Salzburger Festspiele
Helga Rabl-Stadler über das Hygienekonzept
31. Juli 2020, 15:48 Uhr aktualisiert am 5. August 2020, 18:06 Uhr
Die Präsidentin der Salzburger Festspiele erklärt, wie das Publikum und die Künstler vor dem Virus geschützt werden sollen.
Als eines der wenigen europäischen Musik- und Theaterfestivals finden die Salzburger Festspiele auch in Corona-Zeiten statt. Im AZ-Interview spricht Festspielpräsidentin Helga Rabl-Stadler über ausgeklügelte Sicherheitsmaßnahmen, die ein "Ischgl der Kultur" verhindern sollen.
AZ: Frau Präsidentin, Sie tragen einen Mund-Nasen-Schutz und ein oranges Band um den Hals. Das ist ja sehr kleidsam, aber was bedeutet es?
HELGA Rabl-Stadler: Das bedeutet, dass ich zur orangen Gruppe gehöre. Das sind Personen, die einen Mund-Nasen-Schutz tragen und den Sicherheitsabstand von 2 Metern einhalten können aber in Kontakt zur roten Gruppe, den Künstlern, stehen. Außerdem führt die orange Gruppe ein Gesundheits- und Kontakt-Tagebuch.
Klingt nach unterschiedlichen Fußballmannschaften…
In der Tat haben wir bei der Ausarbeitung unseres 50-seitigen Sicherheitskonzeptes für die diesjährigen Festspiele gewisse Anleihen bei der österreichischen Fußball-Bundesliga genommen, die ja nach dem Corona-Lockdown schon deutlich früher wieder starten durfte.
Und die rote Gruppe?
Das sind alle jene, die weder Mund-Nasen-Schutz tragen, noch den Mindestabstand einhalten können, etwa die Sängerinnen und Sänger auf der Bühne, Choristen und Musiker im Orchestergraben. Sie werden regelmäßig auf Corona getestet und müssen ein Gesundheits- und Kontakttagebuch führen, damit im Krankheitsfall der mögliche Kreis der Infizierten schnell erkannt und isoliert werden kann. Die größte Gruppe bilden aber die "gelben". Sie tragen den Mund-Nasen-Schutz, können den geforderten Abstand einhalten und haben keinen direkten Kontakt zur roten Gruppe, den Künstlern.
Gab es Widerstand gegen diese einschneidenden Maßnahmen?
Die Sehnsucht unserer Künstler, endlich wieder auf einer Bühne zu stehen oder im Orchestergraben Musik zu machen, ist riesig. Deswegen werden die Unbequemlichkeiten gerne in Kauf genommen. Auch Literaturnobelpreisträger Peter Handke, der mit einer Uraufführung im Programm vertreten ist, hat sich klaglos testen lassen.
Gab es eine Infektion unter den Festspielmitarbeitern?
Ja, eine einzige in der gelben Gruppe. Die betroffene Mitarbeiterin, eine Aushilfe im administrativen Bereich, hatte Halsweh. Sie verhielt sich vorbildlich, meldete sich sofort, wurde positiv getestet und begab sich - so wie alle, die in weniger als 2 m Abstand mit ihr zu tun hatten - in Quarantäne. Zum Glück handelte es sich bei ihr um eine leichte Form der Erkrankung.
Hätten Sie im März gedacht, dass sie im Sommer doch Festspiele veranstalten können, wenn auch in verkürzter und stark modifizierter Form?
Ich habe immer daran geglaubt, aber im März sah es sehr düster aus, zuerst mussten die Osterfestspiele, dann auch die Pfingstfestspiele abgesagt werden. Für die Entscheidung über die Sommersaison haben wir uns Zeit genommen und abgewartet, wie sich die Pandemie entwickelt. Das hat sich als klug herausgestellt. Ich hätte mich, wenn wir vorschnell abgesagt hätten, auch für unseren Kleinmut geschämt, wenn man bedenkt, unter welch prekären Umständen die ersten Salzburger Festspiele im Jahr 1920 gegründet wurden, direkt nach dem Ersten Weltkrieg. Und wie schwierig der Neubeginn 1945 war.
Wie groß ist das Risiko, dass es bei den Festspielen zu einem Corona-Ausbruch kommt, einer Art "Ischgl der Kultur"?
Wir tun alles dafür, dass es nicht dazu kommt und gehen dabei deutlich über die gesetzlichen Vorgaben hinaus.
Was bedeutet das konkret für das Publikum?
Es gibt generell nur Aufführungen ohne Pause. Außerdem bleiben die Buffets geschlossen. Das Gedränge dort wäre nicht zu kontrollieren. Der gesellschaftliche Teil ist natürlich wichtig bei den Festspielen, aber das gewohnte Glas Sekt wird es heuer nicht geben.
Auch nicht vor dem Festspielhaus auf der Straße?
Das liegt nicht in unserer Verantwortung, dafür ist die Stadt Salzburg zuständig.
Wie viele Zuschauer dürfen maximal in einer Festspielveranstaltung sitzen?
Ab August, wenn wir zu spielen beginnen, maximal tausend Zuschauer pro Vorstellung in geschlossenen Räumen. Für den "Jedermann" wird es auf dem Domplatz bei Schönwetter 1180 Plätze geben, im Großen Festspielhaus 1000 statt, wie üblich, 2400. Unsere Gäste werden im Schachbrettmuster - von Spielstätte zu Spielstätte ein wenig unterschiedlich - platziert, die Sitze neben, vor und hinter einem bleiben frei. Zudem sind alle Eintrittskarten personalisiert. Bei der Kontrolle am Eingang muss ein Personalausweis gezeigt werden. Und es gibt eine aktive Personenführung, damit sich niemand ins Gehege kommt. Die generelle Maskenpflicht muss ich eigentlich nicht erwähnen. Bei Beginn der Vorstellung kann man sie abnehmen. Ich selbst werde meinen Mund-Nasen-Schutz aber auch während der Vorstellungen tragen.
Fieber gemessen wird nicht?
Wir haben zwar noch einige Maßnahmen in petto, aber das Fiebermessen ist darin nicht enthalten, es wäre bei hohen Temperaturen zu fehleranfällig.
Wie wirken sich die Sicherheitsmaßnahmen auf das künstlerische Programm aus?
Ich hoffe, dass man es gar nicht merken wird.
Wissenschaftliche Untersuchungen haben ergeben, dass Chöre eine besondere Infektionsgefahr darstellen.
Daher werden sie bei uns auch unter besonderen Sicherheitsvorkehrungen proben und auftreten. Sie proben nicht wie üblich in kleinen Chorprobesälen, sondern in den großen Häusern. In Strauss' "Elektra" und Mozarts "Cosí" singen die Chöre aus dem Off.
Und bei Beethovens 9. Symphonie unter Riccardo Muti? Da kann man den Chor wohl kaum in einem anderen Raum die "Ode an die Freude" anstimmen lassen.
Selbstverständlich ist der Chor auf der Bühne, allerdings in einem 2 Meter Abstand vom Orchester.
Bei den Festspielen wird am Ende jeder Vorstellung immer heftig gejubelt und applaudiert. In diesem Jahr vielleicht noch enthemmter, weil die Leute vom Kulturgenuss gewissermaßen entwöhnt sind. Birgt das nicht eine besondere Infektionsgefahr?
Wir werden in einer Ansage vor jeder Vorstellung diesmal auch dazu etwas sagen.
Wofür es noch Karten gibt und was übertragen wird
Für zahlreiche Vorstellungen der Salzburger Festspiele gibt es in diesem Jahr noch Restkarten. Ausverkauft sind mit gestrigem Stand einige "Jedermann"-Vorstellungen und einzelne Konzerte wie Beethovens Neunte unter Riccardo Muti. "Auch für ausverkaufte Vorstellungen werden immer wieder mal Karten retourniert, es lohnt sich also ein steter Blick auf die Website", teilen die Festspiele dazu mit.
Der ORF schätzte vor einer Woche, dass noch 10 000 Karten unverkauft seien. Die Festspiele wollten dies auf Anfrage nicht kommentieren. "Durch den Neuverkauf der Karten aufgrund des modifizierten Programms haben dieses Jahr auch Neukunden und sehr spät Entschlossene oder jene, die sich kurzfristig entscheiden wollen, die Möglichkeit, an Festspielkarten zu kommen", so ein Sprecher. Er verwies zugleich auf das Angebot von Jugendkarten und Schönwetter-Tickets beim "Jedermann".
Den gibt es dieses Jahr auch im Fernsehen. Gleich am ersten Festivaltag, dem heutigen Samstag, überträgt das BR Fernsehen Hofmannsthals "Jedermann" zeitversetzt ab 21.15 Uhr vom Domplatz. Als Einstimmung gibt es um 20.15 Uhr die Doku "Salzburg - Gesamtkunstwerk im Herzen Europas", im Anschluss folgt die Spiel-Doku "Das große Welttheater - Salzburg und seine Festspiele".
Der "Jedermann" wird ab 21 Uhr live in viele Kinos übertragen, und zwar als Double-Feature zusammen mit der Oper "Elektra" von Richard Strauss, deren Premiere in der Felsenreitschule um 17 Uhr beginnt. Franz Welser-Möst dirigiert die Wiener Philharmoniker, Krzysztof Warlikowski inszeniert. In München beteiligen sich City, Mathäser, das Neue Rex, die Gröben-Lichtspiele und die Filmstation Gilching.
BR-Klassik überträgt "Elektra" im Hörfunk, ebenso am Sonntag ab 19.30 Uhr Mozarts "Così fan tutte". Joana Mallwitz, der Generalmusikdirektorin des Staatstheaters Nürnberg, dirigiert.
Infos zu Karten unter www.salzburgfestival.at