Energiekrise
Chef der Bundesnetzagentur: Mehr Energie sparen
23. Juli 2022, 6:20 Uhr aktualisiert am 23. Juli 2022, 6:20 Uhr
Energiesparen wegen der Gaskrise? Im Sommer fällt das leicht: kürzer duschen, damit der Boiler nicht groß nachgefüllt werden muss mit Warmwasser. Doch im Herbst wird die Sache schwieriger.
Die Bundesnetzagentur hat die Verbraucher zu mehr Anstrengungen beim Energiesparen aufgefordert, damit Deutschland auch in Zeiten knappen Erdgases durch den Winter kommt. Im bisherigen Jahresverlauf liege der Gasverbrauch 14 Prozent niedriger als im Vorjahreszeitraum, sagte der Präsident der Bundesnetzagentur, Klaus Müller, der Deutschen Presse-Agentur. "Ich muss aber in Richtung 20 Prozent kommen, es muss noch eine Schippe draufgepackt werden."
Er wies darauf hin, dass der größte Teil der Einsparungen an der relativ milden Witterung in diesem Jahr gelegen habe - vor allem dadurch liefen die Heizungen nicht so stark wie im Vorjahr. Wäre das Wetter hingegen gleich geblieben wie 2021, wären es nur fünf Prozent gewesen.
Habecks Energiespar-Paket
Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) hatte am Donnerstag ein Energiespar-Paket vorgestellt, das auch die privaten Haushalte stärker in die Pflicht nimmt und verbindliche "Heizungschecks" vorschreibt. Zudem soll der Energieverbrauch in öffentlichen Gebäuden und Firmen sinken und die Füllstände in den deutschen Gasspeichern sollen in die Höhe getrieben werden.
Mit dem Paket schaffe man "wichtige Grundlagen, um auch durch Einsparungen eine Notfallstufe in diesem Winter zu vermeiden", sagte Müller. "Dazu müssen wir die Gasspeicher stärker befüllen, den Erdgasverbrauch senken und weitere Erdgaslieferungen aus anderen Ländern organisieren." Die Notfallstufe ist die dritte und letzte Stufe des Notfallplans Gas. Dann könnten Industriefirmen nicht mehr so viel Gas kaufen, wie sie wollten, sondern sie wären auf Zuteilungen der Netzagentur angewiesen. Vor genau einem Monat hatte die Bundesregierung die zweite Stufe des Plans, die Alarmstufe, ausgerufen.
Staat steigt bei Gasimporteur Uniper ein
Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) hatte am Freitag den staatlichen Einstieg beim angeschlagenen Gasimporteur Uniper bekanntgegeben und hierbei auch ein Umlagesystem auf den Weg gebracht, das entweder ab September oder ab Oktober greifen soll. Es soll einen Großteil der Zusatzkosten, die durch eingeschränkte Gaslieferungen aus Russland und damit steigende Preise entstanden sind, ausgleichen. Bezahlen sollen die Umlage alle Gaskunden. Die Umlage kommt zusätzlich zu marktgetriebenen Preiserhöhungen, die schrittweise bei den Verbrauchern ankommen.
Zur Preisentwicklung sagte Müller: "Wenn ich mir jetzt angucke, welche Entwicklung es mit Beginn des Krieges gegeben hat, dann bin ich rein rechnerisch bei einer Verdreifachung im Vergleich zu vor diesem Zeitpunkt." Wie sich der Preis in der Zukunft entwickeln werde, hänge aber auch von allen Bürgerinnen und Bürgern sowie von den Unternehmen ab. "Je stärker es Deutschland gelingt, den privaten und industriellen Gasverbrauch zu reduzieren, desto eher haben wir eine Chance, von diesem wahnsinnigen Preisniveau herunterzukommen", sagte Müller. "Das gelingt uns nur, indem wir die Verbräuche richtig reduzieren - es liegt in unseren Händen, das zu tun."
Müller: "Die Preise sind hart"
Die entscheidende Frage sei, wie man beim Thema Energiesparen die nötige gesellschaftliche Unterstützung bekomme. "Ich möchte den Menschen reinen Wein einschenken und sagen: Die Preise sind hart", sagte Müller. "Auch wenn euch die Solidarität mit der Industrie nicht so wichtig ist, dann tut alles dafür, um eure Kosten zu reduzieren, die auf euch zukommen." Die Kernbotschaft sei, dass jeder etwas tun könne. "Zumindest in den Möglichkeiten, die ich als Mieterin und Mieter oder als Hausbesitzer habe", sagte er. "Alles, was man tun kann, muss man jetzt tun, weil es einen Effekt hat."
Russland liefert nach einer Wartung zwar seit Donnerstag wieder Gas über die Ostseepipeline Nord Stream 1, aber viel weniger als technisch möglich. Nach Einschätzung des Behördenchefs wird die Unsicherheit, ob Russland weiter Gas liefert, auch künftig bestehen. Es gebe keine Entwarnung.
Müller betonte zudem, dass es keineswegs nur um den Winter 2022/23 gehe, sondern dass man auch den darauffolgenden Winter im Blick haben müsse. Es nütze "gar nichts, wenn wir die Speicher so weit runterdrücken würden, dass wir zwar in diesem Winter keine Abschaltungen vornehmen mussten, aber wir fast zwangsläufig in eine Mangellage im Winter 23/24 hineinlaufen".