Bayerische Staatsoper
Abschied von Edita Gruberova
28. März 2019, 16:44 Uhr aktualisiert am 28. März 2019, 17:53 Uhr
Edita Gruberova steht nach 49 Jahren letztmals auf der Opernbühne - vor Münchner Publikum, das sie so liebt. Man fragt sich, wer hier von wem Abschied nimmt
Natürlich hat sie - mit der Bühnenerfahrung von 49 Jahren - Recht behalten: Von allen Rollen, die ihr die Oper bietet, gibt es zum Abschied nur eine richtige. Also steht Edita Gruberova (72) nun als verzweifelte Elisabetta, Königin von England, mutterseelenallein und traurig vorn an der Rampe.
Gaetano Donizettis "Roberto Devereux" ist tot und verklungen. Langsam zieht die Queen die kupferfarbene Perücke vom ergrauten Haupt, das eben noch die Krone getragen hat, und erklärt ihren Verzicht auf den Thron, aufs Weiterleben gar: "Non regno! Non vivo!"
Ein historischer Moment
Dann ist es aus. Um 21.43 Uhr senkt sich der Vorhang, zeitgleich erhebt sich das Publikum.
Wo, wenn nicht in München hätte die Gruberova ihren Rückzug von der Opernbühne besser inszenieren können? Es mag größere Häuser geben, aber wohl keines, in dem das Publikum, über Jahrzehnte mit der Diva ge- und verwachsen, sie so verehrt. Als die Regie Rosenblätter auf die Scheidende regnen lässt, werden im schützenden Dunkel des Parketts viele Augen feucht.
Nikolaus Bachler, mächtiger Intendant des Nationaltheaters und keiner, der sich im Rampenlicht geniert, kommt auf die Bühne und spürt gleich, dass er jetzt und hier, neben der gefeierten Slowakin, nur dankbarer Nebendarsteller sein darf. 308 Auftritte in 45 Jahren habe Edita Gruberova auf dieser Münchner Bühne absolviert, sagt Bachler: "Es gibt in der Oper unzählige große Momente, aber nur wenige historische - so einen erleben wir heute." Vor 45 Jahren habe die Gruberova "dieses Haus zu ihrer künstlerischen Heimstätte gewählt", so nennt es Bachler: "Ein großes Glück für dieses Haus und diese Stadt!"
Ganz Profi
Die Münchner sehen das offenbar genauso. Auf den Rängen entrollen Edita-Fans Transparente über den Balkonen. Bunt bemalte Bettlaken, wie man sie sonst in Fußballstadien sieht, schicken der Angebeteten finale Grüße, teils gar in deren Muttersprache: "Pre vzdycky!" - für immer also soll die Verehrung gelten. Wie im Popkonzert werden Handys gezückt, die einen Moment festhalten sollen, der doch kurz darauf schon Geschichte ist.
Wer das unentwegte Klatschen und Trampeln verfolgt, wer die vielen Blumen auf die Bühne fliegen sieht und dort die offenbar sehr gefasste Sopranistin, fragt sich: Wer nimmt hier eigentlich Abschied von wem? Ist womöglich der Schmerz im Zuschauerraum größer als der auf der Bühne?
Edita Gruberova, die als Elisabetta gerade noch so verzweifelt geschluchzt hat, gibt auf diese Frage keine Antwort. Ganz Profi, der sie stets war und im Moment des Abschieds bleibt, bedankt sie sich artig beim Orchester, "das mich seit 45 Jahren auf Händen getragen hat".
"Ich spüre Nostalgie und tiefe Dankbarkeit", sagt sie mit fester Stimme und diesem winzigen Akzent, der so gut zu einer großen Operndiva passt: "Zeit ist gekommen, Zeit ist ein sonderbar Ding." Und: "Es ist, als würde man eine große Familie verlassen. Es war wunderbar - und es war genug."
Die Einzigartige
Für das Publikum noch nicht. Es klatscht in einem fort. Aufzug um Aufzug zieht Gruberova ihre Kollegen vor den Vorhang, an ihren Händen die brillante Silvia Tro Santafé (Sara) und der fulminante Charles Castronovo (Roberto Devereux). Sängern wie ihnen gehört die Zukunft; der Applaus an diesem Abend gehört allein einer Operngröße, die nun Vergangenheit ist.
"Edita Gruberova ist die Primadonna assoluta, die Einzigartige, die große Diva", sagt Intendent Bachler. Als Königin der Nacht in Mozarts "Zauberflöte" hat sie 1974 in München an der Staatsoper debütiert. Zur Königin der Koloratur hat man sie später gekürt. Und nun schenkt ihr Bachler, ganz folgerichtig, zum Abschied die die Bühnenkrone der Elisabetta, zu deren Ehren das Orchester vor drei Stunden in Donizettis Ouvertüre "God Save the Queen" gespielt hat.
Die Gruberova setzt diese Krone nicht mehr auf. Klamauk ist jetzt fehl am Platze, so gut kennt sie ihr Publikum. Mit beiden Zeigefingern streicht sie über ihre Wangen. Sie deutet die Tränen an, die ihr gerade in Wirklichkeit nicht kommen mögen.
Bis 22.32 Uhr rauscht der Applaus der letzten Unentwegten durch die Staatsoper. Edita Gruberova verneigt sich ein letztes Mal.
Dann verlässt sie die Bühne.
Edita Gruberova gibt am 9. April im Herkulessaal einen Liederabend mit Werken von Richard Strauss und Opernarien. Karten unter Telefon 93 60 93