Kultur

Tanzen, quatschen, malen

Der Dokumentarfilmer Pepe Danquart geht in "Daniel Richter" dem Künstlers auf den Leim


Daniel Richter ist gut drauf, tanzt durch die Galerie. Es läuft ja auch prächtig für den Künstler. Und klar sieht er die Problematik des Kunstmarkts. Das macht ihn sympathisch.

Daniel Richter ist gut drauf, tanzt durch die Galerie. Es läuft ja auch prächtig für den Künstler. Und klar sieht er die Problematik des Kunstmarkts. Das macht ihn sympathisch.

Von Christa Sigg

Toll, wie er das macht. Daniel Richter trabt im Tanzschritt durch eine Galerie, sozusagen als Showeinlage. Man sieht ihn beim Kopfstand, Yoga kann er also auch noch. Und wenn es auf der Vernissage-Feier im Pariser Nobelrestaurant zu eng wird, kriecht er mit seinen 60 Jahren gelenkig unter den Tisch, um - schwupps - zwischen zwei Sammlerinnen wieder aufzutauchen. Dann steigt er auf den Sitz und hält eine kleine Ansprache, freut sich über diese "Great Show", während Galerist Thaddeus Ropac selig lächelt.


Richter gehört zu seinen Superstars, die farbintensiven Gemälde bringen sechs- bis siebenstellige Summen ein. Und weil der Markt dauernd nach mehr schreit, ist der Ex-Punk auch in einem fort am Malen. Malen und reden, daraus hat Pepe Danquart, der mit Dokumentarfilmen über Tour-de-France-Radler ("Höllentour"), die extrem kletternden "Huberbuam" ("Am Limit") oder Joschka Fischer auffiel, einen Zwei-Stunden-Film gezimmert.

"Besser geht's nicht", meint der Künstler, auch wenn er es peinlich findet, sich selbst zu sehen. Besser kann Richter nicht wegkommen, möchte man hinzufügen. Denn Danquart lässt ihn ohne Punkt und Komma über seine Kunst und die Welt reden. Das ist nicht unsympathisch, schon weil der präzise den Widerspruch zwischen seiner durchaus kritischen Malerei und den Käufern sieht. "Spätestens, wenn das in den Warenkreislauf eingespeist wird - und der Kunsthandel kommt dem Luxuswarenhandel am nächsten -, wird es mit dem politischen Anspruch ein bisschen heikel", gibt er zu. Genauso mit der Kapitalismuskritik. Etwa wenn Scheichs und Oligarchen die Brieftasche öffnen.

Richter weiß freilich, wie er das in Relation setzen muss: "Natürlich ist es mir lieber, die Leute investieren in Kunst als in Kinderpornografie oder in den Waffenhandel". Und er habe ja gar nicht damit gerechnet, dass er mal ein gutes Leben damit führen könne. Was soll er auch sagen? Wenn es gut läuft, muss man schon verrückt sein, um sich selbst Sand ins Getriebe zu streuen.

Und das ist das Schöne an der Kunst: Der Kasper kommt immer gut. Gerade im Film. Richter ist kein Zögerer und Zauderer, mag sein, dass er verwirft, aber das wird gar nicht erst angesprochen. Eher geht es ihm leicht von der Hand: da noch ein Strich, dort eine Kurve in hellem Gelb. Oder doch lieber Rot? Das sei jetzt wirklich eine Grundsatzfrage. Richter gibt sich herrlich selbstironisch.


Dazwischen flattern zwei rotzfreche Papageien, völlig fixiert auf den Künstler - oder sind die Vögel einfach nur süchtig nach Farben? Auch das lockert auf. Wobei es immer entspannt bleibt. Selbst wenn Richter über das Verarbeiten von Weltkriegspostkarten in seinem (damals) aktuellen Werkzyklus spricht - man sieht Invaliden mit Krücken. Wenn man diese Vorlagen kennt, nimmt man sie auf den knallbunten Leinwänden wahr. So ungefähr. Es könnte aber auch ganz anders sein. Ungezwungener, ja sogar heiter. Das Abstrahieren und die Farben entwickeln ein erstaunliches Eigenleben.

Und dann kommen die Fans zu Wort: Galeristen natürlich, die Kunsthistorikerin Eva Meyer-Hermann ("Eva, kannst Du ein Buch über mich machen? Ich will mal so ein richtig großes Buch haben"), der rührend väterliche Sammler Harald Falckenberg und der dänische Künstler Tal R alias Rosenzweig, der so begeistert über seinen Kollegen spricht, dass der jeden einzelnen Satz in Stein meißeln müsste. Jonathan Meese, der Kumpel aus Akademietagen, sorgt als einziger für ein bisschen Rambazamba - er sei viel mehr Daniel Richter als Daniel Richter selbst. Und pinselt ein Meese-Katzen-Gesicht.


Daniel Richter mag das alles gefallen, und bei allen Längen schaut man ihm noch lieber selbst beim Malen zu. Doch am Ende bekommt ihn keiner zu fassen. Man erfährt nichts über die Eltern in Eutin, die ihn angeblich mit 16 aus dem Haus geworfen haben, nichts über sein Privatleben und seine Fotografenehefrau. Die Hamburger Hausbesetzerszene wird nur kurz angetippt, da war Richter aktiv, hat Plattencover von Punkbands wie den Goldenen Zitronen gestaltet, ging auf die Kunstakademie, und irgendwann nach einem wenig glatten Leben war der Erfolg eben da.

Drei lange Jahre hat Danquart seinen Heroen begleitet, um ihm letztlich auf den charmanten Leim zu gehen. Wie alle.

Regie: Pepe Danquart (Deutschland, 2022, 118 Minuten), Kinos: Monopol, Studio Isabella, Theatiner Film