Bayern

Sebastian Wesely am Alten Peter: 10.000 Sachen für die Ewigkeit

In Teil 4 unserer Serie schaut die AZ bei "Sebastian Wesely"am Alten Peter vorbei,zu dem auch eine kleine Wachsbildnerwerkstatt gehört. Gegründet 1557 - wer kauft da heute eigentlich noch ein?


Wachszieher Sebastian Wesely um 1919. Damals übernimmt er die Werkstatt Ebenböck in Pasing und zieht damit in die Herrenstraße 36, . . .

Wachszieher Sebastian Wesely um 1919. Damals übernimmt er die Werkstatt Ebenböck in Pasing und zieht damit in die Herrenstraße 36, . . .

Von Irene Kleber

Dichter kann man kein Schaufenster dekorieren. Taufkerzen neben Holzengeln neben Bierkrügen neben Kripperlfiguren neben Porzellantassen und Ikonen und Weihrauchgefäßen. Altstadtflaneure wissen natürlich, was gemeint ist: das Kerzen-, Schnitzerei- und Allerlei-Geschäft Sebastian Wesely zu Füßen des Alten Peter, zu dem auch eine kleine Wachsbildnerwerkstatt gehört.

Man bleibt da gelegentlich stehen und fragt sich: Wie überlebt es so viele Jahrhunderte schon - und wer kauft hier ein?

"Seit 1557" steht über der schmalen Eingangstür am Rindermarkt 1, aber das stimmt nur ein bisschen. Das Geschäft ist erst 1923 hier in der Altstadt eingezogen. Kurz nachdem Namensgeber Sebastian Wesely idie Wachszieherei Ebenböck aus Pasing übernommen und Tochter Rosa dazu diesen Laden aufgemacht hat.

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Ins Geschäft steigt Stiefsohn Michael Brunner 1996 ein, seit 2016 führt er es allein. Äußerlich verändert hat sich in all den Jahrzehnten nichts.

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Besonders prächtig geschmückt sind die Marienkerzen im Laden.

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Michael Brunner ist der Stief-Urgroßenkel von Namensgeber Sebastian Wesely. Den Laden mit Wachsbildnerwerkstatt gibt es seit 1923.

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Eine Wachsbildnerin verziert eine Taufkerze - nach Kundenwunsch.

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. . . vier Jahre später, 1923, eröffnet seine Tochter Rosa (l.) den Laden am Rindermarkt. Deren Tochter Elfriede (r., heute 88) wird 1977 Inhaberin.

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Nicht nur Kerzen führt das Geschäft, sondern auch Rosenkranzdoserl.

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Ein Wachsstock, wie ihn früher Bauern ihrem Gesinde jedes Jahr zu Mariä Lichtmess geschenkt haben.Bis heute kaufen Münchner Stammkunden jedes Jahr welche - als kleines Dankeschön für ihre Lieben.

Heute führt Weselys Stief-Urgroßenkel Michael Brunner das Traditionsgeschäft - was nicht mehr so einfach ist wie vor 100 und auch noch vor 25 Jahren. Bis dahin hat "Sebastian Wesely" für 200 Münchner Kirchen Altarkerzen und Opferlichter geliefert, 20 000 Kerzen waren das im Jahr. "Heute liefern wir vielleicht noch ein Viertel davon", sagt Brunner. Viele Kirchen kaufen jetzt lieber billiger aus Polen und Tschechien.

Brunners Kerzen kommen heute aus bayerischen Wachsziehereien (eine eigene hat er nicht mehr). Aber in seiner Werkstatt wird noch verziert. 2.000 Tauf-, Hochzeits-, Osterkerzen schmücken seine Wachsbildnerinnen jedes Jahr. Mit Wachsornamenten aus Messingformen oder mit den Namen der Taufkinder oder Hochzeitspaare. Vor allem die Marienkerzen, bis zu einem halben Meter hoch, sind eine Schau. Manche von ihnen werden bald an Wallfahrtsorten stehen, als Dankeschön an die Heilige Maria, weil jemand genesen ist oder weil ein großer Wunsch sich erfüllt hat.

Dass der Umsatz über die Jahre nicht gelitten hat, ist übrigens der Klugheit von Brunners Stiefmutter zu verdanken, die schon früh das Sortiment erweitert hat. Seither stehen auch Rosenkränze, Gebetsbücher, Kreuze und Heiligenfiguren von Schnitzern aus dem Grödnertal im Laden. Die kaufen nicht nur Münchner für ihre Feste oder fürs Wohnzimmer. Sondern immer mehr Touristen, die nach der Besichtigung des Alten Peter quasi direkt in ihr Geschäft hineinfallen.

Man erlebe da lustige Sachen, erzählen Mitarbeiterinnen im Laden. "Sie haben aber nette Ketten da", habe mal eine Touristin gesagt und auf die Rosenkränze gedeutet, "gibt's die auch ohne Kreuze?" Oder: "Ich hätt gern eine Taufkerze, aber bitte nicht so religiös." Oder: "Ihr Weihrauch kratzt" - das sagte eine ältere Dame, die das Räucherharz für ein Hustenbonbon gehalten hat.

Wieso ab 2010 auf einmal der Bierkrüge-Boom angefangen hat, ist nicht ganz klar. Vermutlich hat ihn die Wiesn ausgelöst und die neue Lust auf Heimat. "Jedenfalls", sagt Michael Brunner, "leben wir seitdem vor allem von den Krügen, die Amerikaner sind ganz wild da drauf". Und japanische Gäste auf die Zinnbecher im Laden, "das gefällt ihnen halt, man muss ja nicht alles verstehen".

Was das Überlebensgeheimnis seines Geschäfts ist? "Die Werkstatt nicht aufgeben", sagt Brunner, "weil alles nix is ohne die Tradition." Und weiter das Sortiment erweitern. 10.000 Artikel zählt er bis jetzt. Dass es also mal luftiger wird in seinem Schaufenster, ist eher unwahrscheinlich.