Nach Labor-Panne in Augsburg
Was hat es mit falsch-positiven Corona-Tests auf sich?
29. Oktober 2020, 13:24 Uhr aktualisiert am 2. April 2023, 8:03 Uhr
Reihenweise falsch-positive Corona-Testergebnisse aus einem Labor in Augsburg. Lediglich zwei von 60 zeigten ein korrektes Ergebnis an. Wasser auf die Mühlen all derer, die Zweifel an den Tests und den daraus resultierenden Maßnahmen der Regierung haben. Doch wie verlässlich sind diese Tests nun? Und welche Folgen hat der Fall Augsburg? Idowa hat beim Bayerischen Gesundheitsministerium nachgefragt.
Seit Monaten bestimmt Corona das Alltagsleben. Angesichts drastisch steigender Zahlen von Neuinfektionen in den letzten Wochen sah sich die Bundesregierung am Mittwoch gezwungen, einen sogenannten Lockdown light zu verhängen. Es wird zwar nur in leicht abgeschwächter Form heruntergefahren, dennoch ist die Maßnahme ein weiterer harter Nackenschlag für die ohnehin schon gebeutelte Wirtschaft. Nachvollziehbar, dass der Frust vielerorts groß ist. Und dann wurde gestern auch noch bekannt, dass bei Tests in einem Augsburger Labor offenbar gewaltig gepfuscht wurde.
58 von 60 Positiv-Tests falsch
Davon konkret betroffen: das Isar-Amper-Klinikum in Taufkirchen an der Vils. Dort rieb man sich am vergangenen Wochenende verwundert die Augen. Denn plötzlich wurden innerhalb eines Tages 60 positive Tests registriert. "Uns ist die schiere Menge an positiven Tests aufgefallen", sagt eine Klinik-Sprecherin gegenüber der Deutschen Presse-Agentur (dpa). Aus diesem Grund veranlasste man sicherheitshalber eine Nachuntersuchung. Es stellte sich heraus, dass sich tatsächlich nur zwei der 60 Patienten mit Covid-19 infiziert hatten. Demnach waren 58 Testergebnisse falsch.
Angesichts der ohnehin schon angespannten Stimmung in der Bevölkerung sorgt der Vorfall für zusätzliche Verunsicherung. Seit geraumer Zeit wird über die Verlässlichkeit der Testergebnisse diskutiert. Das Thema ist gewichtig, schließlich sind die zahlreichen Positiv-Tests der letzten Wochen der Auslöser für die verschärften Corona-Bestimmungen von Bund und Ländern.
Ist der Fall Augsburg also ein Einzelfall? Und wie verlässlich sind die bundesweit durchgeführten Tests? "Derzeit kommen RT-PCR-Testverfahren zum Einsatz, bei denen sowohl eine sehr hohe Spezifität als auch Sensitivität gegeben ist. Unserer Erfahrung nach liefert die Diagnostik höchst zuverlässige Ergebnisse", berichtet ein Sprecher des Bayerischen Gesundheitsministeriums gegenüber idowa. Demnach liege die Testgenauigkeit auch laut Robert-Koch-Institut (RKI) "bei nahezu 100 Prozent". RT-PCR ist die Kurzform von "reverse transcription polymerase chain reaction", einem diagnostischen Verfahren, bei dem zwei Verfahren zum Nachweis von Erbgut kombiniert werden.
Ursachenforschung nach der Testpanne
Doch wie ist dann die Testpanne des Augsburger Labors zu erklären? "Die Ursachen sind Gegenstand einer Prüfung. Grundsätzlich gilt aber auch: Die Labore handeln eigenverantwortlich und sind keinen zentralen Weisungen oder Überprüfungen unterworfen", heißt es hierzu von Seiten des Ministeriums. Der Sprecher verweist darauf, dass die Sicherheitsstandards in Deutschland sehr hoch seien. Die verwendeten Tests und Verfahren müssten validiert sein. Die Geschäftsführerin des Augsburger Labors, Gabriele Schön, hat derweil erste Berichte bestätigt, dass die Gründe für die Testpanne einerseits durch "massiv ansteigende Testzahlen" und zum anderen durch einen "Lieferausfall eines Herstellers" bedingt seien. Daraus resultierend sei eine Kontrolle aller positiver Ergebnisse "zeitnah nicht mehr möglich gewesen". Nicht zuletzt deshalb sieht sich auch der gesundheitspolitische Sprecher der FDP-Fraktion im Bayerischen Landtag, Dr. Dominik Spitzer, in seiner Kritik bestätigt: "Mich überrascht das kaum. Der Grund liegt klar auf der Hand: Es wird zu viel und zu unspezifisch getestet. Weil sich jeder zu jeder Zeit kostenlos testen lassen kann, werden die Ressourcen knapp."
Der Ablauf der Tests
Wie laufen die Tests konkret ab? In Bayern sind damit eine Vielzahl von akkreditierten Laboren unter Berücksichtigung der vorgegebenen Richtlinien der Bundesärztekammer beschäftigt. Beim PCR-Testverfahren wird das Erbgut immer wieder verdoppelt und auf Covid-19 hin untersucht. Laut Angaben des Ministeriumssprechers verwendet das Landesamt für Gesundheit (LGL) "derzeit ein RT-PCR-Testverfahren zum Nachweis von E-Gen und S-Gen". Es werden bei der Untersuchung also zwei Genregionen des Virus nachgewiesen.
Eben bei diesem Vorgehen scheint in dem Augsburger Labor etwas schiefgegangen zu sein. Dies soll nun Nachuntersuchungen nach sich ziehen. "Das Bayerische Gesundheitsministerium steht in einem engen Austausch mit den bayerischen Laborbetreibern. In diesen regelmäßigen Erörterungen wird ein realitätsnahes Bild der Situation in den Laboren gewonnen", berichtet der Sprecher des Ministeriums. Doch wie viele falsch positive Tests gab es denn bislang allein in Bayern? Eine Frage, die angesichts der täglich hochschnellenden Infektionszahlen nicht ganz unerheblich scheint. Die Antwort des Ministeriums darauf: "Eine belastbare Aussage dazu ist aufgrund fehlender Daten von hier aus leider nicht möglich."
Testergebnisse aus Augsburger Labor auch im Landkreis Straubing-Bogen
Auch im Landkreis Straubing-Bogen ist es bereits zu falsch positiven Testergebnissen gekommen - wenn auch nur "in wenigen Einzelfällen", wie Tobias Welck, Sprecher des Landratsamtes, auf idowa-Nachfrage berichtet. Seinen Angaben zufolge seien auch für den Landkreis Straubing-Bogen bereits vereinzelte Proben aus dem betroffenen Labor in Augsburg gekommen.
Wie verfährt man beim Landkreis nun, wenn Merkwürdiges in Zusamenhang mit Tests auffällt? Welck: "Bei fragwürdigen Testergebnissen ist die beste Methode eine Nachtestung mit dem gleichen Labormaterial. Sollte das gleiche Labormaterial nicht mehr vorhanden sein, so wird ein neuer Test empfohlen." Es sei eine Kombination aus mehreren Faktoren, die auf einen falsch positiven Test schließen lasse. "Wenn allesamt völlig fragwürdig sind, fragt das Gesundheitsamt nach einer Nachtestung mit dem gleichen Labormaterial an oder empfiehlt eben einen zweiten Test", so Welck zum Vorgehen.
Hauptsächlich arbeitet das Gesundheitsamt im Landkreis Straubing-Bogen mit dem Labor des LGL zusammen. "In der Vergangenheit hat man aber auch mit Synlab in Weiden zusammengearbeitet, weil das Labor des LGL noch nicht die Kapazitäten hatte", erklärt Welck. Darüber hinaus würden die Testergebnisse auch aus verschiedenen weiteren Laboren kommen. Je nachdem, wo die Tests von den niedergelassenen Ärzten hingeschickt wurden. Darauf habe das hiesige Gesundheitsamt keinen Einfluss.
Doch wie sollten Betroffene nun mit der immer mehr aufkeimenden Unsicherheit umgehen? Bei einem positiven Testergebnis sicherheitshalber direkt noch einmal testen lassen? "Nein, das ist nicht zu empfehlen", sagt Welck. Der Sprecher des Bayerischen Gesundheitsministeriums pflichtet ihm bei: "Der PCR-Test gilt als sehr sichere Nachweismethode einer Covid-19-Infektion. Bei einer sachgerecht durchgeführten Laboranalyse, die grundsätzlich unterstellt werden darf, kann sich die getestete Person auf das Ergebnis verlassen."