Bayern

Schock für Tochter: Grabstein der Mutter ist plötzlich verschwunden

Annette Klammer besucht fast jeden Tag den Friedhof, auf dem ihre beiden Eltern beerdigt sind. Doch am Mittwoch vor vier Wochen war plötzlich der Grabstein weg


Anette Klammer mit dem Grabstein.

Anette Klammer mit dem Grabstein.

Von Hüseyin Ince

Vaterstetten - Für die Vaterstettenerin Annette Klammer ist es eine wichtige Routine in ihrem Leben. Hier kommt sie zur Ruhe, holt sich Kraft für den Alltag. Möglichst täglich geht sie ans Grab ihrer Eltern Wilma und Heinz, pflanzt neue Blumen, säubert, reißt Unkraut aus und zündet eine Kerze an.

Ihre Mutter Wilma wohnte mit ihr, war zuletzt schwer krank, bevor sie im November 2021 mit 99 Jahren verstorben ist, fast 30 Jahre nach ihrem Ehemann Heinz. Zu ihrer Mutter hatte Klammer eine enge Bindung. "Mir war es sehr wichtig, sie bis zu ihrem Tod daheim zu versorgen", sagt sie. Klammer lebt seither allein.

Vor vier Wochen erlebt die Tochter einen Schock

Am Mittwoch vor vier Wochen, am 18. April, schnappte Annette Klammer am Grab ihrer Eltern nach Luft, erlebte einen Schock, anstatt ein wenig durchzuatmen. Dort, wo normalerweise der Grabstein mit den Namen, Geburtstagen, Todestagen sowie zwei kleinen Fotos ihrer Eltern steht, war plötzlich: nichts. Leere. Der Grabstein war verschwunden. Wie konnte das sein?

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Annette Klammer am Grab ihrer Eltern Wilma und Heinz. Bis vor vier Wochen stand hier auch der dazugehörige gebrochene Grabstein, der nun teuer wieder aufgestellt werden muss.

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Ob der Grabstein von sich gebrochen ist, oder die Gemeinde daran schuld ist, darüber ist ein Streit entbrannt.

Bei einem genaueren Blick sah Klammer einen abgebrochenen Sockel. Erst dachte sie, der Grabstein wurde abgesägt. Später wurde klar, dass er wohl abgebrochen ist. "Das alles fühlte sich an wie ein Herzinfarkt. Ich konnte es nicht glauben", sagt Annette Klammer.

Auf dem Grabschmuck fand sie dann einen schlichten grünen Zettel von der Friedhofsverwaltung, der sie etwas ratlos machte. Erst wurde hier angekreuzt: "Grabstein/Grabmal nicht standsicher. Bitte sofort fachkundig befestigen lassen." Dann hat man dieses Kästchen wieder schwarz überzeichnet und darunter angekreuzt: "Unfallgefahr! Grabstein/Grabmal musste gesichert/umgelegt werden."

Ein lockerer Grabstein wäre ihr aufgefallen

Klammer schätzt das im Nachhinein so ein: "Offenbar wussten die nicht so recht, wie sie vorgehen sollen." Aber sie ist sicher: "Der Stein war fest. Noch am Montag war ich da und habe das Grab gepflegt. Ein lockerer Grabstein wäre mir aufgefallen."

Und sie fragte sich auch, warum man sie nicht einfach kontaktiert hatte. "Die haben meine Telefonnummer, das weiß ich", sagt sie. Denn vor zwei Jahren, als der Stein schon einmal locker zu sein schien und die Verwaltung Kontakt mit ihr aufnahm, habe sie eine inzwischen verstorbene Mitarbeiterin mehrfach persönlich angerufen.

Nach dem Schock ging Annette Klammer auf direktem Weg in die Friedhofsverwaltung der Gemeinde Vaterstetten. Dort wollte sie wissen, wo bitte der Grabstein ist und warum er denn entfernt wurde. Doch sie konnte es nicht erfahren. Das Gespräch eskalierte, als die Mitarbeiterin so etwas sagte wie: "Wir haben den Stein ja nicht weggeschmissen", erinnert sich Klammer. Sie ertrug diesen Satz und die Haltung nicht, wurde laut. Wütend und ausfallend sei Klammer gewesen, sagt eine Mitarbeiterin der Verwaltung. Sie wurde vor die Türe gebeten.

Die Gemeinde sagt: Eine Routineüberprüfung habe gezeigt, dass der Grabstein locker sei

Über Umwege erfuhr sie, dass der einige hundert Kilogramm schwere Grabstein in der Aussegnungshalle lag. Immer noch hatte ihr keiner erklärt, warum der Stein entfernt wurde. Fassungslos rief sie daraufhin bei der Abendzeitung an.

Als die AZ nachhakt, warum der Stein entfernt werden musste, heißt es per Mail: Bei einer Routineprüfung sei festgestellt worden, dass der Grabstein der Grabstätte "Klammer" komplett durchgebrochen war, nur noch auf dem Reststück/Sockel des Steines lose stand und nicht mehr fest mit dem Boden verankert gewesen ist.

Die Verwaltung antwortet weiter: "Da der Stein jederzeit umfallen konnte und somit eine erhebliche Gefahr für Frau Klammer und die umliegenden Grabnutzungsberechtigten darstellte, wurde aus Sicherheitsgründen der sofortige Abbau des Steins entschieden." Doch Klammer zweifelt. Sie wiederholt: "Wenn der so locker gewesen wäre, hätte ich das beim täglichen Gang zum Grab gemerkt!"

Die Verwaltung wirft Annette Klammer zudem vor, entgegen ihrer Ankündigung 2021 den Stein fachgerecht stabilisieren zu lassen, nichts getan zu haben. Doch das sieht Klammer anders. Sie habe sich mit der inzwischen verstorbenen Mitarbeiterin telefonisch geeinigt, dass nach einer Besichtigung durch einen Steinmetz keine Gefahr vom Stein ausgehe und man die Lage gemeinsam weiter beobachten werde. Doch die Verwaltung weiß davon offenbar nichts. Weshalb Klammer nicht informiert wurde? Man habe sie schriftlich benachrichtigen wollen, antwortet die Pressestelle. Doch Klammer sei mit ihrem Besuch in der Verwaltung zuvorgekommen. Ihre Telefonnummer habe nicht vorgelegen, um sie auf kürzestem Weg über die Gefahr zu informieren, die vom Stein ausging.

Den Stein wieder aufstellen zu lassen, kostet 3000 Euro

"Das kann gar nicht sein, die haben alle Daten von mir: E-Mail, Telefonnummer, Adresse, alles", sagt Klammer selbstsicher. Sie fühlt sich bevormundet und der Möglichkeit beraubt, den Stein wieder befestigen zu dürfen, als er noch stand. Es sei auch eine Kostenfrage. "Das wäre deutlich günstiger gewesen", sagt die Frau, die stets einen genauen Blick auf ihre Ausgaben haben muss. Mit bis zu 3000 Euro Kosten rechnet sie derzeit, um den Stein wieder aufstellen zu können.

Für Klammer endet die Geschichte hier noch nicht. Sie kann der Version der Friedhofsverwaltung nicht glauben und hat eine Firma beauftragt, die untersuchen soll, ob der Stein gebrochen war, bevor er entfernt wurde, "oder ob er erst gebrochen ist, als er weggebracht wurde", sagt Klammer. Das sei es ihr wert. Und wenn er beim Entfernen gebrochen ist? "Dann klage ich", sagt Klammer.

Ein Natursteinexperte aus Markt Schwaben konnte inzwischen einen Blick auf den Stein werfen. Man hätte die Prüfung ankündigen müssen, heißt es in einer Antwort-Mail. "Wir sind der Meinung, dass der Bruch erst im zweiten Schritt mit der Rüttelprobe festgestellt wurde". Und: "Es ist auch nicht feststellbar, ob die Rüttelprobe dem Stein den letzten Rest gegeben hat."