Kultur
Nur nicht den Hitler verärgern
26. Februar 2023, 17:21 Uhr aktualisiert am 27. Februar 2023, 13:51 Uhr
Hitler kann vertragsbrüchig werden, Lola Blau nicht", erklärt sie selbstbewusst, als Onkel Paul ihr nahelegt, wie er selbst das Land zu verlassen. Es ist 1938, die junge Schauspielerin wird morgen ihr erstes Engagement antreten und der aus Österreich stammende Führer der Deutschen hat gerade den "Anschluss" seines Heimatlands an das Reich vollzogen. "Im Theater ist was los", schmettert sie euphorisch. Mit Politik hat sie nichts zu tun. Aber sie wird lebenslang ein Opfer der Politik sein. Beim Landestheater Linz riskiert man lieber keine Probleme mit der neuen Regierung und löst den Vertrag mit der jüdischen Nachwuchskraft auf.
Georg Kreisler, der im vergangenen Sommer 100 geworden wäre, hat mit Lola Blau eine Bühnenfigur erschaffen, die sowohl sein charmantes Alter Ego ist als auch ein singendes und tanzendes Denkmal für die Vielen, denen es so ähnlich ging.
Lola geht zunächst in die Schweiz, wo man den faschistischen Nachbarn aber nicht verärgern will und das Fräulein Blau ausweist. Im US-Exil wird sie eine gefeierte Entertainerin mit viel Sexappeal, bleibt aber einsam. Als sie nach dem Krieg erfährt, dass ihre Jugendliebe das KZ überlebt hat, kehrt sie zurück. Das Theater aber will sie nicht und sie macht von nun an in Wien grimmiges Kabarett: "Im Theater ist nichts los", ist eine der letzten Nummern der Revue.
"Heute Abend: Lola Blau" wurde 1971 in Wien mit Topsy Küppers uraufgeführt und hat seinen Biss in den seither vergangenen 50 Jahren nicht verloren. Der auch als Opernsänger bekannte Regisseur Jacoub Eisa inszenierte das Ein-Frau-Musical. Meistens sind seine Arbeiten am Teamtheater zu sehen, aber die Georg-Kreisler-Show steht in diesem Frühjahr mit Anna Heller am Klavier auf dem Spielplan der Drehleier. Mit aufwändigen Video- und Audiocollagen fängt er viel Zeitkolorit ein und schafft trotz der hektischen Schwarzweißbilder und optimistisch jubilierenden Schlagern wie "Heut ist der schönste Tag meines Lebens" eine fast gelassene Geduld mit seiner Lola, die Désirée von Delft spielt. Die Berlinerin gehört nicht nur zum bewährten künstlerischen Umfeld des Regisseurs, sondern hat eine Vergangenheit als Daily-Soap-Heldin: In 421. Folgen "Sturm der Liebe" war sie Romy Lindbergh. Als Lola gelingt ihr jetzt ein empfindsamer Spagat zwischen einer tiefen, glanzlosen Melancholie, der sie viel Raum gibt, und den immer wieder eruptiv vorgetragenen Varietésongs, in denen Glamour trügerisch glitzert. Ein starker Abend mit Lola Blau.
Theater Drehleier, Rosenheimer Str. 123, wieder vom 24. bis 26. März, 20 Uhr, Tel.: 48 27 42