Rock im Park
Schwermetall im (Linkin) Park
22. Juni 2012, 9:20 Uhr aktualisiert am 22. Juni 2012, 9:20 Uhr
(pb). Jedes Jahr Anfang Juni pilgern zehntausende Musik-Fans nach Nürnberg. Sie packen die Zelte, die Regenjacken und mehrere Paletten Bier ein, beladen das Auto bis an die Grenze zur Ordnungswidrigkeit und bekleben die Fenster mit Panzertape, das die Buchstaben R.I.P. formt. Anstatt dort jedoch in Frieden zu ruhen, besuchen sie ein Festival der besonderen Art: Rock im Park. 2012 war ich zum wiederholten Mal dabei.
Und ich wurde nicht enttäuscht. Während 2011 noch Coldplay, Die Söhne Mannheims und Kings Of Leon für Pop und höchstens Kuschelrock sorgten, ging es dieses Jahr wieder voll zur Sache. Der Grund dafür: die drei Headliner. Metallica, Die Toten Hosen und Linkin Park.
Stichflammen, Feuerwerk und Laserstrahlen
Alle drei Bands waren auch auf meiner Must-See-Liste und alle gehörten meiner Meinung nach eindeutig zu den Top-Acts des Festivals. Metallica spielte gleich am ersten Tag und dürfte wohl die meisten Fans zu sich gelockt haben. Männer und Frauen, Junge und Alte, Vollblut-Metaller und Festival-Neulinge: alle verbunden durch die Musik, durch Metallica. Denn die Gruppe um James Hetfield verstand es, die Menge zu begeistern und einen ausgewogenen Mix zu präsentieren. Schon beim Eröffnungssong "Master Of Puppets" waren die Fans mit Leib und Seele dabei, schleuderten die Hände in die Luft und brüllten jedes "Master!" mit. Unglaublich, dass es dieselben Fans waren, die bei "Nothing Else Matters" ehrfurchtsvoll schwiegen und stattdessen mit Feuerzeugen ein Lichtermeer erschufen. Das alles begleitet von James Hetfields toller Stimme und einer beeindruckenden Bühnenshow. Gerade bei den letzten Liedern "Fight Fire With Fire" und "Seek & Destroy" wurde der Auftritt der Band zu einer audiovisuellen Grenzerfahrung. Mit Feuerwerk, Stichflammen und einer dermaßen tollen Lasershow, dass ich fürchtete, ein Flugzeug könnte jeden Moment abstürzen, weil sein Pilot geblendet wurde. Und das war nur der erste Tag.
Der zweite versprach mit Die Toten Hosen eine weitere Top-Band. Nachdem die Jungs auch erst wenige Wochen zuvor ein neues Album rausgebracht hatten, waren meine Erwartungen an ihren Auftritt umso größer. Und ich wurde nicht enttäuscht. Sänger Campino erwies sich als wahre Rampensau, rockte die Bühne und redete mit den Fans. Mit seinen Sprüchen wie "Nürnberg, wenn das nächste Mal Fortuna Düsseldorf bei euch zu Gast ist, grämt euch nicht, wenn ihr drei Punkte abgeben müsst!" brachte er die Menge immer wieder zum Jubeln (und einige Fußballfans zum Pfeifen). Und spätestens, als er bei "Tage wie diese" zum ersten Mal den Refrain anstimmte und gleichzeitig ein Feuerwerk gezündet wurde, sprangen alle Anwesenden in die Luft und jubelten.
30 Meter auf Händen zurückgelegt
Unbestrittener Höhepunkt des Abends war jedoch Campinos Wette mit einem Bühnenarbeiter: Er hatte gewettet, eine Dose Bier unbeschädigt bis zum Mann am Mischpult zu bringen. Zwischen den beiden lagen 30 Meter und tausende Fans. Also ließ sich Campino von ihnen buchstäblich auf Händen tragen und wurde weitergereicht, bis er das Ziel erreichte. Zwar stürzte auf dem Weg ein paar Mal ab, doch das tat der Stimmung keinen Abbruch. Auch danach hatten Die Toten Hosen noch einige Knaller in petto: so sangen die Jungs beispielsweise "Schrei nach Liebe" von den Ärzten. "Um auch mal ein gutes Lied zu spielen", meinte Campino dazu. Mit anderen Worten: der Auftritt war wirklich etwas Besonderes, die Band konnte die anwesenden Fans immer wieder angenehm überraschen. Normalerweise hätte ich nach diesem Auftritt gesagt, dass es nicht mehr besser geht. Aber da war ja noch der Sonntag. Und das bedeutete: Linkin Park.
Und diese Band nimmt für mich einen besonderen Stellenwert ein. Mein erstes selbstgekauftes Album war Hybrid Theory von ihnen. Linkin Park war die Band, die meinen Musik-Geschmack begründete. Und endlich konnte ich sie live sehen! Schon um kurz vor drei Uhr nachmittags stellte ich mich an, konnte problemlos bis ganz nach vorne durchgehen. Dann begann das Warten. Linkin Park spielten nämlich erst um 21.20 Uhr. Um halb vier begann es zu regnen. Zu meinem Glück tröpfelte es nur ein bisschen vor sich hin. Bald machte es mir nichts mehr aus. Um vier Uhr dachte ich mir das erste Mal: "Patrick, ist es das wert?" Diese Frage stellte ich mir in den nächsten fünf Stunden noch mehrere Male. Doch dann, als um 21.26 Uhr die ersten Töne von "A Place For My Head" erklangen (nebenbei bemerkt auch noch eines meiner Lieblingslieder), war ich wie berauscht von der Musik. Plötzlich war mir alles andere um mich herum egal, ich wollte nur noch mitsingen und wild herumspringen. Als sich bei "Faint" direkt vor mir eine Mosh-Pit bildete (ein Kreis, in dem mehrere Fans wie wild umher hüpfen und sich gegenseitig anrempeln und schubsen) überlegte ich nicht lange, sondern stürzte mich ins Getümmel.
Ein Antrag auf der Bühne
So ging es eine Stunde weiter, dann auf einmal Stille. Ein Fan kam auf die Bühne, die Band hörte mitten bei "Bleed It Out" auf zu spielen. Doch es war kein Flitzer, der an der Security vorbeigeschlüpft war, sondern ein Mitglied von Linkin Park Underground (der offizielle Linkin Park-Fanclub), das seiner Freundin einen Antrag machen wollte. Die Worte "Ich will" dürften seit dem Rammstein-Auftritt 2009 nicht mehr so bejubelt worden sein. Danach spielte die Band noch eine Stunde weiter. 60 Minuten springen, jubeln, klatschen, mitsingen und sich dabei die Stimme heiser brüllen. Nach dem letzten Lied - natürlich "One Step Closer" - war ich immer noch voller Adrenalin, dennoch trat ich den Rückweg zum Zeltplatz an. Wenige Stunden später machten sich meine Freunde und ich auch schon zurück auf den Weg nach Bogen. Erschöpft, müde, ungeduscht und hungrig, doch wir wussten, dass wir nächstes Jahr wiederkommen werden.