AZ-Filmkritik
"Glück ist was für Weicheier": Schwimm' dich im Leben frei
7. Februar 2019, 11:07 Uhr aktualisiert am 7. Februar 2019, 11:07 Uhr
Erfrischende Tragikomik aus der Perspektive einer 12-Jährigen: "Glück ist was für Weicheier".
Klopft der Tod an, ist für die meisten der Moment gekommen, wo sie den Humor verlieren. Die in Rumänien geborene Filmemacherin Lazarescu entzieht sich in "Glück ist was für Weicheier" diesem Muster. Wobei Humor durchaus eine Frage der Auslegung ist. Denn die kleine Außenseiterin Jessica (Ella Frey) hat eigentlich von morgens bis abends zu kämpfen. In der Schule prügelt sie sich, wird ausgelacht und von verständnislosen Lehrern gerügt. Zu Hause soll sie Kampfsporttechniken üben, damit sie in der Welt draußen nicht völlig untergeht. In der Welt drinnen kümmert sie sich um ihre todkranke Schwester Sabrina (Emilia Bernsdorf).
Bei solchen Konstellationen schenkt ein Film seiner Protagonistin normalerweise irgendwo eine Oase. Fehlanzeige bei Jessica - das Drehbuch von Silvia Wolkan kennt keine Gnade. Das überforderte Mädchen hat also allen Grund für seine zahlreichen Ticks. Sie zieht immer wieder ihre Socken hoch, und sie zählt alles, was man zählen kann. Heraus kommen gute oder schlechte Zahlen. Bei den schlechten wird es gefährlich.
Der Vater Stefan (Martin Wuttke) ist keine Hilfe. Er leidet darunter, Witwer zu sein, setzt die Kopfhörer auf und will nichts von der Welt hören. Also entwickelt Jessica selbständig und vehement einen Plan zur Rettung der Schwester: Sabrina muss mit einem Jungen schlafen, damit die Krankheit, so besagt es ein altes Buch, auf ihn überspringt.
Der Tod bleibt im Film allgegenwärtig
Wie für Jessica mit ihren vielen Ticks ist auch für den Film alles bedeutungsschwanger, ob nachts ein Marder durch den Garten-Pool turnt oder ein Hirsch theatralisch verendet. Angesichts der Arbeitsweise des zurategezogenen Kinder-Psychologen (Christian Friedel) darf man fragen, ob das, was er seiner Patientin erzählt, ironisch gemeint ist. Oder fällt das auch unter Humor?
So sehr sich der Film in Nebensächlichkeiten verstrickt: der Tod bleibt allgegenwärtig. Der apathische Vater, der neben seiner Tätigkeit als Bademeister als Sterbebegleiter aktiv ist, erhält nach und nach einen eigenen Erzählstrang, der jedoch ins Leere läuft. So bleibt der Kamera nur, sich an dem vor Details strotzenden Set zu ergötzen oder lange auf Ella Freys Gesicht zu ruhen.
Die Geschichte wird zunehmend versponnener, steuert wirr auf eine - allerdings gelungene - Schlusszene zu. Die wunderbare Ella Frey harmoniert toll mit Martin Wuttke. Auch der Theatermann steht, das allerdings seit 30 Jahren, meist für seine Wunschregisseure auf der Bühne. Die darstellerische Kraft der beiden Hauptdarsteller steht im Gegensatz zu Drehbuch und Inszenierung. Man darf sich zumindest wundern, dass der Film von Anca Miruna Lazarescu als Eröffnungsfilm der Hofer Filmtage ausgewählt wurde.
Kino: Monopol, Isabella, Regie: Anca Maria Lazarescu (D, 95 Min.)