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Die Bio-Logik
20. Juli 2009, 15:31 Uhr aktualisiert am 20. Juli 2009, 15:31 Uhr
Der amerikanische Rapper Kanye West macht gerade etwas, wofür er vor ein paar Jahren noch einige Lacher kassiert hätte. Nach seinem eigenen Parfum will er nun zusammen mit der Firma "Guru" einen "Energy Drink auf biologischer Basis" auf den Markt bringen. Dass das aber keineswegs zum Lachen ist, sondern Herrn West als durchaus klugen Geschäftsmann outet, zeigt die Statistik: Seit dem Jahr 2000 stieg der jährliche Umsatz von Bio-Lebensmitteln in Deutschland um ganze 3,7 Milliarden Euro. Bei immerhin 71 Prozent der Bundesbürger landet gelegentlich, häufig oder ausschließlich Naturkost im Einkaufswagen.
Umso erstaunlicher ist es, dass selbst unter den Käufern immer noch Unklarheit über die Produkte herrscht. Fest steht: Es hört sich auf jeden Fall gut an. "Bio", das kommt von "biologisch". Und da es sich bei der "Biologie" um die "Lehre der Natur" handelt, kann man damit wohl kaum etwas Schlechtes verbinden. Aber was unterscheidet, abgesehen vom Preis, die Bio-Milch dann eigentlich von der "Normalen"? Lebt es sich "biologisch" wirklich gesünder? Und woher weiß man, ob wirklich "Bio" drin ist, wo "Bio" draufsteht? Ja, dieses kleine Wort wirft schon einige Fragen auf. Deshalb hier ein paar Fakten, die Licht ins Dunkel bringen sollen. Denn hinter "Bio" steckt auch eine Logik.
Geschichte
Angefangen hat das Ganze mit Hanf-T-Shirts. Anfang des 20. Jahrhunderts bildete sich in Form von einzelnen Gruppen eine Art Lebensreform-Bewegung, die sich mit dem Motto "Zurück zur Natur" gegen die Industrialisierung und den Materialismus der Gesellschaft stellte und vor allem fleischlose und vollwertige Küche bevorzugte. Mit den Hippies kam der Aufschwung. Erstmals ging es beim Essen nicht nur ums satt werden, sondern darum, der Außenwelt mitzuteilen, wofür man steht. So legte die Branche seit den 70er Jahren ein rasantes Wachstum hin. Und wo es damals noch rund 100 Naturkostläden in Deutschland gab, findet man heute in beinahe jedem Supermarkt ein "Grünes Regal". Auch die Gründe, für den Griff zum Bio-Produkt haben sich geändert. Wer Bio kauft, tut das in der Regel nicht mehr, um sich gegen die Gesellschaft aufzulehnen, sondern weil er es für gesünder hält.
Aber ist das wirklich so?
Leben die "Ökos" wirklich gesünder als der Ottonormalverbraucher? Um das zu beantworten, muss man wissen, welche Bedingungen ein Produkt erfüllen muss, um sich mit dem Begriff "Bio" krönen zu dürfen. Bei pflanzlichen Lebensmitteln spielt der Anbau eine Rolle. "Öko- Landbau" heißt das Zauberwort. Dieser garantiert zum Beispiel, das grundsätzlich auf chemisch-synthetische Pflanzenschutzmittel und schädliche Stickstoff-Dünger verzichtet wird. Er beinhaltet aber auch die Garantie für artgerechte Tierhaltung und den Verzicht auf Gentechnik.
Wichtiger ist hier der Vergleich mit Produkten die nicht unter der "EG-Öko-Verordnung" stehen. Obwohl man meinen könnte, dass der Schutz unserer Umwelt und der Erhalt der Arten heute selbstverständlich ist, stehen immer noch Massentierhaltung, Legebatterien und der Einsatz von luft-, wasser-, und bodenverschmutzenden Chemikalien auf dem Tages-Plan. Schuld ist dabei vor allem der Wettbewerb, der unter den Supermarkt-Ketten herrscht. Produziert werden soll schnell und billig. Und am Ende zählt die Quantität. Das erklärt auch den hohen Preis der Bio-Lebensmittel. Tiere mit Auslauf und ökologischem Futter lassen sich eben nicht mit Massenproduktion vereinen. Und unter der naturfreundlichen Bewirtschaftung der Bio-Bauern leidet einfach der Ertrag. Dass die Bio-Branche aber in den vergangenen Jahren einen Aufschwung hingelegt hat, hat wiederum dazu geführt, dass viele Produkte plötzlich die Bezeichnung "Bio" oder "Öko" trugen, ohne die nötigen Anforderungen zu erfüllen. 2001 wurde daraufhin das staatliche Bio-Siegel ins Leben gerufen. Das grün-gerahmte Sechseck gibt dem Verbraucher die Garantie, dass es sich bei seiner Wahl wirklich um ein echtes Bio-Produkt handelt. Seit 2006 ist es auch verboten, konventionell hergestellte Produkte irreführend mit dem Wort "Bio" auszuzeichnen. So musste zum Beispiel der "Bioghurt" schnell wieder aus den Regalen verschwinden. Auch bei Formulierungen wie "aus umweltschonendem Landbau" oder "aus kontrolliertem Anbau" ist Vorsicht geboten. Hier sollte man genauer hinschauen.
Und die Gesundheit?
Zum Schluss bleibt aber immer noch die Frage nach der gesundheitlichen Auswirkung von ökologisch einwandfreiem Essen. Und auch hier heißt es aufpassen! Dass eine Tafel Schokolade die Bio-Plakette trägt, heißt erst einmal, dass sie sich an die Öko-Verordnung hält. Daran, dass sie deshalb gesünder als herkömmliche Schokolade ist, lässt sich aber zweifeln. Und an der Pizza mit Bio-Salami kann man sich sicherlich auch nicht fit-essen. Auch bei Obst und Gemüse trügt oft der Schein. So kann eine eingeflogene Bio-Tomate die Umwelt manchmal mehr belasten als die einheimische vom Markt.
Es ist also nicht leicht, beim Einkauf wirklich alles richtig zu machen. Wem aber die Qualität seiner Produkte wichtig ist und wer Wert auf Tier- und Umweltschutz legt, der sollte sich so gut es geht über die Leckereien informieren, die täglich in seinen Mund wandern und nicht einfach blind ins Regal greifen.