Metall- und Elektroindustrie
Tarifabschluss in Baden-Württemberg
6. Februar 2018, 6:59 Uhr aktualisiert am 6. Februar 2018, 6:59 Uhr
Die langen Tarifverhandlungen für die Metall- und Elektroindustrie haben endlich ein Ende: Wie die IG Metall Baden-Württemberg und der Arbeitgeberverband Südwestmetall in der Nacht auf Dienstag mitteilten, wurde eine Einigung erzielt.
Nach einem erneuten Verhandlungsmarathon von 13 Stunden haben sich die Tarifparteien der Metall- und Elektrobranche in Baden-Württemberg am frühen Dienstagmorgen auf einen Abschluss verständigt. Das zähe Ringen bis zur sechsten Verhandlungsrunde hatte seinen Grund: Angesichts der zahlreichen geforderten Neuerungen mussten die Vertreter des Arbeitgeberverbandes Südwestmetall und der IG Metall Baden-Württemberg an vielen Stellschrauben drehen, um schließlich jeweils mit Kompromissen leben zu können.
Eine Laufzeit von 27 Monaten, 4,3 Prozent mehr Geld, dazu jährliche Einmalzahlungen - das ist nur ein Teil des nun vorliegenden Pilotabschlusses. Die Beschäftigten in der Metall- und Elektroindustrie können darüber hinaus künftig für bis zu zwei Jahre ihre Wochenarbeitszeit auf 28 Stunden absenken. Im Gegenzug dürfen Betriebe dann mit mehr Beschäftigten als bisher 40-Stunden-Verträge abschließen. Dies sind die wesentlichen Punkte der Vereinbarung; darüber hinaus wurde über zahlreiche zusätzliche, weniger kostspielige Änderungen verhandelt und entschieden.
Die Vier vor dem Komma schmerze, sagte Südwestmetall-Chef Stefan Wolf im Anschluss an die Verhandlungen. Immerhin habe man aber mit der langen Laufzeit von 27 Monaten für Planungssicherheit gesorgt. "Ich glaube, das neue Tarifsystem ist vernünftig ausbalanciert." Allerdings werde nicht nur die Höhe des Abschlusses, sondern auch seine Komplexität für viele Betriebe schwer zu tragen sein.
Wie der Tarifabschluss sich in der Praxis bewährt, wollen die Tarifparteien in zwei Jahren evaluieren, weil bisher nicht klar ist, wie viele Beschäftigte beispielsweise eine reduzierte Arbeitszeit von 28 Stunden oder Verträge über 40 Wochenstunden in Anspruch nehmen.
Wie sieht es in Bayern aus?
Die Verhandlungen der Bayerischen Metall- und Elektroindustrie zur Übernahme dieses Tarifabschlusses finden am Donnerstag in München statt. Die Einigung in Baden-Württemberg gilt als Pilotabschluss für die deutschlandweit rund 3,9 Millionen Beschäftigten der Metall- und Elektroindustrie. In der Regel übernehmen die übrigen sechs Tarifbezirke den Abschluss des Pilotbezirks. Es ist also zu erwarten, dass ab Donnerstag auch in Bayern dieser Abschluss akzeptiert wird.
Jürgen Wechsler, Bezirksleiter der IG Metall in Bayern gibt sich zufrieden und sagt zum Tarifabschluss in Baden-Württemberg: "Die IG Metall hat heute einen Durchbruch für eine moderne Arbeitszeitkultur geschafft. Die Beschäftigten können nun über ihre Arbeitszeiten selbst mitbestimmen. Alle Beschäftigten haben künftig einen Rechtsanspruch auf eine zeitweise Arbeitszeitreduzierung mit Rückkehrrecht. Und es wird zusätzliche freie Tage geben für Beschäftigte, die ihre Arbeitszeit verkürzen, um Kinder zu erziehen und Angehörige zu pflegen sowie für Schichtarbeiter. Die IG Metall hat in diesem Punkt den massiven Widerstand der Arbeitgeber gebrochen." Für ihn waren die Warnstreiks ein aussschlaggebender Faktor für das Einlenken der Arbeitgeber.
Beschäftigte erhalten diverse Vergütungen
"Wir haben um jedes Detail hart gerungen", bilanzierte auch IG-Metall-Verhandlungsführer Roman Zitzelsberger. Die Gewerkschaft hat durchgesetzt, dass die Beschäftigten zusätzlich zur Entgelt-Erhöhung von 4,3 Prozent ab April 2018 für die Monate Januar bis März 2018 eine Einmalzahlung von 100 Euro erhalten. Außerdem gibt es von 2019 an jährlich ein neues tarifliches Zusatzgeld von 27,5 Prozent eines Monatseinkommens sowie einen Festbetrag von 400 Euro. Letzterer, das haben die Arbeitgeber durchgesetzt, kann in wirtschaftlich schweren Zeiten gesenkt oder gestrichen werden.
Einigung wurde auch im hart umkämpften Bereich der Arbeitszeit erzielt, mit dem Ergebnis, dass beide Parteien diesen Faktor künftig flexibler handhaben können. So können Arbeitnehmer ab 2019 ihre Wochenarbeitszeit für bis zu zwei Jahre auf 28 Wochenstunden reduzieren und diese reduzierte Arbeitszeit auch erneut beantragen. In einem vergleichbaren Umfang dürfen die Arbeitgeber hingegen mit den Beschäftigten Verträge über 40 Wochenstunden abschließen, was laut Südwestmetall etliche Mitarbeiter wollen, um mehr Geld zu verdienen.
Auch ein besonders strittiger Punkt wurde schließlich geklärt: Die Forderung der IG Metall, dass bestimmte Gruppen wie Schichtarbeiter, pflegende Angehörige oder Eltern junger Kinder im Falle solch einer Arbeitszeitreduzierung einen Zuschuss für entgangenen Lohn erhalten sollen. Sie können nun statt dem für alle vereinbarten tariflichen Zusatzgeld von 27,5 Prozent eines Monatsgehalts acht freie Tage wählen.
Das steht im Vertrag
Gehälter:
- Die Löhne, Gehälter und Ausbildungsvergütungen steigen im April 2018 um 4,3 Prozent.
- Für Januar bis März 2018 gibt es 100 Euro Einmalzahlung, Azubis erhalten 70 Euro.
- Der Festbetrag von 400 Euro wird spätestens im Juli 2019 fällig, Auszubildende erhalten 200 Euro. Ab 2020 wird der Festbetrag tabellenwirksam und fließt in das Volumen des tariflichen Zusatzgelds ein. Davon profitieren insbesondere untere Entgeltgruppen.
Verkürzte Vollzeit:
- Der Anspruch gilt ab 2019 für alle Vollzeit-Beschäftigten (mindestens 2 Jahre Betriebszugehörigkeit). Sie können ihre Arbeitszeit für mindestens 6 und maximal 24 Monate auf bis zu 28 Wochenstunden absenken. Eine Wiederholung ist möglich.
- Für den Ausgleich der wegfallenden Arbeitszeit wurden entsprechende Flexibilisierungsinstrumente vereinbart. Solange 10 Prozent der Beschäftigten in verkürzter Vollzeit sind, muss der Arbeitgeber keine weiteren Anträge genehmigen.
Tarifliches Zusatzgeld/tarifliche Freistellungstage:
- Das tarifliche Zusatzgeld von 27,5 Prozent eines Monatsentgelts bekommen alle Beschäftigten, es wird mit dem Festbetrag von 400 Euro erstmals im Juli 2019 ausbezahlt.
- Beschäftigte mit Kindern bis 8 Jahren, zu pflegenden Angehörigen und in belastenden Arbeitszeitsystemen wie Schichtarbeit können sich erstmals für 2019 alternativ für 8 tarifliche Freistellungstage statt des Zusatzgelds entscheiden. 2 dieser 8 freien Tage finanziert der Arbeitgeber zusätzlich.
- Anspruchsberechtigte Schicht: Für Beschäftigte, die in drei oder mehr Schichten oder in Nachtschicht arbeiten, gilt eine Betriebszugehörigkeit von mindestens 5 Jahren, wovon 3 Schicht gearbeitet sein müssen. Für Wechselschicht-Beschäftigte gelten im ersten Jahr mindestens 15 Jahre Betriebszugehörigkeit und 10 Jahre Schichtbeschäftigung, ab 2020 sinken die Voraussetzungen auf 7 Jahre Betriebszugehörigkeit und 5 Jahre Schicht.
- Anspruchsberechtigte Pflege/Kind: Der Anspruch besteht erstmalig nach mindestens 2-jähriger Betriebszugehörigkeit. Pro pflegebedürftigem Angehörigen (mindestens Pflegestufe 1) und/oder pro Kind (bis Vollendung des 8. Lebensjahres) kann die Freistellung höchstens für zwei Jahre in Anspruch genommen werden.
- Der Anspruch, statt tariflichem Zusatzgeld freie Tage zu gewähren, kann durch freiwillige Betriebsvereinbarung auf den ganzen Betrieb, bestimmte Beschäftigtengruppen oder Abteilungen erweitert werden.