Tierschützerin aus München
Undercover gegen illegalen Welpenhandel
17. März 2021, 17:10 Uhr aktualisiert am 17. März 2021, 17:10 Uhr
Der illegale Welpenhandel aus osteuropäischen Ländern beschäftigt die Region in trauriger Regelmäßigkeit: Immer wieder werden an der Grenze Händler mit Hundebabys aufgehalten und die Tiere ins Tierheim gebracht. Viele aber schaffen es auch nach Deutschland - und die bekommen es dann oftmals mit Melanie Schmidt zu tun. Im Interview erzählt die Münchner Tierschützerin, warum sie ihren echten Namen nicht verraten will, wie sie gegen Welpenhändler vorgeht und warum sie sich mehr staatliche Unterstützung wünscht.
Melanie Schmidt kommt laut eigenen Angaben aus München, ist 27 Jahre alt und deckt seit rund sechs Jahren in Eigenregie Fälle von illegalem Welpenhandel auf. In Wirklichkeit heißt sie anders, möchte ihren echten Namen aber nicht in den Medien lesen - denn was sie tut, ist gefährlich. "Wir haben es hier mit Kriminellen zu tun", sagt sie am Telefon. "Deshalb muss ich mich und mein Umfeld schützen, auch weil ich die Händler ja anzeige und sie so an meine Anschrift kommen könnten." Diese Sicherheitsmaßnahme ist auch nötig, denn die Tierschützerin wird regelmäßig bedroht. "Im Prinzip nehme ich diesen Händlern ja ihre Ware und damit auch Geld weg", erklärt sie. "Dementsprechend kommen da schon viele Anrufe, Emails und Droh-SMS so nach dem Motto 'Wir kommen zurück' oder 'Wir holen uns das Geld von dir wieder'." Melanie Schmidt nimmt diese Drohungen in Kauf, denn der Kampf gegen den Welpenhandel liegt ihr am Herzen. Im Interview hat sie uns davon erzählt.
Frau Schmidt, diese Sache mit den Drohungen klingt auf jeden Fall emotional fordernd. Was macht das mit Ihnen?
Melanie Schmidt: Man stellt sich schon oft die Frage, ob das jetzt nur leere Drohungen sind, oder ob da wirklich jemand was in die Tat umsetzen will. Zudem frage ich mich natürlich immer wieder, wie viel die Händler wirklich von mir wissen. Da bin ich sehr froh, eine Ansprechpartnerin bei der Polizei-Opferschutzstelle in München zu haben. Wenn ich ein leichtes Panik-Gefühl bekomme, dann erklärt sie mir die Fakten, beruhigt mich oder teilt mir mit, wenn sie eine Drohung für unglaubwürdig hält. Das hilft, aber es bleibt ein ungutes Gefühl zurück. Ich hatte auch mal eine Stalkerin, die mich anderthalb Jahre lang 20 bis 30 mal am Tag angerufen hat - trotz polizeilichem Verbot. Wenn die Händler herausfinden, dass ihre Hundewelpen im Tierheim München-Riem sind, tauchen die außerdem auch manchmal dort auf, um ihre 'Ware' zurückzufordern. Solche Sachen sind schon belastend.
"Das sind viele Einzelschicksale"
Sie nehmen auf jeden Fall Einiges auf sich, um das zu tun, was sie tun. Was treibt Sie an?
Schmidt: Für mich lohnt es sich für jeden einzelnen Welpen als Lebewesen. Dadurch, dass die Tiere beschlagnahmt werden, lässt sich ihr Leben oft zum Positiven verändern: Ein Welpe kommt zunächst in professionelle Hände und dann im besten Fall in ein gutes Zuhause. Es geht mir aber auch um die Muttertiere, die ja meist in Osteuropa in Kellerverschlägen hausen müssen, niemals Tageslicht sehen und quasi nie von einem Tierarzt behandelt werden. Sie werden mit Medikamenten vollgepumpt, damit sie möglichst viele Welpen gebären, und wenn das nach drei bis vier Jahren nicht mehr geht, werden sie erschlagen und buchstäblich entsorgt. Das finde ich schrecklich für die Tiere - es treten aber auch oft Käufer an mich heran. Die erzählen mir dann, sie hätten einen Welpen gekauft, der krank war oder nach ein paar Tagen gestorben ist. Das sind eben auch viele Einzelschicksale, die meist durch illegalen Welpenhandel entstehen.
Können Sie da ein Beispiel geben?
Schmidt: Ich hatte letztes Jahr den Fall einer Familie, deren Tochter einen wahrscheinlich illegal gehandelten Zwergspitz-Welpen bekommen hat. Der hatte aber eine Virus-Erkrankung, bei der er sozusagen innerlich verblutet ist. Da liest man dann den Tierarzt-Bericht aus der Klinik, wo geschildert wird, wie versucht wurde, diesen winzigen Hund zu reanimieren und ihm Infusionen zu geben - er aber dann trotzdem qualvoll gestorben ist. Dann weint dieses kleine Mädchen natürlich tagelang, kann nicht mehr in die Schule gehen und so weiter. Sowas geht mir nahe, und da versuche ich meinen Beitrag zu leisten, um auf diese Praktiken aufmerksam zu machen und auch die Politik dazu zu bringen, dem illegalen Welpenhandel einen Riegel vorzuschieben.
Wie sind Sie dazu gekommen, ihren Beitrag in genau dieser Form zu leisten?
Schmidt: Vor ungefähr sieben Jahren habe ich in den Medien von dem Thema illegaler Welpenhandel erfahren und mich dann mal auf diesen einschlägig bekannten Plattformen umgeschaut, auf eBay-Kleinanzeigen beispielsweise. Ich bin relativ schnell auf verdächtige Anzeigen gestoßen und habe die dem zuständigen Veterinäramt gemeldet, aber dann nie wieder was gehört. Der Händler hat aber einfach weiter verkauft - und das war ziemlich unbefriedigend, weil ich mir dachte, hier müsste man ja sofort aktiv werden, um idealerweise noch den ganzen Wurf retten zu können. Also habe ich mir gedacht: Dann gehe ich da eben selber hin und rufe direkt die Polizei, denn die muss ja dann kommen. So bin ich da reingerutscht.
"Ein Welpe wurde im Paket nach München verschickt"
Auf welchen Wegen kommen denn die Welpen Ihrer Erfahrung nach vor allem nach Deutschland?
Schmidt: Ich würde sagen in 95 Prozent der Fälle mit dem Auto aus Osteuropa, vor allem aus Rumänien, Bulgarien, Ungarn, Polen, und der Slowakei. Vereinzelt kommen sie auch mit dem Flugzeug oder mit der Bahn - und ein Welpe wurde tatsächlich schon mal im Paket von Rumänien nach München verschickt.
Sie haben uns per Mail einen aktuellen Fall geschildert, bei dem Sie im Internet mehrere Anzeigen auf Französische Bulldoggen-Welpen für 2.200 Euro pro Tier gesehen haben. Sie haben sich dann mit einer Kontaktperson getroffen und die Polizei hat in Zivil im Hintergrund gewartet. In einer zu kleinen Transportbox mit Papierschnipseln brachte ein Mann aus Ungarn dann zwei braune Welpen und es stellte sich heraus, dass die Tiere gefälschte Heimtier-Pässe hatten, weil sie mit 14 Wochen eigentlich noch zu jung für einen Transport nach Deutschland waren. Die Polizei hat dann eingegriffen, die Welpen beschlagnahmt und Strafanzeige gegen den Mann gestellt. Ist das ein typischer Fall, wie er Ihnen öfter begegnet?
Schmidt: Auf jeden Fall. Hier sollte einfach Geld verdient werden, und zwar auch auf besonders dreiste Art: Für das Geld, das hier verlangt wurde, würde man auch von einem seriösen Züchter in Deutschland einen gesunden Hund mit ordnungsgemäßen Papieren bekommen. Durch Corona sind die Preise für Welpen aber immens explodiert und das Geschäft der illegalen Händler floriert so wie sonst nur zu Weihnachten. Im Lockdown und im Homeoffice wollen alle Leute plötzlich Tierbabys haben, die Tierheime haben keine mehr und die deutschen Züchter haben ihre Wartelisten für fünf Jahre voll. Da bleibt für Viele vermeintlich nur noch der Weg über die illegalen Welpenhändler.
Welche Hunderassen werden denn besonders häufig illegal gehandelt?
Schmidt: Ganz besonders beliebt sind klein bleibende Rassen wie eben Französische Bulldogge, Zwergspitz oder Malteser. Die werden insgesamt auf jeden Fall am meisten gehandelt. Bei den größeren Rassen findet man oft Golden Retriever, Labrador oder Schäferhund - und dann gibt es noch die Kategorie Kampfhunde, also beispielsweise Pitbull-Terrier oder kupierte Dobermänner. Da ist es allein schon illegal, die überhaupt nach Deutschland einzuführen.
Freundlich bleiben, Ruhe bewahren
Führen Sie uns doch mal durch Ihren Prozess: Wie finden Sie die Fälle, derer Sie sich annehmen wollen, und wie gehen Sie dann genau vor?
Schmidt: Ich gehe zuerst beispielsweise auf den Tiermarkt von Ebay-Kleinanzeigen und gebe in der Suchleiste 'Welpen' mit einem Umkreis von 300 Kilometern um München ein. Dann werden mir sehr viele Hunde angezeigt, aber ich habe mittlerweile ein geschultes Auge dafür, was seriös ist, was vielleicht verdächtig sein könnte und was definitiv ein Fall von illegalem Welpenhandel ist. Wenn ich einen guten Verdacht habe, schreibe ich ins Kontaktformular beispielsweise, dass ich 30 Jahre alt bin und mit meinem Freund zusammen gerne einen Hund haben würde, und ob denn einer der Welpen noch verfügbar wäre. Man kommt dann ins Gespräch und meistens tun sich schnell die ersten Probleme auf: Wenn man fragt, ob man vorbeikommen könne, oder ob es Bilder vom Muttertier gibt, heißt es oft, das gäbe es nicht oder die Welpen könnten erst in zwei Wochen angeschaut werden. Das ist ein Indiz dafür, dass die Tiere eigentlich noch im Ausland sind - und manche Händler geben das auch ganz offen zu, dass die Hunde grade noch in Rumänien sind. Das bieten sie einem dann oft auch ganz 'liebevoll' an, so nach dem Motto es gäbe keine Transportkosten und sie würden den Welpen quasi bis vor die Haustür bringen. Das können sie auch machen, weil sie durch den illegalen Handel eh schon so viel Geld verdienen.
"Dann erfolgt schon meistens der Zugriff"
Und dann treffen Sie sich mit denen und führen einfach ein ganz normales Beratungsgespräch?
Schmidt: Genau, meistens machen wir irgendeine Adresse in München aus, manche Händler schlagen aber auch einen Autobahn-Rastplatz oder einen Parkplatz in irgendeinem Gewerbegebiet vor. Ich habe dann einen Ansprechpartner bei der Münchner Polizei, einen Polizeioberkommissar, dem ich sage, dass ich zu einer bestimmten Zeit einen mutmaßlichen Fall von illegalem Welpenhandel habe und Unterstützung brauche. Weil das meist am Wochenende ist, muss die Polizei das übernehmen, denn das Veterinäramt arbeitet da nicht und als Privatperson darf ich die Tiere nicht sicherstellen. Ich bespreche mit der Polizei im Vorfeld ein Zeichen für den Zugriff - das kann beispielsweise sein, wenn die Papiere rausgeholt werden, wenn der Kofferraum aufgeht oder wenn ich den Arm hebe. Wenn die Händler dann angefahren kommen, tue ich nochmal ganz freundlich, frage wie die Fahrt war, woher die Welpen kommen und solche Dinge, damit das vielleicht auch ein Zivilpolizist hören kann, der dabei ist. Und dann erfolgt eigentlich auch schon meistens der Zugriff. Im Prinzip sowas wie ein Undercover-Einsatz, was ich da mache.
Ist es anstrengend für Sie, in solchen Situationen immer freundlich zu bleiben? Sie mögen diese Leute ja logischerweise nicht besonders...
Schmidt: Als Privatperson würde ich wahrscheinlich regelmäßig ausrasten, weil mich das super wütend macht. Wenn ich in der Situation bin, bin ich aber Melanie Schmidt, mein Alias. Natürlich bin ich dann aufgeregt, vor allem vorher, aber in den Gesprächen bin ich dann schon recht ruhig und freundlich, weil ich ja auch den polizeilichen Zugriff nicht gefährden will. Wenn die Händler merken würden, dass ich das nicht gut finde, wären sie wohl schnell wieder weg oder würden gar nicht erst auftauchen. Ich versuche einfach, sachlich zu bleiben und mich nicht von Emotionen leiten zu lassen.
Sie arbeiten ja regelmäßig mit der Polizei zusammen. Ist die Ihnen dankbar für Ihren Einsatz?
Schmidt: Ich würde sagen, das ist unterschiedlich. Es gibt bestimmt Polizisten, die das gut finden, andere belächeln das wohl eher oder sehen es kritisch, was meine Eigensicherheit betrifft. Das sind eben schon riskante Situationen, in die ich da manchmal reingehe, zumal viele der Händler erfahrungsgemäß nicht nur Welpen handeln: Drogen, Waffen und Rotlicht-Aktivitäten sind da durchaus auch manchmal ein Thema. Das ist eine Gefahr, derer ich mir wohl bewusster sein müsste, und das sieht die Polizei natürlich schon kritisch.
Gibt es Fälle, die Ihnen besonders zu schaffen machen?
Schmidt: Es kommt leider immer wieder vor, dass Welpen schon halb tot in Deutschland ankommen, und dann auch nach wenigen Tagen sterben. Das macht mich sehr traurig. Wütend bin ich, wenn ich merke, dass ich einen bestimmten Händler schon zum fünften Mal hochgenommen habe, er aber trotzdem weiter verkauft. Und dann gibt es natürlich noch die kupierten Hunde, mit aufgeschnittenen Ohren, abgeschnittenem Schwanz, eitrigen Wundrändern und sowas. Da fragt man sich schon, wieso es in Deutschland eigentlich immer noch Leute gibt, die das schön finden und den Hund solchem Leid aussetzen. Das sind Dinge, die mich auf jeden Fall beschäftigen.
"Es gibt einen, der im Hintergrund die dicke Kohle macht"
Werden Sie denn nicht erkannt, wenn Sie öfter mit dem gleichen Händler zu tun haben?
Schmidt: Naja, mit dem Händler selbst hat man eher selten Kontakt. Es gibt eben einen, der im Hintergrund die dicke Kohle macht, und der dann immer verschiedene Fahrer mit den Welpen losschickt. Das merkt man oft erst beim Treffen, wenn man dann im Pass der Tiere sieht, wer als Eigentümer eingetragen ist. Wenn ich aber vorher weiß, dass das ein 'alter Bekannter' ist, versuche ich schon auch, andere Lockvögel zu organisieren, und komme selbst erst beim Zugriff dazu.
Was müsste sich in Ihren Augen ändern, damit der Kampf gegen den illegalen Welpenhandel effektiver geführt werden kann?
Schmidt: Der illegale Welpenhandel wird momentan nur als Ordnungswidrigkeit geahndet, meiner Meinung nach müsste das aber definitiv als Straftat gelten. Dann hätte man auch die Möglichkeit, mal eine Gefängnisstrafe dafür zu verhängen, was manche Händler vielleicht abschrecken würde. Zudem müsste der Verkauf eigentlich aller Lebewesen via Internet verboten oder zumindest stark reguliert werden. In Österreich ist es zum Beispiel so, dass Privatpersonen gar keine Hunde mehr verkaufen dürfen, sondern nur noch Tierschutzvereine, die auch einen Sachkunde-Nachweis haben. Eine Registrierungspflicht für implantierte Chips wie in der Massentierhaltung wäre ebenfalls angebracht, weil man dann viel besser nachvollziehen könnte, woher die Tiere eigentlich kommen, und diese ganze Dokumentenfälschung vielleicht unterbinden könnte. Wäre das alles gegeben, würde ich wohl aufhören, diesen Kampf privat zu führen.