Humorvolle Analyse
Was das Zuhause alles bedeuten kann
14. Februar 2024, 6:00 Uhr
Wenn ich nach Hause komme, wasche ich mir als aller Erstes die Hände. Draußen ist es schmutzig, drinnen alles sauber. Die Welt ist böse und in meiner Wohnung bin ich sicher. Obwohl, das stimmt nicht ganz. Ich selbst kann schon mal ein paar Tage meine Haare nicht waschen und ich sehe dann alles andere als sauber aus. Wenn die Haare ungewaschen sind, geht man aber nicht raus, man muss ja anständig aussehen. Und so wirklich sicher bin ich vor mir selbst zuhause auch nicht.
Zuhause ist nämlich da, wo mein ungezähmtes, wildes Innere zum Vorschein kommt: Klamotten werden auf den Boden geschmissen, Kaffeetassen an die Fensterbank gestellt, wo sie unter sich einen schönen braunen Fleck hinterlassen, auf meinem imaginären Speiseplan steht nur Pasta.
Wenn jemand anderes den Ablauf durcheinander bringt
Diese Ekstase der absoluten Freiheit funktioniert aber nur solange, bis man mit jemandem sein Zuhause teilt – sprich, ein Teil seines Territoriums abgibt. Damit ist die Ruhe gestört, denn jemand anderes kann jetzt am Morgen das Badezimmer belegen, obwohl ich in zehn Minuten aus dem Haus muss. Jemand kann meine Schlüssel verlegen, vielleicht mit der guten Gesinnung „mal schnell ein wenig aufzuräumen“, doch derjenige mag nicht erahnen, welch katastrophale Umstürze er in meinen Routinen veranstaltet. Würde ich alleine leben, würde ich meine Schlüssel sicherlich immer sofort finden.
Der unerwünschte Eindringling verwurschtelt mein Zuhause, meinen Alltag, mein ganzes Ich. Selbst wenn er einmal netterweise den Wocheneinkauf getätigt hat, weil er bemerkt hat, dass sich der Klopapiervorrat dem Ende neigt (besser spät als nie), dann besagt ein ungeschriebenes Gesetz, dass ich am gleichen Tag schon fünf Klopapierpackungen eingekauft habe. Mag sein, dass dieser Vorrat für die meisten ein beruhigendes und kein ernstzunehmendes Problem darstellt. Meine Wohnung ist allerdings zu klein, um mir hamsterähnliche Türme zu errichten.
Zuhause ist da, wo ich ohne schlechtes Gewissen bis drei Uhr morgens fernsehen und nebenbei fünf Tüten Chips essen kann. Zuhause ist da, wo ich den Abwasch erst nach drei Tagen und nicht sofort erledigen muss, wo ich rund um die Uhr staubsaugen kann und beim Duschen mir die Seele aus dem Leib brüllen kann, weil ja niemand schon schläft (mal die Nachbarn von der Etage über mir außen vorgelassen).
Zuhause ist da, wo ich mit einem guten, sogar hervorragenden Gefühl meine uralte Jogginghose tragen kann. Natürlich ist allgemein bekannt, dass kein Mensch diesen abgeschotteten Ekstase-Zustand ohne menschlichen Kontakt für immer überlebt. Deshalb lade ich von Zeit zu Zeit Freunde ein oder entferne mich auch mal für Partys aus meiner eigenen Komfortzone. Diese Ereignisse sollten aber mit zeitlichem Abstand und nur bis zu einem bestimmten Grad wiederholt werden, da sich sonst ja ein leichtes Gefühl von Spaß ausbreiten könnte.
In wenigen Augenblicken das Chaos in der Wohnung beseitigen
Besonders unangenehm sind die unangekündigten Besuche der Eltern oder, noch schlimmer, der Schwiegereltern. Natürlich bin ich trotzdem in der Lage, innerhalb von Sekunden blitzschnell alles an seinen Platz verschwinden zu lassen, da ich ja weiß, wo alles hingehört!
Zuhause ist eben da, wo ich vollkommene innere Ruhe verspüre und nach Lust und Laune leben kann. Wer mich also fragt: Zuhause ist dort, wo ich mit mir im Reinen bin und der einzige physische Kontakt die Päckchenübergabe mit dem Postboten ist.