Bayern

Umbruch an den Gleisen: Vom Abriss zum Aufbau

2002 bis 2022: Für "Achse im Wandel" haben neun Fotografen den Umbruch an den Gleisen dokumentiert- zwischen Hauptbahnhof, Laim und Pasing. Initiator Werner Resch wirfteinen kritischen Blickauf die Entwicklung.


Mit der Lochkamera festgehalten: Bahnbaustelle 2003.

Mit der Lochkamera festgehalten: Bahnbaustelle 2003.

Von Eva von Steinburg

Das Freiheiz an der Donnersbergerbrücke mit dem roten Schornstein und der Bürkleinbahnhof aus Backstein neben dem Pasinger Bahnhof: Relikte der Industrie- und Bahngeschichte entlang der Gleise an der Achse Hauptbahnhof - Laim - Pasing. Diese zwei Gebäude sind bei Abriss und Neu-Bebauung des Bahn-Geländes seit 2002 revitalisiert worden. "Man hätte mehr Eisenbahnarchitektur retten können. Es ist sehr schade, dass der alte Laimer Güterbahnhof nicht in Teilen erhalten wurde, vielleicht als Kulturzentrum?", kommentiert das Fotograf Werner Resch (68).

Resch ist der Initiator der erfolgreichen Foto-Ausstellung "Achse im Wandel". Mit acht weiteren Münchner Fotografen aus seinen Volkshochschulkursen hat er den Umbruch entlang der acht Kilometer langen S-Bahn- und Zugstrecke als Langzeitstudie dokumentiert. Die besten Fotos sind in der Pasinger Fabrik ausgestellt.

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Das markante Cap West an der Friedenheimer Brücke.

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Um die Hackerbrücke wird gebaut - das Gras wird hier nicht mehr lange wachsen.

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Das Denkmal Paketposthalle 2003, davor viel Schotter.

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Die ehemalige Zugwaschanlage an den Gleisen.

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Achse im Wandel

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Fotograf Werner Resch in der Pasinger Fabrik.

Die Aufnahmen zeigen, "wie der größte innerstädtische Bereich, der in München überplant werden konnte, von 2002 bis 2022 sein Gesicht verändert hat", formuliert es Werner Resch. Die Weite um die Gleise, das klassische Ödland, war S-Bahn-Fahrgästen im Münchner Westen jahrzehntelang vertraut: ein Blick auf Bahnschwellen und Unkraut, besprühte rostige Waggons, abgeschnittene Gleise, Schotter und traurige Schrebergärten.

Innerhalb von 20 Jahren sind auf diesem Ödland das Quartier am Arnulfpark und viele neue Büroräume gewachsen. Der ZOB, der Zentrale Omnibusbahnhof, steht heute an der Stammstrecke. Neben das Gleisbett wurde das Shopping-Center Pasing Arcaden gepflanzt. Platz für über 17 000 Einwohner ist entstanden, dazu rund 21 000 Büro-Arbeitsplätze, informiert ein Ausstellungs-Plakat.

"Abriss und Aufbau - unsere Fotos transportieren eine extreme Veränderung in einem kurzen Zeitraum. Sie erhalten das Gelände im Stadtgedächtnis", sagt Werner Resch.

Denn Menschen vergessen schnell, und das Areal an den Gleisen sieht komplett verändert aus. Das Atmosphärische von damals, das, was unwiederbringlich verlorenging, wollten seine Fotografen-Kollegen und er einfangen.

Zur Atmosphäre von heute meint er: "Das ist ein bisserl meine Kritik, ich werde es auch auf der geplanten Podiumsdiskussion sagen: Ich finde es schade, dass hier keine Architektur gebaut wurde, die einen Bezug zur Geschichte des Ortes hat. Zur Eisenbahn, die so immens wichtig für die Entwicklung von München war", erklärt Resch. Bei anderen Neubauprojekten in der Republik ist der historische Kontext dagegen stark berücksichtigt worden: Ein Beispiel ist die Hafencity Hamburg. An den Gleisen in München sei eine "beliebige moderne Architektur" entstanden, die genauso woanders in Deutschland, wie in Castrop-Rauxel stehen könnte, stört den Fotografen.

Konkret hätte mit Klinker gebaut werden können, meint eine Ausstellungsbesucherin. Der Industriecharme des Ortes hätte auch anders zitiert werden können, sagt eine andere Pasingerin, auf sie wirken die Neubauten "monoton".

"Schade, dass das angedachte Entree zur Stadt an der Friedenheimer Brücke nicht gebaut wurde. Architektonisch sticht kaum etwas aus der langen Achse heraus. Mir fehlt an den Gleisen ein Akzent", erklärt Fotograf Werner Resch.

Die verschiedenen Baukörper wirken auf viele Münchner banal aneinandergereiht. S-Bahn-Pendler, die die Strecke gut kennen, erkennen kein Gesamtkonzept bei der Stadtplanung. Als habe man die alten Bahnflächen parzelliert und den Bauträgern auf dem Areal freie Hand gelassen. Die Metamorphose der circa 178 Hektar Bahnflächen zwischen Hauptbahnhof und Pasing ist fast abgeschlossen. Für das Kulturzentrum Pasinger Fabrik ein Grund, das Projekt aus der Perspektive der Menschen im Münchner Westen einer kritischen Gesamtschau zu unterziehen.

Ein Aspekt ist: Welche Lerneffekte ergeben sich für andere Stadtentwicklungsprojekte? Die Podiumsdiskussion "Achse im Wandel - die Metamorphose der zentralen Bahnflächen" findet am 21. Januar von 14 bis 15.30 Uhr statt. Gäste: Architekt Ludwig Wappner, Werner Resch, Erhard Thiel, der ehemalige Leiter des Projekts vom Stadtplanungsreferat, Frieder Vogelsgesang, Vorsitzender des BA Pasing-Obermenzing und Katharina Horn vom Bund Naturschutz (Pasinger Fabrik, August-Exter-Straße 1).

Die Ausstellung ist bis 29. Januar in der Pasinger Fabrik zu sehen. Öffnungszeiten: Di. bis Sa. von 16 bis 20 Uhr.

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Zur Ausstellung ist ein Buch mit 245 Abbildungen erschienen: Werner Resch u. a.: "Achse im Wandel: Hauptbahnhof Laim Pasing", Franz Schiermeier Verlag, 176 Seiten, 19,50 Euro.i