Kultur

Was eine Familie ausmacht

Hirokazu Kore-eda zeigt mit "Broker" die Kunst des cineastischen Humanismus


Die junge Mutter So-young (Lee Ji-eun), Dong-soo (Gang Dong-won) und Sang-hyun (Song Kang-ho mit Baby).

Die junge Mutter So-young (Lee Ji-eun), Dong-soo (Gang Dong-won) und Sang-hyun (Song Kang-ho mit Baby).

Von Adrian Prechtel

Hirokazu Kore-eda, der japanische Meister der Patchwork-Familienbande, hatte mit "Shoplifters" 2018 die Goldene Palme und anschließend einen Oscar gewonnen: Es war ein liebevoller Blick auf eine Familie in prekären Verhältnissen, die sich durchschnorrt und mogelt - nicht immer ganz legal.

Nach diesem internationalen Triumph kommt jetzt "Broker" ins Kino. Der Untertitel "Familie gesucht" verrät, dass es wieder um die Frage danach geht, was "Familie" eigentlich ausmacht: wirklich nur Blutsbande? Oder nicht doch ein menschliches Zugehörigkeitsgefühl?

Dass bei diesem Thema erst einmal keine Rührseligkeit aufkommt, liegt am Plot - und der stammt, wie oft bei Hirokazu Kore-Eda aus einem Zeitungsartikel, also von einer wahren Geschichte her. Im Film beginnt sie so: Eine Prostituierte hat ihren fiesen Freier getötet, der sie auch noch geschwängert hatte. In einer regnerischen Nacht lässt die junge Mutter (Lee Ji-eun) ihr Neugeborenes in einer Babyklappe zurück. Diese aber hatte ein Gauner (Song Kang-ho) mit seinem Kumpel präpariert, so dass kein Alarm ausgelöst wurde. Sie nehmen sie das Baby an sich, um es auf dem Adoptionsmarkt zu verkaufen.

Bereits in dieser klaren Eingangssequenz wird ein emotionaler Wirbel beim Zuschauer ausgelöst, weil viele moralische Fragen auf ihn eindringen. Und dann passiert der Clou: Die junge Frau bereut den Schritt, kehrt zurück, will das Baby schnell wieder an sich nehmen. Aber es ist weg. Und das Waisenhaus setzt auf diese Geschichte noch die Polizei an. Aber nicht genug: Die junge Mutter wird auf die Kindsentführer treffen, sich ihnen auf der Suche nach bestmöglichen neuen Eltern anschließen - denn die Kinder-"Broker" sind eigentlich nette Kerle, die wirtschaftlich ums Überleben kämpfen, so dass der Film angenehm moralisch verwirrend verläuft und man amüsiert, irritiert und aufgeregt dem humanen, tragikomischen Krimi folgt.

Im Verlauf der odysseeartigen Suche nach neuen Eltern durch Südkorea wird die Gauner-Mutter-Kind-Gruppe enger zusammengeschweißt. Das alles ist mit Lässigkeit und großer Kunst erzählt, so dass zwei intelligent unterhaltsame Kinostunden entstanden sind.

R: Kore-eda (Japan, 125 Min.); K: Arena, City Atelier (OmU) Leopold, Neues Maxim (OmU), Theatiner (OmU)