Literaturnobelpreis für Peter Handke

Die Klopapierfrage


Peter Handke auf dem Weg zur Pressekonferenz.

Peter Handke auf dem Weg zur Pressekonferenz.

Von Robert Braunmüller / TV/Medien

Peter Handke stellt sich vor der Übergabe des Literaturnobelpreises der Presse. Er teilt aus, als er immer wieder zu seinen Positionen zum Jugoslawien-Konflikt befragt wird.

Mit gereizten Worten und einer Breitseite gegen Journalisten hat der diesjährige Literaturnobelpreisträger Peter Handke seinen ersten offiziellen Nobelauftritt in Stockholm hinter sich gebracht. Er ziehe das mit einer Kalligraphie von Fakälien verzierte Klopapier, das ihm jemand anonym geschickt habe, den "leeren Fragen" von Journalisten vor, sagte der österreichische Schriftsteller am Freitag auf einer Pressekonferenz in der Schwedischen Akademie. "Ich schreibe nicht mit Meinungen. Ich habe niemals eine Meinung gehabt, ich hasse Meinungen", sagte er auf die Frage, ob er seine Ansichten zum Jugoslawien-Konflikt geändert habe. Er möge Literatur, nicht Meinungen.

Handke, der am Freitag 77 Jahre alt wurde, hatte sich in dem Konflikt stark mit Serbien solidarisiert und nach Ansicht von Kritikern die von Serben begangenen Kriegsverbrechen bagatellisiert oder geleugnet. 2006 hielt er bei der Beerdigung des sechs Jahre zuvor gestürzten serbischen Führers Slobodan Milosevic eine Rede. Die Vergabe des Literaturnobelpreises an ihn löste international eine Debatte aus.

Auf der Pressekonferenz in der Stockholmer Altstadt erhielt Handke zunächst ein kleines Geburtstagsständchen, ehe er die erste Frage zu der hitzigen Debatte um ihn noch ruhig und beherrscht beantwortete. Es handele sich um eine lange Geschichte, die er an dieser Stelle nicht noch einmal erzählen oder beantworten wolle, sagte er. "Ich denke, das ist nicht der richtige Augenblick dafür."

Als sich die Fragen zum Jugoslawien-Konflikt aber häuften, reagierte der Preisträger zunehmend gereizt. Eine Frage eines Reporters von "The Intercept" brachte das Fass schließlich zum Überlaufen: Der Journalist Peter Maass wollte von Handke wissen, warum er in seinen Büchern nicht über Fakten zum Völkermord im Balkankrieg schreibe, über die sich die internationale Gemeinschaft einig sei. Darauf las Handke aus einem Brief vor, den ihm laut eigenen Angaben ein Kulturjournalist der "New York Times" geschickt hatte.

"Meine Leute sind die Leser. Nicht Sie."

"In den vergangenen acht oder neun Wochen habe ich viele wunderbare Briefe bekommen, die vom Herzen der Leser kamen. Nur einer war ein anonymer Brief, der nicht von Herzen kam. Darin war Toilettenpapier mit einer Art Kalligraphie von Scheiße", sagte Handke. "Und ich sage Ihnen: Ich bevorzuge Toilettenpapier, anonyme Briefe mit Toilettenpapier im Inneren, gegenüber Ihren leeren Fragen." Und weiter: "Meine Leute sind die Leser. Nicht Sie."

Die Schwedische Akademie hatte nach ihrem Skandaljahr 2018 im Oktober diesmal gleich zwei Literaturnobelpreisträger verkündet: Die Polin Olga Tokarczuk erhält den Preis für das Jahr 2018, Handke für 2019. Tokarczuks Auszeichnung wurde allgemein gelobt, um Handke dagegen wurde heiß debattiert.

Am Freitag führte die Kontroverse gar dazu, dass ein langjähriges namhaftes Mitglied der Schwedischen Akademie, Peter Englund, erklärte, die Nobelwoche aus Protest gegen die Auswahl von Handke zu boykottieren. "Peter Handkes Nobelpreis zu feiern, wäre von meiner Seite grobe Heuchlerei. Das ist alles, was ich dazu zu sagen habe", teilte er der schwedischen Zeitung "Dagens Nyheter" mit.

Guter Rat gesucht

Tokarczuk äußerte sich auf ihrer Pressekonferenz nicht zur Kontroverse um Handke. Stattdessen richtete sie den Blick auf starke weibliche Stimmen innerhalb der Literatur. "Ich bin stolz, die 15. Frau zu sein, die den Nobelpreis erhält, 110 Jahre nach der ersten Frau Selma Lagerlöf" sagte sie. "Ich bin davon überzeugt, dass ich ihn nicht bekomme, weil ich eine Frau bin, sondern weil ich Bücher schreibe." Sie gehe fest davon aus, dass es in Zukunft mehr weibliche Preisträgerinnen geben werde.

Am Samstag stehen nun die Vorlesungen der Preisträger in der Akademie an, am Dienstag folgt die feierliche Nobelpreisverleihung. Zur Preisvergabe sind Proteste gegen Handke in Stockholm geplant - ein Fakt, der den Schriftsteller offenbar ratlos zurücklässt. Er habe bereits bei einer Preisvergabe in Oslo vor vier oder fünf Jahren versucht, mit Demonstranten zu sprechen, erzählte er. "Es gab eine Menge 'Faschist, Faschist'-Rufe. Ich bin angehalten, wollte mit diesen Damen und Herren sprechen. Aber sie wollten nicht." Wenn jemand einen Rat habe, wie er den jetzigen Protesten begegnen solle, dann nehme er diesen gerne an.

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