Toilettengeist und Todesomen

Moderne Legenden – Gruselmärchen mit wahrem Kern?


Die Geschichte der Weißen Frau ist eine der berühmtesten modernen Sagen. Das Gespenst spukt angeblich in diversen Schlössern, Burgen, an verlassenen Straßen, in Waldstücken,... (Foto: Jens Kalaene/dpa)

Die Geschichte der Weißen Frau ist eine der berühmtesten modernen Sagen. Das Gespenst spukt angeblich in diversen Schlössern, Burgen, an verlassenen Straßen, in Waldstücken,... (Foto: Jens Kalaene/dpa)

Von Julia Gabauer

"Ein Freund hat mir erzählt, der Kollege eines Bekannten von ihm hat was Seltsames erlebt!" - Diesen Satz hat so oder so ähnlich wohl schon jeder mal zu hören bekommen. Er ist auch der Grundstein für sogenannte moderne Sagen, die so unglaublich klingen, dass sie eigentlich schon wieder wahr sein müssten. Jeder kennt mindestens eine davon und hat auch daran geglaubt... zumindest ein bisschen. Zu Halloween hat Freistunde sich mit den Hintergründen beschäftigt.

Gruselgeschichten gibt es wohl schon, seit der Mensch das Sprechen gelernt hat. Moderne Sagen sind manchmal schon Jahrhunderte alt und lediglich passend für unsere Zeit abgewandelt, manchmal auch komplett neu erfunden. Eines sind sie aber immer: So verrückt, dass sie schon fast wieder wahr sein könnten. Sie heißen auch Großstadtlegenden, Wandermärchen oder "urban legends". Verbreitet werden sie mündlich, häufig auch per E-Mail oder über soziale Netzwerke. Oft mit dem Zusatz "Dem Freund eines Freundes ist das passiert", was ihnen den Namen "friend of a friend tales" einbrachte. Die rasende Geschwindigkeit, mit der sich moderne Legenden oft verbreiten, lässt viele wohl jeglichen gesunden Menschenverstand vergessen. Auf die Geschichte von George Turklebaum fielen sogar seriöse Journalisten rein. Turklebaum saß angeblich fünf Tage lang tot an seinem Schreibtisch, bis es seinen Kollegen auffiel. Ursprünglich als Scherzmeldung in einer Satirezeitung gedruckt, stand die Geschichte bald darauf sogar in der Londoner "Times".

Eine der wohl bekanntesten urbanen Legenden ist die der Bloody Mary, die sicherlich schon für viele Mutproben herhalten musste. Davon kursieren unzählige Versionen. Bei einer davon stellt man sich mit einer Kerze in der Hand im Dunkeln vor einen Spiegel und sagt dreimal Bloody Mary. Daraufhin erscheint die blutverschmierte Geistergestalt im Spiegel und kratzt einem die Augen aus.
Frauen in besonderer Kleidung sind immer gut für Geistergrusel. Das beweist die Legende der Weißen Frau. Das Gespenst ist mal eine betrogene Ehefrau, mal ein Unfallopfer oder eine Kindsmörderin. Immer aber soll ihr Erscheinen böse enden, sie wird sogar als Todesomen gefürchtet.

Doch auch vor Männern machen die modernen Sagen keinen Halt. Im Internet existieren zahlreiche Fotos, auf denen angeblich der Slenderman im Hintergrund zu sehen ist: Ein übernatürlich großer, gesichtsloser Mann im schwarzen Anzug, der bevorzugt auf Kinder Jagd macht. Die Legende ist so berühmt geworden, dass die Gestalt in dem erfolgreichen Computerspiel "Slender" ihr Unwesen treibt.

Schwarzer Humor lässt grüßen

Nicht immer allerdings müssen moderne Sagen gruselig sein. Viele triefen nur so von schwarzem Humor, zum Beispiel das Krokodil, das angeblich in der Kanalisation haust, oder die Geschichte von der Oma, die ihre nasse Katze in der Mikrowelle trocknete, bis das Tier explodierte. Die alte Dame verklagte den Hersteller und vermeintlich als Konsequenz daraus werden Mikrowellen mit dem Warnhinweis "Nicht geeignet zum Trocknen von Haustieren" versehen.

Moderne Sagen lassen sich auch nicht von Landesgrenzen stoppen, sie sind in allen Kulturen zu finden. In Japan gibt es die sehr beliebte urbane Legende von einem Geist namens Aka Manto. Der treibt sich mit Vorliebe auf Toiletten herum und fragt in der letzten Kabine, ob man einen roten oder einen blauen Umhang will. Beides ist verhängnisvoll, denn laut der Legende wird man bei Rot aufgeschlitzt und bei Blau erdrosselt. Angeblich ist die einzige richtige Antwort "Kein Umhang". Bei der Antwort "Einen gelben Umhang" zwängt einen Aka Manto mit dem Kopf in die besagte Toilette.

Gerücht oder Lüge?

Man sieht also: Die meisten urbanen Legenden klingen eigentlich zu abgedreht, um sie zu glauben. Die Quellen lassen sich allerdings nur in den seltensten Fällen zurückverfolgen, die mutmaßlichen Betroffenen sind immer anonym. Die meisten "urban legends" können also weder eindeutig bewiesen noch widerlegt werden. Das führt wohl dazu, dass viele vorsichtshalber doch daran glauben. Wenn also wieder mal ein Kollege des Schwagers der Tante etwas erzählt, bitte mit Vorsicht genießen! Aber andererseits heißt es ja auch: Jedes Gerücht hat einen wahren Kern...