„Chromakopia“

Tyler, The Creator nimmt auf seinem neuem Album die Maske ab

US-Rapper Tyler, the Creator kämpft auf seinem neuen Album „Chromakopia“ um Kontrolle: Es wird Zeit für ihn, erwachsen zu werden – aber er will seine Kreativität nicht verlieren. Wie behält er Farbe im Leben?


sized

Tyler, the Creators neue Figur St. Chroma ist paranoid.

Darum geht’s: Das erste Musikvideo von Tyler, the Creators neuem Album wird von dem militärischen Stampfen des Liedes „St. Chroma“ untermalt. Der Rapper trägt eine unförmige Maske und wirkt wie ein skrupelloser Diktator, während er Soldaten in einen Container lenkt. Das Video ist in Schwarz-Weiß gehalten, bis Tyler seine Armee per Knopfdruck in die Luft jagt. Durch die Explosion kehrt die Farbe zurück. Auf „Chromakopia“ – so der Name des neuen Werks – erzählt der Rapper, wie er um Kontrolle kämpft.

In seinem vergangenen Album vor drei Jahren, „Call Me If You Get Lost“, spielte er noch den Charakter Sir Baudelaire, einen verträumten Weltenbummler, der seine Probleme in teuren Reisen ertränkt. Mit „Chromakopia“ ist er jedoch gezwungen, nach Hause zu kommen und sich der Realität zu stellen: Im Lied „Hey Jane“ singt Tyler über eine plötzliche Schwangerschaft, die vielleicht seine Freiheit einschränkt. Und im Text von „Tomorrow“ und „Like Him“ merkt er, dass er älter wird. Er sieht es an seinen ersten grauen Haaren. Aber auch an seiner alleinerziehenden Mutter, die viele Lieder des Albums mit Weisheiten einleitet. So reflektieren sie zusammen, warum Tylers Vater keinen Platz in seinem Leben hat.

Währendessen verliert sich der Rapper in seinem eigenen Ruhm: In der panischen Single „Noid“ rappt er über die Paranoia, die mit dem Weltruhm kommt. Und auf anderen Liedern gibt er zwar mit seinen Erfolgen an, aber es schwingt immer Angst mit. Was ist, wenn es mehr da draußen gibt als nur den Hip-Hop?

Video zum Thema:

Die romantischen Balladen „Darling, I“ und „Judge Judy“ handeln von Ehrlichkeit in Liebesbeziehungen, der aggressive Song „Sticky“ ist im Gegensatz dazu eine Ode an schnellen Sex und wilde Streitereien.

All das ist eine Maske, hinter der sich Tyler versteckt: so wie die Maske, die er in den Musikvideos und auf dem Albumcover trägt. Nicht umsonst heißen die ehrlichsten Lieder des neuen Werks „Take Off Your Mask“ (deutsch: Nimm deine Maske ab) und „I Hope You Find Your Way Home“ (deutsch: Ich hoffe, du findest deinen Weg nach Hause). Tyler muss erwachsen werden, will das aber nicht: Denn er fürchtet, dass er die Kreativität in seiner Musik verliert. Dass durch den Kampf um Kontrolle sein Leben so monochrom wird wie die Musikvideos von „Chromakopia“.

In aller Kürze: Tyler, the Creator denkt in den Liedern seines neuen Albums über seine Zukunft nach.

Die Musik: Tyler, the Creator produziert schon immer all seine Lieder selbst. Auch auf „Chromakopia“ haben die Beats seinen typischen Fingerabdruck: Mit verspielten Synthesizern, lautem Schlagzeug und tanzbaren Melodien reiht sich auch das neue Werk in den typischen Sound ein. Doch der ist vor allem eins: unberechenbar kreativ. Auf „Noid“ baut er zum Beispiel Elemente von einem Song einer Familie aus Sambia ein. Und in „I Killed You“ spielt er mit einer simplen Gitarrenmelodie, die er mit aggressiven Trompeten, töpfernen Drums und zahlreichen anderen Sounds ausbaut.

Mehrere Künstler haben zudem einen Gastauftritt: Besondere Highlights sind die Newcomer Teezo Touchdown, Lola Young und Doechii. Doch auch bekanntere Künstler wie Childish Gambino und Lil Wayne fügen sich perfekt in die Welt von „Chromakopia“ ein.

Fazit: Ein neues Meisterwerk von Tyler, the Creator: Zuerst mag „Chromakopia“ wie ein chaotisches Feuerwerk an Ideen wirken, doch spätestens im letzten Drittel ergeben alle Puzzleteile ein großartiges Gesamtbild.

„Chromakopia“ von Tyler, the Creator, Columbia Records, auf allen Streaming-Plattformen, als CD und Vinyl erhältlich.