"Alita: Battle Angel"

Christoph Waltz: "Man kann sich immer ändern"


"Alita: Battle Angel" mit Christoph Waltz als Wissenschaftler Dr. Dyson Ido

"Alita: Battle Angel" mit Christoph Waltz als Wissenschaftler Dr. Dyson Ido

Von Anne Hund / Stadtviertel

Im Science-Fiction-Film "Alita: Battle Angel" spielt Oscar-Preisträger Christoph Waltz eine Art modernen Frankenstein, der sich rührend um seine Schöpfung kümmert. Die AZ hat ihn im Berliner Hotel Adlon getroffen. Lesen Sie hier das AZ-Interview.

AZ: Herr Waltz, was hat Sie gereizt, bei diesem Film mitzumachen?
CHRISTOPH WALTZ: Der Film wird auf eine klassische, vielleicht sogar altmodische Art erzählt. Ich meine das im besten Sinne des Wortes. Denn "Alita: Battle Angel" ist eine runde Geschichte, die allerdings auf tausenderlei Art gesehen werden kann. Und sie hält in jeder Beziehung: Sie hält als Spektakel, als Liebesgesichte, als moderne Cyborg-Parabel und sogar als gesellschaftskritischer Kommentar.

Der Frankenstein-Aspekt des Films ist erschreckend aktuell: Vor kurzem hat in China ein Wissenschaftler Zwillinge gentechnisch verändert.

Erstens möchte ich wissen, ob es stimmt. Dann aber: Warum geht dieser Wissenschaftler damit an die Öffentlichkeit? Will er nur berühmt werden? Will er damit Kapital schinden? Versucht er, die wissenschaftlichen Parameter zu verändern? Und warum würde ein Mensch so etwas überhaupt machen? Nicht umsonst haben an die 200 Wissenschaftler sofort empört darauf reagiert. Es ist natürlich auch eine Frage der Ethik.

Muss man eigentlich alles machen, was man machen kann?
Wir bedienen doch den ganzen Tag Gerätschaften, die nicht deswegen erfunden wurden, weil wir sie brauchen, sondern weil man es kann. Das gilt übrigens auch für andere Bereiche. Viel von dem Zeug, das im Kino läuft, wird nicht deswegen gemacht, weil es ein Bedürfnis danach gibt, sondern weil man damit viel Kohle machen kann.

Vielleicht steckt da auch der Plan dahinter, die Leute zu permanentem Konsum zu verführen und zu entmündigen. Früher hat man gegen die Volkszählung demonstriert, heute offenbart man sein Privatleben freiwillig auf Facebook & Co.
Kurz nachdem Mark Zuckerberg Facebook erfunden hatte, sagte er zu einem Freund: "Die geben mir tatsächlich alle ihre Daten umsonst - diese Vollidioten!" Er hat die Leute eingelullt und Facebook schöngeredet. Drei Milliarden User sind darauf reingefallen. Wie naiv! Da steckt ein bösartiger Plan dahinter.

Im Film sind Sie für das junge Mädchen Alita eine Art Vaterfigur. Was haben Sie Ihren Kindern mitgegeben?
Höflichkeit. Und Tischmanieren sind wichtig. Wenn man sieht, wie die Leute fressen… Aber man kann den Kindern kaum einen Vorwurf machen. Die Eltern tragen die Schuld.

Was ist Ihnen bei der Erziehung sonst noch wichtig?
Schauen wir uns die MeToo-Bewegung an. Da tritt die Empörung über die herrschenden Geschlechter-Verhältnisse zu Tage, die größtenteils berechtigt ist. Auch die Moralkeule, mit der dann wuchtig zugeschlagen wird. Nur eigentlich ist es doch gar nicht so kompliziert: Denn die alte Kant'sche Regel "Tue dem anderen nicht an, was du nicht willst, das er dir antut" ist doch nicht schwer zu begreifen. Warum wird Kindern diese einfach zu verstehende Grundregel nicht beigebracht? Das verstehe ich nicht.

Haben Sie Ihren Kindern auch Kultur nahegebracht?
Jeder, der Kinder hat, weiß, dass man Kinder zu allem Möglichen anhalten kann - aber dass es meist doch nichts nützt. Sie können aber versuchen, Kindern ein Beispiel zu geben. Man kann auch versuchen, ihre Neugier für Kunst zu wecken. Das kann man. Aber es kann auch danebengehen.

Vor zehn Jahren hat Ihnen die Rolle in Quentin Tarantinos Film "Inglourious Basterds" den internationalen Durchbruch beschert. Das war eine große Veränderung. Aber kann man sich ab einem gewissen Alter noch ändern? Bob Dylan hat gesagt, mit 21 ist man für sein Gesicht verantwortlich.
Und Bertolt Brecht meinte, mit 40. Ja, man kann sich immer verändern. Und zwar grundsätzlich. Ich habe im Laufe der Jahre viele meiner Lebensgewohnheiten verändert. Ich will Ihnen ein Beispiel geben, das gottlob nicht auf mich zutrifft: Ich habe sehr oft gehört, dass Menschen krankheitsbedingt ihren Lebenswandel ändern mussten. Und es ist allen, mit denen ich gesprochen habe, gelungen. Keiner von ihnen war jung. Also kann man sich auch im Alter sehr wohl noch ändern. Das ist eine Frage der Einsicht, Notwendigkeit und der Disziplin.

Sie können auf eine gut 40-jährige Karriere zurückblicken, mit vielen Höhen und Tiefen. Gab es Konstanten?
Die Familie war und ist natürlich wichtig. Aber im Grunde genommen war das alles wenig dramatisch: Ich wollte immer weitermachen! Ich würde jetzt nicht sagen, dass die eigene Befindlichkeit unwichtig ist. Aber wenn die eigene Befindlichkeit beginnt, alles zu bestimmen, dann hat man ein Problem. Auch wenn man sich gerade schlecht fühlt: Man kann trotzdem immer weitermachen.

Aber zum Weitermachen braucht man Kraft. Und vielleicht ein, zwei Gründe, die einen motivieren. Besprechen Sie das mit Ihrer Frau, Ihren Freunden, oder machen Sie das ganz allein mit sich aus?
Eher alleine. Nach dem Motto: Kein Theater machen! Ich finde jedenfalls, das wehleidige Ausloten der eigenen Befindlichkeit ist einem Zeitgeist geschuldet, der auch schon verweht ist. Okay, ich war auch schon mal wehleidig, aber ich habe das innerhalb von ein paar Minuten überwunden.

Spenden Ihnen in Krisen Literatur, Philosophie, Musik oder Film Trost?
Absolut. Die Beschäftigung damit ist ja eine Art des Weitermachens. Aber dieses "Ich greife zu Montaigne, und im Kapitel 23 seiner Essais finde ich dann den Hinweis, der mich weiterbringt" - das ist Quatsch.

Welches Buch haben Sie am häufigsten gelesen?
Ich überlege… Ich habe relativ häufig Musils "Der Mann ohne Eigenschaften" gelesen, weil ich nie weiter als Seite 300 gekommen bin.

Sind Sie religiös?
Nein.

Sie haben eine sehr starke Leinwandpräsenz, die manchmal an Klaus Kinski erinnert.
Da treten Sie mir zu nahe! Ich konnte ihn ums Verrecken nicht ausstehen. Es kommt noch dazu, dass Herr Kinski ein diagnostizierter Schizophrener war, der nur dann funktionierte, wenn er seine Medikamente genommen hat. Die Ausraster waren bei ihm pathologisch. Da war kein genialer Funke.

John Malkovich hat über Hollywood-Schauspieler gesagt: "Das ist ein Haufen Millionäre, die vor der Kamera so tun, als ob sie leiden."
Wenn er selber nicht dazugehört, ist's ja halb so schlimm.

Kino: Gabriel Filmtheater, Kinos Münchner Freiheit, Gloria Palast, Royal Filmpalast, CinemaxX (auch 3D), Mathäser Filmpalast (auch 3D und OV), Museum-Lichtspiele, Cinema (3D und OV); R: Robert Rodriguez (USA, 122 Min.)

Die AZ-Kurzkritik: "Alita: Battle Angel"

Große Augen, actionreiche Kampfkünste und eine Welt, die dystopisch und bildgewaltig zugleich ist: Das sind die Zutaten des erfolgreichen japanischen Mangas "Battle Angel Alita". Unter dem Titel "Alita: Battle Angel" kommt nun die Realverfilmung der düsteren Zukunftsversion von Comiczeichner Yukito Kishiro in die Kinos - als starbesetzte CGI-Schlacht, die zwar ein Feuerwerk an Effekten zündet, aber dennoch einen zwiespältigen Eindruck hinterlässt. Trotz großer Namen hinter der Kamera: "Avatar"-Macher James Cameron produzierte den Film, Robert Rodriguez ("Sin City") führte Regie.

Rodriguez macht aus Alita eine ganz eigene Mischung aus Kampf-Cyborg und junger Frau mit dem Herz am rechten Fleck. Durchweg beeindruckend sind die Bilder, die er am Computer erschaffen ließ. Man kann sich kaum satt sehen an dieser faszinierenden Welt: Dass "Avatar"-Macher Cameron für die Produktion verantwortlich war, spürt man.

Umso enttäuschender ist, dass die Story, die der Film erzählt, mit den großartigen Bildern nicht mithalten kann. Die Figurenzeichnung ist dünn, woran auch tolle Darsteller (neben Waltz und Rosa Salazar unter anderem Jennifer Connelly und Oscar-Preisträger Mahershala Ali) nichts ändern können. Bisweilen drückt der Film arg auf die Gefühlstube, sodass "Alita: Battle Angel" immer wieder ins Kitschige abdriftet. Echte Emotionen kommen dabei kaum auf. Die großen Augen von Cyborg Alita sind weniger Spiegel der Seele, als eben doch vor allem Computerspielerei.