Soziale Medien

Rückblick auf Pannen: Wie Elon Musk Twitter zu X formte

Und plötzlich heißt Twitter nur noch X: Wie Elon Musk eines der größten Sozialen Netzwerke gekauft hat, in seinem Sinne formt und damit an den Rand des Abgrunds führt.


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Ob ihm ein wenig der Kopf von der Twitter-Übernahme schwirrt? Bis zu Elon Musks Traum eines mächtigen X-Netzwerkes ist es jedenfalls noch ein weiter Weg.

Eine Zahl mit neun Nullen: 44 Milliarden Dollar. So viel hat Elon Musk im Oktober 2022 für Twitter gezahlt. Zum Vergleich: Mit dem Geld hätte er jedem Menschen auf dem Planeten fünf Dollar in die Hand drücken können und es wären sogar noch vier Milliarden übrig geblieben. Ein Jahr später berichten das amerikanische Magazin Fortune und die Nachrichtenagentur Bloomberg, dass das inzwischen umbenannte X nur noch 19 Milliarden wert sei. Wie konnte das passieren? Ein Rückblick.

Als erste Amtshandlung nach der Twitter-Übernahme postete Elon Musk ein Bild, auf dem er mit einem Waschbecken (auf Englisch: sink) in die ehemaligen Twitter-Büros spaziert, um seinen neuen Milliardeneinkauf zu feiern. Die Überschrift: „Let that sink in“ (auf Deutsch so viel wie: „Lass das auf dich wirken“). Dabei mussten die Mitarbeiter nicht nur den neuen Besitzer und seine Eigenheiten verkraften – viele von ihnen wurden sofort entlassen. Aus Kostengründen, wie Elon Musk erklärte.

Der reichste Mensch der Welt unterstützt kontroverse Figuren

Ganze Teams wurden dabei ausgehöhlt. So zum Beispiel auch die Content-Moderatoren, die Posts mit Hassrede und Falschinformationen löschen. Genau solche Posts breiteten sich in den ersten Monaten unter Elon Musk aus. Das belegt auch eine Studie im Auftrag des Digitalverbands Bitkom, die im November 2023 veröffentlicht wurde.

Elon Musk macht sich zudem mit seinem Auftreten bei X angreifbar und bei vielen Nutzern unbeliebt. Immer wieder unterstützt der reichste Mensch der Welt kontroverse Figuren und Accounts, die Falschinformationen verbreiten. Genauso kommentiert er regelmäßig unter Beiträgen von rechtsextremen oder LGBTQ-feindliche Netzwerken wie „Libs of TikTok“. Die Profile kritischer Journalisten ließ er kurzzeitig sperren, seine eigenen Posts, die mal antisemitisch und mal selbstverherrlichend sind, spielt er an beinahe alle Nutzer aus. Schädliche Inhalte nehmen also zu – und schrecken sowohl User als auch Unternehmen ab, die Werbung schalten.

Ebenfalls kontrovers diskutiert: „X Premium“, ein Abonnement für die Social-Media-Plattform. Es ermöglicht längere Posts, weniger Werbung und Vorteile beim Algorithmus, der die Posts ausspielt. Die Folge ist jedoch, dass die App für den User teils nicht mehr nutzbar ist. Accounts, die auf Robotern oder künstlicher Intelligenz basieren, füllen nämlich die ersten Kommentare unter vielen Posts mit stumpfen und inhaltslosen Antworten, weil sie durch „X Premium“ bevorzugt werden.

Die Fehltritte des reichsten Menschen der Welt scheinen endlos zu sein: Im Juli 2023 platziert Elon Musk ein riesiges X-Logo auf dem Dach des Firmengebäudes, das nachts jedoch umliegende Wohnhäuser blendet und wieder abgebaut werden musste. Er ernannte Linda Yaccarino als neue CEO, nachdem er eine Abstimmung verlor, ob er weiter diesen Posten behalten sollte.

Elon Musk will das Twitter aus X bekommen – schwierig

Letztes Beispiel: Wer x.com in den Browser eingibt, wird auf twitter.com umgeleitet. Denn die eigentliche Website nutzt immer noch den alten Namen. Das erzeugt schon fast den Eindruck: Egal, wie sehr Elon Musk X von der Vergangenheit abkuppeln will, sie scheint ihn zu jagen. Dazu kommt: Viele kehren X den Rücken für alternative Plattformen, die es mittlerweile reichlich gibt (mehr dazu unten).

Auf seinem X-Account hat Elon Musk schon häufig die Vision für seine Plattform erklärt: Er möchte, dass X eine Everything-Plattform wird, ähnlich wie WeChat in China. App für alles oder App für niemanden – wie es in ein paar Jahren um die Plattform steht, bleibt spannend.

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Mit Threads ist vor Kurzem eine neue Alternative zu X erschienen.

X und die Alternativen

Diese Kurznachrichtendienste gibt es derzeit am Markt – ein Überblick.

X

Das ehemalige Twitter, von Elon Musk übernommen und umgebaut.

Nutzer: 245 Millionen täglich (Stand: September 2023)

Threads

Mark Zuckerberg will die Schwäche von X ausnutzen. Viel anders ist Threads nicht. Ein paar Funktionen fehlen, diese könnten aber noch kommen. Die App ist direkt mit Instagram verknüpft. Bedeutet: Nur wer da registriert ist, kann zu Threads.

Nutzer: 160 Millionen insgesamt (Stand: Januar 2024)

Mastodon

Die App machte als erste Schlagzeilen als X-Ersatz. Besonders ist, dass die Plattform dezentral ist. Das heißt, dass es nicht einen einzigen Server gibt, auf dem Mastodon ruht. Stattdessen ist das Netzwerk auf mehreren verteilt. So ist die App auch Teil des Fediverse (mehr dazu unten).

Nutzer: 15 Millionen insgesamt (Stand: Januar 2024)

Bluesky

Twitter-Gründer Jack Dorsey hat noch lange vor der Übernahme durch Elon Musk seine Plattform verlassen und eine Alternative geschaffen. Bluesky ist wie Twitter, als es selbst noch recht neu war und dezentral wie Mastodon. Einzige Hürde: Um die App ausprobieren zu können, braucht es einen Einladungscode eines bereits angemeldeten Nutzers.

Nutzer: 2 Millionen insgesamt (Stand: November 2023)

Post und Spoutible

Schon früher war Twitter bekannt dafür, dass nicht immer freundlich und konstruktiv diskutiert wird. Nach der Übernahme von Elon Musk ist das Thema umso größer. Post und Spoutible wollen das mit mehr Moderation verbessern: inklusiv, freundlich und ohne Hass. Bei den derzeit wenigen Nutzern ist das möglich. Wenn es mehr werden, könnte die Moderation überfordert sein.

Nutzer: 550000 (Post), 240000 (Spoutible) insgesamt (Stand: Dezember 2023 (Post), Juni 2023 (Spoutible))

Zu den Nutzerzahlen: Für etablierte Netzwerke ist vor allem die Zahl der täglichen/monatlich aktiven Nutzer wichtig, für alle Plattformen im Aufbau (wie die X-Alternativen) die Gesamt-Nutzerzahl.

Quellen Nutzerzahlen: Wirtschaftswoche, Exploding Topics, Quiver Quantitative, The Verge, TechCrunch, Wired, @mastodonusercount/Mastodon, The Fix

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Im Fediverse ist netzwerkübergreifende Kommunikation möglich.

Ist das Fediverse die Lösung?

Der aktuelle Zustand auf dem Smartphone-Homescreen ist häufig Chaos. Denn es gibt mittlerweile so viele Soziale Netzwerke, dass Nutzer leicht den Überblick verlieren. Für Videos TikTok, Instagram, YouTube. Als Kurznachrichtendienst X, Threads, Mastodon, Bluesky und etliche kleinere. Und: Überall findet man andere Nutzer. Der eine Kumpel ist zum Beispiel nur bei Instagram, der andere liebt TikTok, der dritte postet ausschließlich auf Snapchat. Um mit dem jeweiligen Beitrag zu interagieren, also einen Like oder Kommentar zu hinterlassen, braucht man auf jeder Plattform ein eigenes Konto. Denn die Netzwerke sind zwar groß, aber in sich geschlossen. Mal eben mit seinem Instagram-Account auf YouTube ein Video liken – unmöglich.

Netzwerkübergreifend folgen, liken oder kommentieren

Und genau hier setzt die Idee des Fediverse an. Dieser Zusammenschluss unabhängiger Sozialer Netzwerke möchte es den Nutzern ermöglichen, ähnlich wie auf einer einzigen Plattform miteinander zu interagieren. Also netzwerkübergreifend zu folgen, kommentieren oder liken.

Ein Beispiel, um das Fediverse verständlicher zu machen: Es funktioniert ähnlich wie unsere Kommunikation mit E-Mails. Auch dort nutzt jeder andere Anbieter (zum Beispiel Gmail, T-online oder GMX). Trotzdem können wir an jeden eine Mail senden.

Ist das Fediverse also die Lösung des Social-Media-Chaos? Philip Dietrich ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am Lehrstuhl für Digitale und Strategische Kommunikation der Universität Passau. Er findet das Fediverse einen interessanten Gedanken: „So können die einzelnen Bubbles der Netzwerke wieder mehr in Kontakt treten.“ Allerdings hält er es für nicht realistisch, dass sich die etablierten Plattformen dieser Idee anschließen. Zu groß seien die Interessen, ihre Apps geschlossen zu halten.

Das ist das Manko am Fediverse: Nur kleine Plattformen sind bisher vertreten. Die größte darunter: Mastodon. Die X-Alternative macht etwa die Hälfte der aktiven Nutzer im Fediverse aus. Ob die Idee also eine große Zukunft hat, ist fraglich.

Quelle: Kaspersky