Kultur

"Jung gebliebene Dinosaurier"

Der BR-"schlachthof" feiert Jubiläum: Die 100. Ausgabe der Kabarettsendung


Michael Altinger (links) und Christian Springer bei der "schlachthof"-Beichte.

Michael Altinger (links) und Christian Springer bei der "schlachthof"-Beichte.

Von Thomas Becker

Für die Jubiläumssendung zur 100. Ausgaben holt sich das Gastgeberduo Michael Altinger und Christian Springer prominente Unterstützung ins Haus - drei hochkarätige Gäste, die sich wie in der Sendung üblich nach ihren jeweiligen Solo-Darbietungen zum Kabarett-Talk an der Bar einfinden: Frank Lüdecke gilt als Meister des politischen Scharfblicks, Claudia Pichler wird im Freistaat als "Fachfrau fürs Bairische" gehandelt. Und Abdelkarim, der selbst ernannte "Marokkaner deines Vertrauens", lotet die Tücken aller Hoffnungen auf eine allzu störungsanfällige multikulturelle Gesellschaft aus.

AZ: Herr Springer, Herr Altinger, heute läuft beim BR zum 100. Mal "schlachthof", die Sendung, die Sie beide seit dem 21. März 2013 sozusagen als Nachfolger von Otti Fischer moderieren. Wie ist Ihre Erinnerung an diesen Erstling?

CHRISTIAN SPRINGER: Habe ich keine, aber ich habe nachgeschaut: Mein erstes Solo in unserer gemeinsamen Sendung war über Alexander Dobrindt, weil er damals gegen Schwule gehetzt und sie als schrille Minderheit bezeichnet hat. Ich habe diese Nummer nochmal gelesen und mir gedacht: ‚Herrschaftszeiten, die ist so brutal aktuell! Ich könnte die genauso nochmal spielen!'
MICHAEL ALTINGER: Ich kann mich auch nicht mehr erinnern, was wir gemacht haben, weiß nur noch, dass Martina Schwarzmann und Vince Ebert da waren - und dass der Ottfried in der ersten Sendung war, bei uns in der Nähe saß, um uns mit einem Lächeln auf den Lippen ein bisserl rauszubringen. Das fand ich sehr witzig, hat aber nicht unbedingt zu meiner Beruhigung beigetragen.
Springer: Wenn wir heute über die 100. Sendung reden, ist das natürlich ein Erfolg, der uns wahnsinnig freut. Aber den gäbe es so nicht, wenn wir uns nicht auf ein bereits sehr gut fahrendes Gefährt gesetzt hätten. Michi und ich hatten ja schon eine gemeinsame "Schlachthof"-Tradition vor unserer ersten gemeinsamen Sendung. Meine Historie geht ja zurück bis Mitte der 90er, als ich schon früh als Autor von Ottfried dabei war.

Sie, Herr Altinger, waren von 2012 an gegen Ende hin, als bei Fischer die Parkinson-Erkrankung immer mehr zu schaffen machte, als sein fester Partner dabei.

Altinger: Im letzten Jahr war ich der Sidekick, bin bei der Moderation mit eingesprungen, habe geschaut, dass das Gespräch gut im Gang bleibt. Einerseits, um Ottfried zu unterstützen, andererseits, um mich schon mal einzuführen. Es war schon geplant, dass ich mal den Stab mit übernehmen würde.
Springer: Wir sind vor drei Jahren in eine Zeit geraten, in der uns die Umstände immer wieder gezwungen haben, die Sendung zu ändern. Ich liebe Live-Sendungen, aber zu Corona-Zeiten konnten wir kein Publikum haben, konnten nicht live sein, mussten in einem sehr kalten Raum die Sendung drehen - weil ständig gelüftet werden musste. Das waren Änderungen, die uns nicht gefallen haben, die die Sendung sehr verändert haben. Aber es sind auch Änderungen übrig geblieben, die uns sehr gefallen, zum Beispiel die Zuspieler. Die kommen beim Publikum wahnsinnig gut an.
Altinger: Es ist eine andere Spielspannung. Live ist man natürlich zusätzlich aufgeregt, ob auch alles am Fernseher so rauskommt, wie wir es gerade sagen. Die Idee mit den Zuspielern war aber nicht so verkehrt, weil die Konzentration am absolut oberen Limit war. Jetzt ist es entspannter, was auch Vorteile hat. Wir haben nicht mehr so das Korsett, können auch im Thema mal los plaudern. Das Gespräch am Tisch ist lockerer geworden, es ist ein größeres Miteinander da, wir trauen uns auch dialogisch kommunikativer zu werden.
Springer: Der Nachteil ist, dass wir manchmal mit der aktuellen Brisanz kämpfen - weil wir Montag/Dienstag drehen für die Sendung am Donnerstag. Dieses Problem der zeitlichen Unsicherheit haben ja viele politische Kabarettsendungen, lässt sich aber nicht vermeiden.
Altinger: Da sind wir dann gleich bei unserem größten Trumpf: Thomas Lienenlüke ist seit Ende 2014 dabei, was uns entspannt und die Sendung sehr verbessert? hat. Zunächst hat er "nur" Texte zugeliefert, Anfang 2015 ist er tiefer eingestiegen und arbeitet seither voll für "Schlachthof". Er ist ein Meister darin, die Themen so zu formulieren, dass sie auch noch am Donnerstag aktuell erscheinen.
Springer: Eigentlich sind wir also ein Trio, auch wenn er nicht im Bild ist. Er kann sowohl eine böse Kabarett-Nummer als auch eine Quatsch-Nummer schreiben. Da ticken wir alle gleich. Wir sind da ein jung gebliebener Dinosaurier des Fernseh-Kabarett-Geschäfts. Viele andere Sendungen haben noch einen Rechercheur, einen Dramaturgen und einen Pool an One-Liner-Schreibern - das haben wir alles nicht. Wir arbeiten da sehr altertümlich, aber trotzdem sehr effektiv.
Altinger: Von der Redaktion bekommen wir immer eine Stoffsammlung, in der alle Ereignisse des letzten Monats gebündelt sind, mindestens 65 Seiten lang: Das ist sensationell, ein Zeitdokument. Ich habe die der letzten zehn Jahre gespeichert: ein Fundus, den du jederzeit heranziehen kannst.
Springer: Wenn das Haus der Bayerischen Geschichte mal etwas wissen muss: Wir haben's!

Als neues Duo will man sich ja sicher vom Vorgänger emanzipieren. Wie sind Sie das angegangen?

Springer: Bei der Emanzipation geht's uns ein bissl wie den Frauen: Das ist eine wahnsinnig tolle Idee, muss auch sein, aber es funktioniert nicht gescheit. Denn heute noch sprechen Leute von der Sendung am Freitag - weil das im BR jahrzehntelang der Sendeplatz für Kabarett war. Jetzt kommen wir schon seit Jahren donnerstags nach "Quer", aber die Schublade ist: ‚Ottis Schlachthof ist am Freitag'. Die können wir nicht zerstören, wollen es mittlerweile auch nicht mehr.
Altinger: Wir versuchen auch erst gar nicht, herzuholen, was früher war. Wir sind wir selber und machen das, was wir als wichtig empfinden - und was uns selber Spaß macht. Ich weiß das sehr zu schätzen, weil es auch sehr gewachsen ist.
Springer: Mir sagte mal einer: "Dass ist doch bei euch wie bei ‚Wetten, dass?': Der Otti kommt doch irgendwann wieder zurück."

BR Fernsehen, heute, 21 Uhr