seit sechs Jahren hier." Bald verkauft er sie an einen türkischen Zoo. "Alle Tiere hier kann man kaufen", erklärt Zajac. Er sei schließlich kein Zoo, sondern ein Zoohändler. Gegenüber vom Affenkäfig hängt das wertvollste Tier des Ladens an einem dicken Tau unter der Hallendecke: Frieda das Faultier kostet 9.000 Euro. "Frieda ist unser Highlight", sagt Zajac und gibt auch ihr eine Banane. Zwei Besucher bleiben stehen, staunen und wollen wissen: "Kann ein Faultier laufen?" Und: "Wieso fällt Frieda nicht runter?" Der Zoohändler antwortet geduldig, geht auf jede Frage ein. Nach zehn Minuten ziehen die Besucher weiter und Zajac sagt: "Ich überlege gerade, ob ich noch zwei Faultiere kaufe."

Als Vierjähriger bekam er einen Hamster und eine Eidechse. "Mit Fünf habe ich meine ersten Meerschweinchen gezüchtet." Dann kamen Feuersalamander, Blindschleichen und eine Schildkröte dazu. Später 200 Wellensittiche. "Mit 13 habe ich eine Zuchtgenehmigung für Wellensittiche und Papageien beantragt", erzählt Zajac. "Eigentlich konnte man die Genehmigung erst mit Vierzehn kriegen. Doch als ich unserem Amtsveterinär alles, worauf man achten muss, auswendig erzählt habe, hat er eine Ausnahme gemacht." Wenn man mit Zajac durch die unzähligen verwinkelten Regalreihen geht, die immer wieder durch Terrarien, Gehege und Aquarien unterbrochen werden, zeigt sich Konzept des Zoogeschäfts. Hundeleinen hängen sorgfältig aufgereiht an der Wand, daneben stehen kleine Bettchen für Katzen. Die Fischfutter-Auswahl ist riesig. Es gibt aber auch Goliathkäfer, Bambushaie und Baby-Chamäleons. Das Normale neben dem Außergewöhnlichen, für jeden soll etwas dabei sein.

Eine junge Familie ist aus Osnabrück gekommen. "Nur zum Gucken", sagt sie. Zajac nennt diese Gäste "Besucher", andere sind "Kunden". Die Hälfte der Leute kämen als Zoobesucher, sagt Zajac. Eintritt zahlen muss niemand. Aus fünf Hallen und einem Außenbereich besteht sein Geschäft. Insgesamt seien im Jahr rund eine Million Menschen dort. So viele wie im Duisburger Zoo. Der ist nur gut acht Kilometer entfernt. Sind Zoo und Zoogeschäft also Konkurrenten? "Nein", sagt Zoodirektor Achim Winkler. "Wenn man Elefanten, Giraffen, Koalas oder Delfine sehen will, muss man zu uns kommen", meint er. "Wir ergänzen uns." Das sieht auch Zajac so. "Die Leute können sich bei mir Appetit holen und gehen dann in den Zoo." Es gebe sogar einen gemeinsamen Flyer.

Dass es nicht nur im Zoo, sondern auch im Zoogeschäft viele exotische Tiere gibt, gefällt nicht jedem. "Man nimmt Herrn Zajac schon ab, dass er seine Tiere liebt", sagt Marius Tünte vom Deutschen Tierschutzbund. "Wir haben aber ein Problem mit seinem Konzept." Zajac wecke mit seinem Zoohandel Begehrlichkeiten und gebe einigen Menschen das Gefühl, außergewöhnliche Tiere einfach im Wohnzimmer halten zu können. "Das ist fatal, weil es sehr schwierig ist, bestimmte Tiere zu halten." Menschen, die mit exotischen Tieren nicht zurecht kämen, setzten diese manchmal einfach aus.

Problematisch sei auch der Hundewelpen-Verkauf in der Zoohandlung. "Dort wird es mit Sicherheit auch zu Spontankäufen kommen", sagt Tünte. Das seien dann die Tiere, die später im Tierheimen landeten. Zajac kennt solche Vorwürfe. "Wenn meine Mitarbeiter nach einem zwei-, drei-, vierstündigen Beratungsgespräch zu dem Ergebnis kommen, das wird nichts, schicken wir die Kunden wieder nach Hause", sagt er. Das komme pro Woche rund zehnmal vor. Seine Welpen spielen in großen Gehegen. Die sind mit Fußbodenheizung und einem elastischen Boden ausgestattet. "Damit sich die Tiere beim Spielen nicht verletzen", erklärt er. Eine Art Theke aus Metall trennt staunende Kinder von den Hundegehegen.

Der Zoohändler öffnet das Tor zur Außenanlage. Ein durchdringender greller Schrei. "Das war der Paarungsruf eines Pfaus", sagt der Zooladen-Besitzer. Pfauen, Gänse, Hühner. Sie alle schreien und gackern wild durcheinander, warten auf Futter. Zajac zeigt auf einen Automaten: "Hier können die Leute für einen Euro Futter kaufen." Wie im Tierpark. "Im Sommer sind da an guten Tagen 200 Euro drin." Der 61-Jährige geht ein paar Meter weiter und biegt um eine Ecke. "Ich habe hier noch was anderes Schönes", sagt er und öffnet das Erdmännchen-Gehege. "Erdmännchen sind Raubtiere, die könnten ganz schön zubeißen", erklärt er. Ohnehin gibt es einige gefährliche Tiere in seinem Laden. Aber auch das nimmt Zajac mit Humor. "Wir wohnen 800 Meter von der Feuerwehr weg. In dreieinhalb Minuten ist der Krankenwagen da." Angst um seine Gesundheit hat er nicht.

Zweimal sei er von einer Giftschlange gebissen worden. "Da habe ich gar keinen Arzt für angerufen." Nur ein bisschen schlecht sei ihm gewesen. "Ich habe mir in Ruhe ein Fläschchen Bier getrunken, und dann war die Welt auch wieder in Ordnung." Doch einmal war es richtig knapp. Ein Rotfeuerfisch mit giftigen Stacheln hatte ihm in den Daumen gestochen. "Der war nur zehn Zentimeter groß. Den habe ich als Zweieinhalb-Zentner-Mann nicht für voll genommen." Zuerst spürte er nur ein leichtes Brennen, dann wurde er ohnmächtig.

Ein Krankenwagen brachte ihn ins Krankenhaus. "Da war ich an das Gerät angeschlossen, wo man den Herzton immer hört." Plötzlich habe er nur noch ein langgezogenes Piepen vernommen. "Ich habe gedacht: "Wenn im Film der Dauerton kommt, ist man immer tot." Dreimal sei er wiederbelebt worden. Am nächsten Tag habe er sich dann selbst entlassen. Abends war Weihnachtsfeier in seinem Zoogeschäft. "Da hatte ich dann eine tolle Geschichte zu erzählen." Zajac lacht. Tolle Geschichten erzählt er gerne.

Am Eingang seines Geschäfts gibt es eine Pommesbude. Dort erzählt der Zoohändler eine Geschichte, die er nicht gerne erzählt. Und er lacht auch nicht mehr. Zajac setzt sich an einen Tisch, bestellt Fritten und sagt: "Wir standen schon mehrfach vor der Pleite." Er holt weit aus, erzählt von Tier-Messen, die er mal organisiert hat, Problemen mit Banken und privaten Investoren. Die Fritten auf seinem Teller hat er längst vergessen.

Einmal habe er auf unbezahlte Rechnungen gewartet und konnte seine eigenen nicht mehr bezahlen. Am Abend sei er mit seiner Frau essen gegangen - "als Abschied von der Selbstständigkeit". Zajac muss schlucken. "Und dann haben am nächsten Tag plötzlich alle ihre Schulden bezahlt und wir konnten doch weitermachen." Zajac schluckt wieder. Die Fritten sind kalt. Weiter, immer weiter. Ans Aufhören denkt der 61-Jährige nicht. Auch im Rentenalter will er noch im Laden stehen. "Das ist mein Leben, das ist meine Baustelle." Dieses Jahr rechnet er nach vier Jahren Minus mal wieder mit einem Gewinn.