AZ-Interview
Komödie im Bayerischen Hof: Was Thomas Pekny das Virus kostet
31. März 2020, 11:50 Uhr aktualisiert am 1. April 2020, 14:57 Uhr
Wieviel Thomas Pekny jeden Tag die geschlossene Komödie im Bayerischen Hof und das Ende des Tourneebetriebs kosten
Für eine städtische oder staatliche Bühne ist die gegenwärtige Situation schlimm. Für ein reines Privatunternehmen kann sie aber den Totalschaden bedeuten. Thomas Pekny führt gleich zwei Firmen im Theaterbereich: Die Komödie im Bayerischen Hof, in der fast allabendlich 570 Plätze zu verkaufen sind, und die Münchner Tournee mit Gastspielen im gesamten deutschsprachigen Raum. An Subventionen aus dem städtischen Kultursäckel ist nicht zu denken, aber Theaterleiter Thomas Pekny signalisiert beim Gespräch mit der AZ trotz allem Unmut über die Haltung der Kommune seinem Haus gegenüber auch während der Corona-Krise ein gedämpft optimistisches "Weitermachen".
AZ: Herr Pekny, was macht ein Intendant, dessen Theater geschlossen ist?
Thomas Pekny: Wir machen weiter, denn sonst wäre es noch unerträglicher. Am vergangenen Montag hätten eigentlich Proben beginnen sollen für ein Stück, das erst einmal in Essen gespielt werden und dann auf Tour gehen soll. Am 8. April werden wir mit Leseproben in Videokonferenzen beginnen.
Kommt dieses Stück auch nach München?
Es kommt ein Jahr später nach München, heißt "Ungeheuer heiß" und ist eine schwedische Komödie in deutscher Erstaufführung. Mit der Bühne sind wir fast fertig, denn in unserem Probenzentrum wird auch jetzt richtig gearbeitet, wenn auch mit verkleinerter Besetzung. Ich habe vor Jahren schon eingeführt, dass am ersten Probentag das komplette Bühnenbild da ist. Es herrscht eine reduzierte, aber sehr intensive Arbeitsatmosphäre. Dadurch ist die Stimmung ganz gut.
Der Standort Ihres Hauses gehört zu Münchens kostspieligsten Vierteln.
Neulich traf ich meine Vermieterin Innegrit Volkhardt, die Geschäftsführerin des Bayerischen Hofs, die mir Hilfe in Aussicht gestellt hat - ich hatte kaum zu fragen gewagt. In welcher Weise sie mir entgegenkommen kann, ob es um eine Stundung geht oder um eine Reduktion, wissen wir noch nicht. Aber sie hat es auch nicht leicht. In ihrem Hotel ist kaum noch ein Mensch. Es gibt nur noch drei bis vier Gäste, die nicht raus dürfen und vom Roomservice versorgt werden. Dazu mieten wir für unsere Künstler, die nicht aus München kommen, zwölf einfache Wohnungen an. Eine Eigentümerin, die alleine fünf unserer Theaterwohnungen vermietet, bot an, die Mieten für zwei Monate zu erlassen. Das ist natürlich ganz zauberhaft.
Offiziell gilt immer noch der 20. April als Wiederbeginn des Spielbetriebs und drei Tage später steht die Premiere von "Wer hat Angst vorm weißen Mann?" auf Ihrem Spielplan. Glauben Sie noch daran?
Mir tut es gut, zu glauben, es könnte funktionieren. Aber ich fürchte: Nein. Wir werden eine Woche oder zehn Tage später anfangen. Da habe ich schon eine gewissen Hoffnung, denn das Stück ist wundervoll geworden, obwohl es im Vorfeld den Tod von Joseph Hannesschläger und die Umbesetzung mit Hans Stadlbauer gab. Aber das Ensemble ist wahnsinnig motiviert und für die Schauspieler wäre es nicht nur deshalb furchtbar, nicht zu spielen, denn wenn sie nicht auftreten können, verdienen sie auch kein Geld.
Zur Zeit würde "Wechselspiel der Liebe" laufen, ein Musical nach einem Roman von Rosamunde Pilcher mit Angelika Milster als Star. Was passiert mit der Truppe nach dem Abbruch der Vorstellungen? Bekommt sie noch die Gagen?
Würden sie die restliche Gage von mir verlangen, dann wüssten sie, dass das der Todesstoß für unser Haus wäre. Wir haben uns auf Kurzarbeitergeld geeinigt. Alle haben das akzeptiert.
Aber Ihre Schauspielerinnen und Schauspieler sind doch überwiegend freischaffend.
Bei mir sind sie sozialversichert angemeldet und deshalb ist es hier etwas anders. Das würden wir auch wieder machen, wenn es Probleme mit dem "weißen Mann" gibt. Eigentlich müsste ich allen Mitwirkenden kündigen, aber dabei handelt es sich um eine Rechtslage, in der nicht einmal ein Arbeitsrechtler genau vermitteln kann, welche Schritte richtig sind.
Margit Bönisch, Ihre Vorgängerin, hatte es irgendwann einmal genervt aufgegeben, um für städtische Subventionen im Rathaus oder im Kulturreferat zu antichambrieren. Haben Sie aus aktuellem Anlass Kontakt zu Kulturreferent Anton Biebl?
Oberbürgermeister Dieter Reiter und ich begegnen uns immer wieder und plaudern miteinander. Wir sind nicht per Du, aber begrüßen uns mit "Servus". Als drittgrößtes Sprechtheater in München habe ich mir erlaubt, ihm einen Brief zu schreiben und bin ein bisschen enttäuscht, dass er ihn nur an seinen Referatsleiter weiter gegeben hat. Doch es kam prompt ein sehr freundlicher Brief zurück mit der Antwort, man werde sich darum kümmern und bitte um etwas Geduld.
Können Sie sich Geduld leisten?
Erlauben Sie mir zu sagen, dass die Kammerspiele alle elf Tage eine Million Euro erhalten. Das sind knapp 100 000 Euro am Tag. Würde mir die Stadt nur ein einziges Mal das geben, was sie den Kammerspielen alle elf Tage gibt, dann müsste ich mir keine Sorgen machen. Sie müssen mich gar nicht subventionieren. Es funktioniert ja ganz gut. Aber in diesem Falle bitte ich darum.
Sie sind gut vernetzt mit anderen privaten Theatern im Land. Was hören Sie von dort?
Es ist überall ein Desaster. Die Tendenz ist so wie auch bei uns: Wir können einen Monat überleben, vielleicht auch zwei, und dann müssen wir die Insolvenz anmelden. Ich kann relativ gut überleben, weil uns "Sonny Boys" mit Peter Weck und Friedrich von Thun ein gewisses Polster verschafft hat. Aber auch ein Polster ist schnell aufgebraucht. Mir fehlen im Moment, vorsichtig gerechnet, 15 000 Euro am Tag. Durch das Wegfallen der aktuellen Tournee mit 30 Vorstellungen und des Rosamunde-Pilcher-Musicals in der Komödie habe ich Einbußen von 400 000 Euro. Nach eineinhalb Monaten ist man bei einer Million.