Verkehrswende
Das 9-Euro-Ticket zieht neue Fahrgäste an
11. Juli 2022, 16:46 Uhr aktualisiert am 11. Juli 2022, 16:46 Uhr
Das 9-Euro-Ticket lockt viele neue Fahrgäste in Busse und Bahnen. Forderungen nach einer Anschlusslösung werden lauter, auch Verkehrsminister Wissing hat Ideen.
Das 9-Euro-Ticket ist angesichts der hohen Nachfrage aus Sicht der Verkehrsbranche bereits jetzt ein Erfolg - umso dringlicher stellt sich die Frage, wie es nach dem Ende der Aktion im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) weiter gehen soll.
Ein Vorschlag von Bundesverkehrsminister Volker Wissing (FDP), das Tarifsystem dauerhaft zu vereinfachen, stieß am Montag unter anderem auf Zuspruch des Städte- und Gemeindebunds.
Es geht um eine Anschlussregelung
"Die ersten Wochen zeigen, dass das 9-Euro-Ticket durchaus erfolgreich war. Dazu trägt neben dem günstigen Preis sicherlich auch die einheitliche Tarifstruktur maßgeblich bei", sagte Hauptgeschäftsführer Gerd Landsberg den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). "Deshalb müssen wir darüber nachdenken, perspektivisch ein bundesweit gültiges, einheitliches und vergünstigtes Ticket folgen zu lassen."
Die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang sagte, das 9-Euro-Ticket sei "ein riesengroßer Erfolg" und sie haben sich sehr gefreut über den Vorstoß von Wissing für eine dauerhaft einfache Tarifstruktur. Sie fände es insgesamt wünschenswert, wenn die Bundesregierung eine gute Anschlussregelung finden würde.
Das 9-Euro-Ticket berechtigt Käuferinnen und Käufer, für jeweils 9 Euro in den Monaten Juni, Juli und August im Öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) durch ganz Deutschland zu fahren. Mit Blick auf die Zeit danach hat Minister Wissing sich am Wochenende dafür ausgesprochen, den "Tarif-Dschungel" im Nahverkehr dauerhaft zu beseitigen. Bislang gelten in den Dutzenden Verkehrsgebieten in Deutschland unterschiedliche Tarife und Bestimmungen.
Branchenkreise verweisen bei solchen Vorschlägen stets auf die Frage der Finanzierung. Schließlich entgehen den Verkehrsunternehmen im ÖPNV allein durch die 9-Euro-Ticket-Aktion Milliardeneinnahmen. Die Sonderfahrkarte wird mit 2,5 Milliarden Euro vom Bund finanziert.
Wie soll die Finanzierung funktionieren?
Hinzu komme, dass auch für die Unternehmen die wirtschaftliche Lage angesichts der steigenden Preise für Energie, Kraftstoffe und Personal immer schwieriger werde, teilte am Montag der Hauptgeschäftsführer des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV), Oliver Wolff, mit. "Wir brauchen daher immer drängender Lösungen zur Kompensation dieses Anstiegs, sonst drohen deutliche Tarifsteigerungen oder gar, dass erste ÖPNV-Linienangebote eingeschränkt werden müssen."
Der VDV und die Deutsche Bahn lassen jede Woche rund 6000 Verbraucherinnen und Verbraucher zum 9-Euro-Ticket befragen. Manche Fragen richten sich dabei ausschließlich an Inhaber der Sonderfahrkarte. Allmählich zeige sich dabei die deutlich gestiegene Nachfrage im ÖPNV, hieß es am Montag. Demnach gaben bei der jüngsten Umfrage rund 20 Prozent der befragten Käuferinnen und Käufer des Tickets an, zuvor den ÖPNV fast nie genutzt zu haben.
Zudem lade das 9-Euro-Ticket zu Fahrten ein, die ohne das Angebot gar nicht erst unternommen worden wären. Rund 25 Prozent der befragten Käuferinnen und Käufer äußerten sich entsprechend. "Diese deutliche Erhöhung der Nachfrage ist mit Blick auf den Klimaschutz und die Belastungen des Systems kritisch zu hinterfragen", teilte VDV-Hauptgeschäftsführer Oliver Wolff mit. Grünen-Chefin Lang sagte, das günstige Ticket sei ursprünglich als Entlastung wegen der allgemeinen Preissteigerung gedacht gewesen. Wenn jetzt über langfristige Lösungen nachgedacht werde, müssen man immer auch "den Klimaschutz mitdenken". Deshalb müsse erst einmal herausgefunden werden, wie viele der Menschen, die das günstige Angebot nutzen, tatsächlich auf Fahrten mit dem Auto verzichtet hätten.
Insgesamt hätten im Juni mehr als 30 Millionen Menschen das Ticket besessen, teilte Wolff weiter mit. Ähnlich hoch werde das Interesse auch im Juli sein. "Dieser gemeinsame Erfolg aus Politik und Branche erhöht jedoch auch den Druck mit Blick auf die Zeit danach - sowohl, was die Preise, vor allem aber was die Leistungskosten angeht", hieß es.