Kultur

Seid umschlungen, Millionen

Die Generalsanierung des Münchner Stadtmuseums ist eine unendliche Geschichte. Laut aktuellem Stand soll 2031 wiedereröffnet werden. Und die Kosten? Steigen von Tag zu Tag


Das künftige Münchner Stadtmuseum mit seiner charakteristischen "Curtain-Wall" soll sich zum Oberanger hin öffnen. Der Durchgang führt ins Atrium und weiter auf den Sebastiansplatz.

Das künftige Münchner Stadtmuseum mit seiner charakteristischen "Curtain-Wall" soll sich zum Oberanger hin öffnen. Der Durchgang führt ins Atrium und weiter auf den Sebastiansplatz.

Von Christa Sigg

Wenn eine Ehe 25 Jahre übersteht, wird Silberne Hochzeit gefeiert. Aber wie ist das, wenn zwei genau so lange aufeinander warten und einfach nicht zusammenkommen? Also Stadtmuseum und Sanierung. Bekannt war es längst, aber 1999 wurde - offiziell - festgestellt, dass das Haus dringend überholt werden muss.

2015 konnten Auer Weber Architekten den Wettbewerb für sich entscheiden, von gut 100 Millionen Euro war damals die Rede. 2019 gab der Stadtrat seinen Segen. Dann kam 2020 unter pandemiebedingten Sparzwängen der Beschluss, das Projekt bis 2026 auf Eis zu legen. Der beste Kommentar darauf hing als Banner am Stadtmuseum selbst: "Wo das Sparen viel Geld kostet". Daraufhin wurde "abgemildert" auf 2025. Und jetzt? Ein Gespräch mit der Direktorin Frauke von der Haar.

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Im Inneren des Stadtmuseums soll ein multifunktionaler Lichthof mit Kasse, Shop und Vermittlungsräumen entstehen, von dem aus man in die verschiedenn Sammlungen gelangt.

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Wäre alles von Anfang an glatt gelaufen, würde Frauke von der Haar jetzt ein generalsaniertes Stadtmuseum leiten.

AZ: Frau von der Haar, sind Sie noch im Zeitplan?

FRAUKE VON DER HAAR: Ja, wir beginnen im dritten Quartal 2025 mit der Sanierung.

Durch die Inflation dürfte das Kostenziel von 203,5 Millionen Euro kaum zu halten sein.

Dazu müssten die Kollegen im Baureferat Auskunft geben.

Auch da gibt es noch keine Zahlen, die entsprechenden Ausschreibungen erfolgen erst. Wie kommen Sie im Stadtmuseum voran?

Das läuft, wir werden bis zum 7. Januar 2024 geöffnet haben, weil wir in den Weihnachtsferien sehr gefragt sind. Nach einer umfänglichen Finissage schließen sich die Tore, und wir werden ein Jahr lang ausräumen, wobei das in Teilen jetzt schon geschieht.

Wo zum Beispiel?

Wir haben die Sammlung Musik nach den Corona-Schließungen gar nicht mehr aufgemacht. Die Sammlung Puppentheater/ Schaustellerei ist seit letztem Jahr geschlossen. Große Teile der Sammlung Musik, der Gemäldesammlung sowie die komplette Zentralbibliothek sind umgezogen.

Stehen die Räume dann leer?

Tatsächlich zeigen wir im Sommer eine Ausstellung mit dem Titel "(K)ein Puppenheim. Alte Rollenspiele und neue Menschenbilder" in der Sammlung Puppentheater. Das ist eine Kooperation zwischen der Sammlung Goetz mit ihren Videoarbeiten und unseren Sammlungen Puppentheater/Schaustellerei und Fotografie. Es geht um einen anderen Blick auf die Puppe. Da spielen zum Teil rassismuskritische Fragen eine Rolle: Darf man so etwas noch zeigen? In welchem Kontext?

Umzüge bieten im Privaten die Gelegenheit zu entschlacken, bei einem Museum geht das eher nicht.

Aber die Restauratoren nehmen jedes Stück noch einmal in die Hand, prüfen den Zustand, dann wird dokumentiert, fotografiert und notfalls konserviert. Wir nutzen diese Gelegenheit also auch.

Sie ziehen aufs Arri-Gelände. Steigen die Mietausgaben durch die ganzen Verzögerungen?

Das ist zum jetzigen Zeitpunkt und bei einer so großen Maßnahme schwer abzuschätzen. Die Landeshauptstadt München hat sich deshalb das Objekt langfristig gesichert. Der Mietvertragsbeginn wurde für die bauliche und sicherheitstechnische Ertüchtigung auf den 1. Dezember 2021 nach hinten verlegt.

Und wenn Sie Ende 2024 ganz ausgezogen sind?

Geht es Anfang 2025 weiter mit dem Rückbau. Das betrifft vor allem den U-förmigen Gsaenger-Trakt zum Oberanger, Rosental und zur Niesergasse hin, der Ende der 1950er, Anfang der 1960er Jahre entstanden ist. Gerade zum Rosental hin zeichnet sich das Gebäude durch eine "Curtain-Wall" aus, das heißt eine Fensterfront, die die Denkmalpfleger für so besonders erhaltenswert halten. Weil über diese Fenster viel Licht ins Haus kam - das schadet etwa der Grafik oder der Fotografie - hat man das mit zum Teil massiven Wänden zugebaut.

Sind Überraschungen zu befürchten - zum Beispiel unter der Erde? Oder hinter den Wänden?

Es gibt unter dem Museum eine Tiefgarage, die wird aufgegeben, um die gesamte Klimatechnik unterzubringen. Da wird man an bestimmten Stellen tiefer gehen müssen. Allerdings werden Baumaßnahmen immer angemeldet, und die Archäologie beobachtet sehr genau, wo sie stattfinden. Bei allen Bauprojekten im Bestand können Sie den Teufel an die Wand malen - ich sehe ihn jedenfalls nicht. Da gibt es ganz andere Herausforderungen, etwa bei der Statik. Im bereits geräumten vierten Stock des Gsaenger-Baus sollen Probebohrungen stattfinden, weil man auch im Vorfeld klären möchte, was auf die Baufachleute zukommen kann. Es wird sehr viel unternommen, um unangenehme Überraschungen zu vermeiden.

Wie steht es um das neue Museumskonzept? Die Halbwertszeit von Dauerausstellungen sinkt rapide.

Die konkrete Planung der neuen Ausstellungen haben wir bewusst ganz weit nach hinten geschoben, um möglichst aktuell zu sein. Vermutlich werden wir 2026 damit beginnen, denn dafür brauchen wir das gesamte Team. Manches probieren wir jetzt schon aus wie etwa mit der kommenden Ausstellung (K)ein Puppenheim.

Können Sie trotzdem das künftige Schaukonzept umreißen?

Die Dauerausstellungsfläche wird etwas kleiner als bisher, und auch die klassische Sammlungspräsentation wird es nicht mehr geben. Stattdessen bieten wir Einblicke in die Stadtgeschichte. Einmal mit einem chronologischen Teil, der von der Stadtgründung bis ins 21. Jahrhundert reicht. Zum anderen werden wir einen thematischen Bereich haben, der sich vor allem auf das 20. und 21. Jahrhundert konzentriert. Hier spielen alle Sammlungen eine Rolle. Innerhalb der ständigen Ausstellungen sind flexible, semipermanente Bereiche vorgesehen. Die "Münchner Welten" wird man zum Beispiel häufiger anpassen müssen.

Und die Sonderausstellungen?

Dafür werden wir mehrere Flächen haben und außerdem einen Aktionsraum im Erdgeschoss, der für die Musik, für das Puppentheater und für neue Formate interessant wird. Wir können mehr ausprobieren, sind flexibler, um auch auf neue Bedürfnisse zu reagieren. Bislang hatten wir nur einen einzigen Vermittlungsraum fürs ganze Haus. Im Neubau wird es unterschiedliche Räume geben, die man zusammenschließen oder verkleinern kann. Es wird einen Saal mit über 250 Sitzplätzen geben, der unterschiedliche Anwendungen ermöglicht. Alle sind vom zentralen Innenhof aus leicht zu erreichen.

Was passiert in diesem Atrium?

Es wird dort eine kleine Espressobar geben, den Museumsshop, die Kasse und den genanntenAktionsraum, der auch für Workshops oder als Treffpunkt für Gruppen offensteht. Ein Raum für fluide Formate sozusagen. Das Atrium soll einen hohen Aufenthaltswert haben, sodass man sich dort auch gerne verabredet. Es ist ein öffentlich zugänglicher Raum im Herzen der Stadt. Ganz ungezwungen bekommt man bereits die ersten Informationen über das Museum und die Ausstellungen.

Wann werden Sie laut Plan wiedereröffnen?

Mitte 2031 soll das sein.

Also in über acht Jahren. Die Architekten haben in den frühen 2010er Jahren geplant.

Wir bauen nicht neu, sondern im Bestand, damit sind Auer Weber sehr vertraut. Und was haben wir? Einen Zusammenschluss vieler Gebäude, die so unterschiedlich sind wie unsere Sammlungen. Sie haben das mittelalterliche Zeughaus, das Marstallgebäude, den Hofmann-, den Grässel- und den Gsaengertrakt - und das alles aus verschiedenen Zeiten, ganz zu schweigen von den Stilen. Wir haben kein Kunstmuseum aus einem Guss wie zum Beispiel den Gehry-Bau in Bilbao. Stadtmuseen und ihre Sammlungen sind weniger schillernd, wir erzählen etwas über die Stadt und ihre Erscheinung, über die Menschen, die hier leben. Und Auer Weber haben Lösungen entwickelt, die dem Museum einen funktionierenden Betrieb erlauben.

Wo wird das Stadtmuseum nach der Schließung präsent sein?

Wir haben schon eine Kooperation mit der Kunsthalle München begonnen, 2024 wird es dort eine Ausstellung zum Münchner Jugendstil geben. Und ich bin sicher, dass sich Ähnliches im Bereich der Fotografie ergibt, da macht es aber Sinn, auf die Nachfolge von Herrn Pohlmann zu warten. 2025 liegt das Kriegsende 80 Jahre zurück, deshalb planen wir etwas zum Thema Nachkriegsmigration. Übrigens aufbauend auf der Ausstellung Radio Free Europe und "München Displaced", die wir im Sommer eröffnen. Immerhin können wir das Erdgeschoss des Zeughauses - mit Stadtcafé und Filmmuseum - noch bis mit Mitte 2027 nutzen. Aber wir wollen sichtbar bleiben und sind offen für Kooperationen!