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In Oberbayern sind derzeit dreimal so viele Geflüchtete untergebracht wie 2015. Auch in München steigen die Zahlen und die Unterkünfte füllen sich. Wie geht die Stadtdamit um?


In ihrem Infobus beraten Anna Koch (26) und Omar Degner (27, rechts) Asylsuchende in München. Denn die Dokumente zu verstehen, ist oft nicht einfach.

In ihrem Infobus beraten Anna Koch (26) und Omar Degner (27, rechts) Asylsuchende in München. Denn die Dokumente zu verstehen, ist oft nicht einfach.

Von Christina Hertel

München - Immer mittwochs, immer um 17 Uhr parkt Mustaza Farooqi seinen weißen Bus in einem Gewerbegebiet im Münchner Norden vor einem Designermöbelgeschäft. Dann klappt er Tische und Stühle auf - und wartet auf Menschen, die vor Krieg, Hunger oder Gewalt geflohen und nebenan angekommen sind: in einem siebenstöckigen Bürohaus an der Lotte-Branz-Straße 2, zwischen Fitnessstudios, Getränkemarkt und Autowerkstätten.

Mustaza Farooqi berät für den Münchner Flüchtlingsrat Asylbewerber. Die Organisation darf keine Unterkünfte betreten, der Freistaat verbietet das. Deshalb parkt der 35-Jährige immer ein paar Meter entfernt. Er kommt nie alleine, der Flüchtlingsrat ist auf Ehrenamtliche angewiesen - so wie auf Paul Wabnitz.

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Jamal Telawi (53, r.) kam vor vier Tagen in München an. Er will von Mustaza Farooqi wissen, wie er einen Job findet.

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Paul Wabnitz (23, Mitte) arbeitet als Ehrenamtlicher für den Infobus des Münchner Flüchtlingsrats.

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Mustaza Farooqi (35) ist aus Afghanistan geflüchtet. Jetzt ist sein Job, anderen Geflüchteten zu helfen.

Vor drei Wochen, erzählt der 23-Jährige, seien sie mittwochs oft bis 21 Uhr hier gewesen, weil so viele Geflüchtete Rat suchten. Auch Mustaza Farooqi sagt, dass die Unterkünfte und Ankerzentren rund um München immer voller werden.

Das ist nicht nur der subjektive Eindruck der beiden, das lässt sich in Zahlen belegen. Die Regierung von Oberbayern zählt immer mehr Menschen, die im Münchner Ankunftszentrum ankommen. Das ist die erste Anlaufstelle für Asylbewerber. Von hier aus sollen sie innerhalb weniger Stunden an eine Einrichtung weiterverteilt werden.

Im Januar vor einem Jahr kamen im Schnitt 23 Asylsuchende an, im November 91 und in diesem Januar sind es durchschnittlich 50.

Insgesamt sind in allen oberbayerischen Unterkünften derzeit rund 60 500 Personen untergebracht, darunter rund 27 900 ukrainische Kriegsflüchtlinge. Weitere rund 30 000 ukrainische Geflüchtete leben in privaten Wohnungen. Macht 90500 Geflüchtete in ganz Oberbayern.

Zum Vergleich: Ende 2015, dem Jahr, in dem viele von einer "Flüchtlingskrise" sprachen, lebten in oberbayerischen Unterkünften 30 300 Asylbewerber. Das ist im Vergleich zu heute ein Drittel.

In ganz Deutschland, nicht nur in München und Oberbayern, kommen gerade wieder mehr Geflüchtete an. Die Bürgermeister klingen so ähnlich wie 2015. Der Druck sei zu hoch, die Kapazitätsgrenzen erreicht, sagen sie. Und wie geht es München mit all den Menschen, die hier Schutz suchen?

An diesem Mittwochabend ist Jamal Telawi zum Bus der Asylberater gekommen. Er ist 53 und mit seinen beiden Töchtern aus Jordanien geflohen. Vor vier Tagen sei er in München angekommen. Er will wissen, wie er Arbeit findet. "Ich bin Schweißer", sagt Jamal Telawi auf Deutsch.

Bis er 13 Jahre alt war, lebte er in Frankfurt. Auf seinem Handy zeigt er das Foto einer rothaarigen Frau. "Das war meine Lehrerin früher in der Schule", sagt Jamal. "Es ist 40 Jahre her, aber die Sprache ist immer noch in meinem Kopf."

"Du hast gute Chancen", sagt Farooqi. "Deutschland sucht Handwerker. Aber jetzt musst du erst einmal warten." Mustaza Farooqi weiß aus eigener Erfahrung, dass man als Geflüchteter Geduld braucht: Er ist aus Afghanistan geflohen und kam 2016 in Deutschland an.

In den Unterkünften habe er damals Menschen getroffen, die seit Jahren auf ihre Bescheide warteten. Inzwischen gehe es meistens schneller. Aber gut sei längst noch nicht alles, meint er. Mustaza Farooqi erzählt von Unterkünften rund um München, wo die Wände schimmeln und wo es jeden Tag nur Thunfisch zu essen geben soll.

Und wie ist es hier an der Lotte-Branz-Straße? Alles gut, antwortet Jamal, seine Töchter hätten schon die ersten Deutschstunden bekommen.

"Die Stadt ist recht engagiert", sagt Willi Dräxler, der bei der Caritas in München und Freising für Migration zuständig ist. Die Betreuung der Geflüchteten in München sei intensiver als in den Landkreisen, meint er.

Es gebe mehr Möglichkeiten, sich beruflich zu qualifizieren, mehr Sprachkurse, mehr Beratung. "Aber München kann sich eben durch seine Gewerbesteuereinnahmen auch mehr leisten."

Das größte Problem in München ist aus seiner Sicht der Mangel an Wohnraum. In den Unterkünften, erzählt Dräxler, wohnen noch viele Asylbewerber, die schon längst in eine eigene Wohnung umziehen dürften - aber keine finden.

Jetzt werden die Unterkünfte immer voller. "Wir werden die Kirchenverwaltungen bitten, nach neuen Grundstücken zu suchen", sagt Dräxler.

Auch Verena Dietl ist auf der Suche nach neuen Flächen für Unterkünfte. Sie ist als SPD-Bürgermeisterin für Soziales zuständig. Eine eigene Taskforce suche nach Grundstücken für Leichtbauhallen, nach Hotels und Gewerbeflächen, sagt sie. "Der Bedarf ist inzwischen so groß, dass man eigentlich gar kein Angebot ablehnen kann."

Für Geflüchtete, die nicht aus der Ukraine stammen, kann die Stadt laut Sozialreferat momentan rund 3400 Betten anbieten. 90 Prozent davon seien belegt. Für ukrainische Geflüchtete hat die Stadt noch einmal fast 1960 Betten. Sie sind zu 84 Prozent voll.

Im Laufe dieses Jahres will die Stadt acht neue Unterkünfte eröffnen - mit insgesamt 1620 Plätzen. "München ist seiner Verantwortung immer nachgekommen", sagt Dietl. "Und das werden wir auch weiterhin tun." Sie klingt da ganz anders als der Oberbürgermeister von Kaiserslautern Klaus Weichel, auch ein Sozialdemokrat. Der sagte vor Kurzem in der Tagesschau: Seine Stadt sei "am Ende der Unterbringungs- und Integrationsfähigkeit angekommen".

Dietl sagt: München könne auch kurzfristig ein "Notfallprogramm" hochfahren. An der Messe baute die Stadt eine Zeltstadt auf, doch bisher war diese laut Sozialreferat nur ein paar Tage belegt. Bis Mitte März soll sie auf jeden Fall bleiben.

Dass bald weniger Menschen nach Deutschland fliehen - damit sollte München auf jeden Fall nicht rechnen, meint Willi Dräxler von der Caritas. Und das glauben auch die Berater vom Flüchtlingsrat nicht.

Der Erste, den sie an diesem Mittwochnachmittag beraten, ist kein Geflüchteter. Er lebt in München, stammt ursprünglich aus Tschetschenien und will wissen, wie er den Leuten dort helfen kann.

Tschetschenen kämpfen auch in dem Krieg zwischen Russland und der Ukraine - auf beiden Seiten. Wie geht es weiter, wenn sie nach München kommen, fragt der Mann.

Mustaza Farooqi erklärt den langen Weg von der Ankunft zur Wohnung. "Die Regierung entscheidet, wohin die Menschen verteilt werden", sagt er. Bei den geflüchteten Ukrainern ist das anders, sie dürfen gleich nach einer Wohnung und nach einer Arbeit suchen.

"Ich muss jetzt erstmal überlegen", sagt der Mann, bedankt sich, verabschiedet sich und geht nach Hause in seine eigene Wohnung.

Jamal, der Schweißer aus Jordanien, geht später ein paar Meter weiter in das Haus, das einst ein Büro war und jetzt seine Unterkunft ist.