Bayern

Seniorin (75) aus München: Bei ihr stehen Gauner Schlange

Die 75-Jährige erhält ständig dubiose Anrufe. Zuletzt bot ihr jemand ein Erbe über fast neun Millionen Euro an. Hier erzählt die Münchnerin, mit welchen Methoden immer wieder versucht wird, sie hereinzulegen.


Die 75-Jährige aus München glaubt kein Wort von dem, was ihr in dem Brief versprochen wird - ein angebliches Millionenerbe.

Die 75-Jährige aus München glaubt kein Wort von dem, was ihr in dem Brief versprochen wird - ein angebliches Millionenerbe.

Von Ralph Hub

München - Ein entfernter Verwandter, der kürzlich verstorben ist und seinen Angehörigen ein Millionenerbe hinterlässt - das ist die neueste Masche, mit der ein Betrüger versucht, die 75-jährige Münchnerin aufs Kreuz zu legen. Einer von vielen - ständig wollen ihr Gauner mit immer neuen Märchen das Geld aus der Tasche ziehen.

Der Brief aus Spanien lag vor einigen Tagen bei der 75-Jährigen aus Harlaching in der Post. Die Münchnerin, nennen wir sie zu ihrem eigenen Schutz Barbara Fischer, war überrascht. Ein Verwandter habe ihr knapp neun Millionen Euro hinterlassen. Noch mehr überraschte sie allerdings der Name des angeblichen Erblassers: Robert. "Es gibt niemanden in meiner Familie, der Robert heißt", sagt Barbara Fischer. "Und erst recht niemanden, der mir knapp neun Millionen Euro vererben würde."

Der Brief eines angeblichen Beraters ist voller Grammatik- und auch Rechtschreibfehler.

Der Brief eines angeblichen Beraters ist voller Grammatik- und auch Rechtschreibfehler.


Der Absender des Briefs nennt sich Pedro Moreira, angeblich ein Berater aus Madrid. Das Schreiben ist voller Rechtschreib- und Grammatikfehler: "Als erstes, möchte ich Ihnen um Ihre vertrauen in diese Transaktion bitten, diese ist völlig vertraulich und streng Geheim." Ein ungewöhnlich unprofessionelles Gestammel für einen angeblich geprüften Fachübersetzer.

Offenbar benutzte der Absender Google Translate. Abgeschickt wurde der Brief laut Poststempel im Januar in Valencia. Die Firma des angeblichen Übersetzers ist laut Briefkopf aber im rund 350 Kilometer entfernten Madrid angesiedelt.


Pedro Moreira behauptet, das Millionenerbe werde von der Bank oder vom Zoll beschlagnahmt, falls kein Verwandter Anspruch erhebt. Geschickt spielt der Mann in dem Brief mit der menschlichen Gier. Durch ihn sei mühelos an ein Vermögen zu kommen. Barbara Fischer müsse sich lediglich bei ihm melden, die restliche Transaktion werde er übernehmen - natürlich völlig legal, wie der Mann versichert.

Jeder, der sich auf so einen Deal einlässt, das belegen ähnliche Fälle, sieht sich früher oder später mit horrenden Forderungen für angeblich fällige Gebühren, Steuern oder andere Transaktionskosten konfrontiert. Es läuft immer darauf hinaus, dass die Opfer erst selbst bezahlen sollen, bevor sie dann angeblich an das versprochene Vermögen herankommen.

Um das Angebot an die Münchnerin besonders edelmütig erscheinen zu lassen, schlägt der angebliche Berater vor, dass sie 20 Prozent der Summe spenden solle - den restlichen Betrag teile man anschließend untereinander auf. "Ich möchte Ihnen vergewissern, dass dieser Auftrag völlig Risikofrei ist", geht das Gestammel im Brief weiter.

"Ich habe über diesen plumpen Versuch, mich mit einer Erbschaft zu ködern, nur herzlich gelacht", sagt Barbara Fischer. Sie will Anzeige bei der Polizei erstatten, Brief und Kuvert kommen zur Spurensicherung ins Präsidium. Dort kennt man Betrugsmaschen wie die mit dem angeblichen Millionenerbe.

Alles erstunken und erlogen, warnen Fahnder der Polizei. "Es gab in den letzten Jahren eine Hand voll Versuche in ganz Bayern per Fax", sagt Polizeisprecher Gordon Winkel. Hereingefallen ist keiner. In diesem Jahr gab es bereits zwei Versuche, ebenfalls erfolglos. Die Dunkelziffer dürfte allerdings deutlich höher liegen, schätzt das Präsidium, in den allermeisten Fällen landen die Schreiben ohne Umwege im Müll oder im Spam-Ordner.

Der Name Pedro Moreira ist bisher aber noch nicht bei der Münchner Polizei aufgetaucht. "Zu der Person oder den angegebenen Geschäftsdaten von 'PM Abogados Asociados' liegen uns keine Informationen vor", sagt Gordon Winkel auf Anfrage der AZ.


Eine Internetrecherche ergibt: Das dubiose Schreiben kursiert in ähnlicher Form bereits seit etwa einem Jahr im Netz. Immer geht es um ein angebliches Millionenerbe. Ungewöhnlich ist, dass das Angebot an Barbara Fischer als Brief verschickt wurde und nicht, wie sonst oft der Fall, als E-Mail, heißt es bei der Polizei.

Darüber, woher die Gauner die Adresse der 75-Jährigen aus Harlaching haben, lässt sich nur spekulieren - vermutlich aber aus dem Telefonbuch.

Vor allem ältere Menschen stehen dort immer noch mit ihrem vollen Namen und Adresse. "Die Täter suchen ganz gezielt nach Opfern mit aus der Mode gekommenen Vornamen", sagt Gordon Winkel. Erna, Wilhelm und ähnliche Namen lassen auf ältere Semester schließen.

Kriminaler raten, private Einträge im Telefonbuch streichen zu lassen, was viele Leute bereits tun. Seit Jahren werden Telefonbücher deshalb immer dünner. Es gibt aber auch elektronische Verzeichnisse im Internet. "Zumindest sollte man seine Privatadresse weglassen und den Vornamen abkürzen", rät Polizeisprecher Winkel.

Wer bereits ins Visier von Trickbetrügern und Gaunern geraten ist, dem bleibt meist nichts anderes übrig, als sich neue Nummern für Handy und Festnetz zu besorgen, notfalls auch eine Geheimnummer.

Bei Razzien in Callcentern in Polen und der Türkei wurden Festplatten mit umfangreichen Listen zu Daten von Opfern gefunden und von der Polizei sichergestellt. Dass Banden diese Informationen untereinander teilen, halten Fachleute für eher unwahrscheinlich.

Bei Barbara Fischer treten sich die Gauner beinahe auf die Füße. Seit Jahren melden sich bei ihr immer wieder die unterschiedlichsten Trickbetrüger mit ständig wechselnden Maschen. Erfolg hatte bisher keiner von ihnen.


Anfang Januar versuchte es einer mit dem Enkeltrick. "Oma ich brauche dringend deine Hilfe", sagte der Mann am Telefon. Barbara Fischer war sofort klar, dass sie es mit einem Betrüger zu tun hat. "Ich ruf die Polizei, die wird dir bestimmt helfen", sagte sie. Der Anrufer legte sofort auf. "Seitdem habe ich von meinem 'Enkel' nichts mehr gehört", erzählt die 75-Jährige und lacht.

Davor erhielt Barbara Fischer eine Nachricht per WhatsApp. Freunde aus Großbritannien, die angeblich dringend ihre Hilfe brauchen. "Ich habe zwar tatsächlich Bekannte auf der Insel", sagt Barbara Fischer. "Aber wir kommunizieren ausschließlich per Mail."

Überteuerte italienische Delikatessen wollte man ihr auch schon am Telefon aufschwatzen. Den landwirtschaftlichen Betrieb in Ligurien gibt es tatsächlich. Nur hat der Bauernhof nichts mit den Gaunern zu tun, die bei Barbara Fischer wochenlang anriefen. Deren Telefonnummer hatte eine südfranzösische Vorwahl und nicht wie man erwarten würde eine italienische.


Auch die Masche mit dem angeblichen Servicetechniker von Microsoft, der anruft, um bei der Behebung eines Computerproblems zu helfen, kennt Barbara Fischer. "Ich habe manchmal das Gefühl, die Gauner stehen bei mir Schlange", sagt die Münchnerin. Sie will sich jetzt eine Geheimnummer zulegen, damit sie endlich Ruhe hat vor Trickbetrügern und Gaunern.