Kleinkunst unter freiem Himmel

Till Hofmanns "Eulenspiegel Flying Circus"


Kleinkunst-Impressario Till Hofmann

Kleinkunst-Impressario Till Hofmann

Von Volker Isfort / TV/Medien

Till Hofmann verlegt seine kulturellen Aktivitäten an die frische Luft.

Sein Lustspielhaus ist ebenso geschlossen wie die Lach & Schieß. Aber Till Hofmann steckt trotzdem voller Pläne. Am Montag beginnt sein "Eulenspiegel Flying Circus"-Festival in Passau, das dann im Juli nach München zieht. Bis dahin hofft er, dass die Politik ein wenig Abstand von der strikten Abstandsregel nimmt.

AZ: Herr Hofmann, 25.000 Demonstranten gehen auf den Königsplatz, aber wenn Sie ab kommenden Montag den kunterbunten "Eulenspiegel Flying Circus" starten, dürfen nur 100 Zuschauer auf den Passauer Domplatz. Wie sehr nervt so was?
TILL HOFMANN: Das ist ein anderes Thema und war auch so nicht absehbar. Bei uns in Passau ist das absehbar, und daher können wir auch die Regeln einhalten. Am Domplatz ist ja Platz. Perspektivisch hoffen wir, dass sich Bayern auch weiterhin an Österreich hält, und dann sind wir bei 1 Meter Abstand statt 1,50. Damit kann man schon ganz anders arbeiten.

Gibt es entsprechende Signale aus der Politik?
Ich denke, dass die bayerische Staatsregierung relativ schnell mit den Zuschauerzahlen hochgehen wird, wenn die Infektionszahlen nicht wieder steigen. Wenn ausreichend Platz ist, wäre es ja auch unlogisch, dass in Biergärten 800 Leute sitzen und die Kultur, wo die Leute 90 Minuten konzentriert sitzen und sich nicht ansaufen, anders behandelt wird. Aber die Kultur muss mit dieser Ungewissheit umgehen. Abgesehen davon, dass man in diesem Wahnsinn eineinhalb oder zwei Jahre im Voraus ein Programm planen muss, immer mit der Unsicherheit: "Wird da überhaupt jemand kommen?"

Was hören Sie aus dem Veranstalter-Kollegenkreis?
Die wollen ja alle spielen und ihren Job machen. Einige machen jetzt Autokino, aber ich bin kein Freund davon, vor Blechlawinen zu spielen. Noch härter ist ja das Kinosterben. Live-Veranstaltungen werden in irgendeiner Form bleiben, weil sich die Leute treffen, gut unterhalten und etwas anschauen wollen. Ich frage mich eher, wie wir wieder eine Kino-Kultur hinbekommen, die ja gerade abschmiert.

Wie ist die Lage bei Ihren Kabarettbühnen? Wird es dort bald Veranstaltungen geben?
Zugelassen ab 15. Juni sind im Lustspielhaus derzeit 50 Zuschauer, in der Lach- und Schießgesellschaft 30 - da brauchen wir gar nicht erst aufzusperren, weil wir dann noch mehr draufzahlen. Ich gehe aber davon aus, dass sich die Zahlen im Freien ändern werden, dass bei ausreichend Platz mehr Zuschauer zugelassen werden. Das wird schon. Wenn nicht, machen wir eine Umschulung.

Als was?
Als Facharzt für Angelegenheiten, nur montags und nur für Privatpatienten.

Im Ernst: Wie ist Ihr Plan?
Wir probieren das mit dem "Eulenspiegel Flying Circus" in Passau jetzt mal aus, an 20 Tagen, und werden mit dieser Bühne im Juli dann für sechs Wochen nach München gehen, in den Innenhof des Deutschen Museums. Das wird gerade noch geprüft.

Wieviele Zuschauer finden dort Platz?
Je nachdem wie die Abstandsregelungen im Juli sein werden: ungefähr 250. Aber mit 100 geht es auf alle Fälle.

Rechnen sich diese Zahlen für Sie?
Mei, ob es sich rechnet... Ich gehe von einem Normalbetrieb nicht vor Ende des Jahres aus. Aber jetzt mal wieder den Apparat zu beschäftigen, ist ja schon gut genug. Wenn all die Techniker wieder Arbeit haben und die Künstler auftreten können, und wenn auch die Leute merken, sie können wieder verantwortungsvoll ausgehen und sich etwas anschauen, dann ist das bei aller Vorsicht ein Schritt Richtung Normalität, der aber auch wieder sein muss.

Wird das Deutsche Museum Ihr einziger Open-Air-Spielplatz sein?
Nein, am KUBU, dem Kinder- und Jugendhaus der Caritas hinter dem großen Spielplatz am Glockenbach, soll eine weitere kleine Bühne stehen. Da haben wir früher Public Viewing gemacht, ein total schöner Platz. Da soll es für rund hundert Leute Musik, Kabarett und Poetry-Formate wie die "Schwabinger Schaumschläger" und "Blickpunkt Spot" geben.

Kleinkunstfreunde müssen also auf gutes Wetter hoffen...
Es sind jetzt einfach andere Voraussetzungen. Wenn nicht totales Unwetter ist, kann man schon spielen. Da sitzen die Leute halt mal mit der Regenjacke da. Man hat jetzt die Möglichkeit, Räume und Plätze zu bespielen, auf die man vorher nie gekommen wäre.

Was auch Charme hat.
Und im August wollen wir noch eine Woche nach Niederbayern. Ein Projekt, das "Donau TV" begleitet: Leute schicken an info@eulenspiegel-concerts.de Fotos von ihrem Biobauernhof, Steinbruch, Baggerweiher oder was auch immer, und wir kommen da hin und spielen für zwei Tage. Fünf Orte werden wir aussuchen: schöne, poetische Plätze wie zum Beispiel ein schlossähnlicher Park in Obernzell, aber auch greisliche - das hat ja auch einen Reiz. In Riedlhütte im Bayerischen Wald gibt's so einen alten Volksfestplatz, den wir Vereinsheim-mäßig ansteuern werden. Das sind natürlich keine großen Theaterproduktionen, aber wir werden immerhin spielen!

Können Sie schon Namen nennen?
Hannes Ringlstetter macht mit, Ernst Molden und der Nino aus Wien wohl auch. Eine bayerisch-österreichische Mischung wird das.

Apropos Österreich: Sie betreiben in Wien ja den Stadtsaal. Wie ist die Situation dort?
Da kann man ab August wieder spielen, wahrscheinlich vor 250 Leuten. Das ist super, denn normal sind das 400 Plätze. Aber Bayern orientiert sich eh an Österreich: Was dort schon amtlich ist, kommt bei uns mit ein paar Wochen Verzögerung an.

Es tut sich also was.
Man sucht halt auch neue Formen. Pop und Rock könnten überhaupt nicht stattfinden, hieß es - natürlich kann das stattfinden, nur dass die Leute jetzt erst mal sitzen, da ist halt alles bestuhlt. Dass vor der Bühne eng getanzt wird, geht natürlich überhaupt nicht, ganz klar. Wir gehen mit unserer Bühne irgendwo in die Pampa, wo es nicht so dicht ist. Es ist einfach eine andere Atmosphäre, und das ist immer noch besser als überhaupt nicht zu spielen. Lieber spielen unter verschärften Bedingungen und sich so der Normalität wieder annähern. Es ist auch interessant, mit was für Leuten man da zusammen kommt und wer da was machen will.

Erzählen Sie mal!
Wenn wir mit dem Flying Circus irgendwo aufschlagen und außer dem Ausschank alles mitbringen, sagt der ein oder andere vielleicht: "Das machen wir auch nächstes Jahr!" Oder: "Wir machen jetzt selber was! Es ist ganz gut, wenn bei uns mehr passiert." Ich denke, es wäre auch gut, in Dörfer zu gehen, wo überhaupt nichts ist, kein Kulturzentrum, vielleicht auch kein Wirtshaus mehr. Wo die AfD 30 Prozent hat und man die ein bisschen bespielt.