Oslo
Breivik siegt vor Gericht: Isolationshaft verletzte seine Menschenrechte
20. April 2016, 17:42 Uhr aktualisiert am 20. April 2016, 17:42 Uhr
Die jahrelange Isolationshaft des Massenmörders Anders Behring Breivik verletzt laut einem Urteil dessen Menschenrechte. Ein Gericht in Oslo verurteilte den norwegischen Staat am Mittwoch wegen eines Verstoßes gegen Artikel 3 der Menschenrechtskonvention.
"Das Verbot der unmenschlichen und erniedrigenden Behandlung ist ein Grundwert in einer demokratischen Gesellschaft. Das gilt unter allen Umständen - auch bei der Behandlung von Terroristen und Mördern", hieß es im Urteil. Breivik hatte gegen den Staat geklagt und erklärt, wegen der Einzelhaft leide er unter Kopfschmerzen und Mutlosigkeit. "Entscheidende Faktoren waren die Länge der Isolation, eine mangelhafte Begründung, begrenzte Klagemöglichkeiten und zu wenige ausgleichende Maßnahmen." Auch die vielen Leibesvisitationen habe der Staat nicht gut genug begründet. Dieser hielt die Behandlung für berechtigt, weil Breivik immer noch hochgefährlich sei.
Kaum Kontakt zur Außenwelt - Breivik: "Das ist unmenschlich!"
In Bezug auf Artikel 8 der Konvention sprach das Gericht den Staat dagegen frei. Darin heißt es: "Jede Person hat das Recht auf Achtung ihres Privat- und Familienlebens, ihrer Wohnung und ihrer Korrespondenz." Breivik hatte es im Prozess als unmenschlich bezeichnet, dass er kaum Kontakt zur Außenwelt habe. Seit dem Tod seiner Mutter 2013 habe er nur noch einen privaten Besucher gehabt.
Der Norweger hatte im Juli 2011 bei Anschlägen in Oslo und auf der Insel Utøya 77 Menschen getötet, darunter viele jugendliche Teilnehmer eines sozialdemokratischen Sommerlagers. Im Jahr darauf hatte ihn ein Gericht zur Höchststrafe von 21 Jahren Haft und Sicherungsverwahrung verurteilt. Im Gefängnis kann sich Breivik in drei Zellen aufhalten. Hier stehen ihm unter anderem mehrere Fernseher, eine Playstation und Trainingsgeräte zur Verfügung. Nach Informationen des norwegischen Fernsehens ließ das Gericht Breivik eine Kopie der Entscheidung bereits am Vormittag zukommen.
Staat muss Prozesskosten übernehmen
"Wir haben in dem wichtigsten Punkt gewonnen, deshalb sehen wir keinen Bedarf, in Berufung zu gehen", sagte sein Anwalt Øystein Storrvik dem Sender NRK. Der Staat müsse nun einen Plan für Breiviks künftige Haftbedingungen vorlegen. Seiner Auffassung nach sollte der Massenmörder in Zukunft nicht mehr nur durch eine Glasscheibe von anderen Menschen getrennt kommunizieren dürfen. Wie sein Mandant auf das Urteil reagiert hat, wollte er nicht kommentieren. Der Anwalt der Regierung, Marius Emberland, zeigte sich am Mittwoch überrascht von der Entscheidung des Gerichts. Er wolle das Ergebnis nun zunächst mit dem Justizministerium besprechen, um zu entscheiden, ob der Staat in Berufung gehen werde. Laut Urteil muss der Staat Breiviks Prozesskosten von rund 331.000 norwegischen Kronen (rund 35.700 Euro) übernehmen.
Hitlergruß zum Prozessauftakt
Angehörige der Opfer, unter denen viele Teilnehmer des Ferienlagers waren, hatten Breivik vorgeworfen, den Prozess gegen den Staat als öffentliche Bühne für seine rechtsextremen Äußerungen zu suchen. Zum Start der viertägigen Verhandlung im März, die aus Sicherheitsgründen im Gefängnis in Skien stattfand, hatte der Norweger die Hand zum Hitlergruß erhoben.